Ich bin etwas müde von Berlin
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Yael aus Israel ist nicht zum ersten Mal in Berlin. 2010 lernte sie während eines Austauschsemesters das Berliner Leben kennen. Nach ihrem Produktdesign-Studium an der Bezalel Academy in Jerusalem zog sie erneut hierher – dabei sollte es eigentlich eher in den Süden oder Westen des Landes gehen, weil dort die interessanteren Arbeitgeber für eine angehende Produktdesignerin angesiedelt sind.
Yael, warum fiel deine Wahl letztendlich doch wieder auf Berlin?
Es gibt viele Gründe: ich mag die Stadt und es ist einfach bequem für mich, hier zu leben. Ich habe noch viele Connections von damals, meinen Professor und ehemaligen Kommilitonen, Freunde von mir wohnen hier und das Leben ist günstig. Und ich habe gemerkt, dass es auch in Berlin sehr viele interessante Agenturen im Bereich Produktdesign gibt. Ich interessiere mich zwar hauptsächlich für Industriedesign, aber dafür muss ich nicht zwingend dort leben, wo die Industrie ansässig ist.
Wie kam es zu deiner Berufswahl?
Ich mochte es schon immer, Dinge herzustellen. In der fünften Klasse habe ich an einem Patentwettbewerb teilgenommen und ich habe schon früh damit angefangen, Schmuck anzufertigen. Ich schaue alles mit dem Blick einer Designerin an und frage mich: „Wie würde ich das machen?“ Es war also nur konsequent, dass ich Produktdesignerin werde.
Welches Produkt möchtest du gerne designen?
Ich habe das Ziel, den perfekten Kinderwagen zu erschaffen. In einem Kinderwagen ist alles vereint: verschiedene Materialien und komplizierte Mechanismen sowie unterschiedliche Nutzer mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Das Kind, das darin bequem und sicher sitzen soll und die Eltern, die den Wagen herumschieben.
Jetzt bist du seit drei Monaten wieder hier, wie fühlst du dich?
Um ehrlich zu sein bin ich gerade ein klein wenig müde von Berlin. Ich vermisse die Wärme. Damit meine ich nicht die Sonne, sondern die Wärme unter den Menschen. In Deutschland ist vieles sehr formal, was ich in bestimmten Bereichen sogar mag. Aber im persönlichen Bereich stört es mich. In Israel ist das Physische immer da, man umarmt sich ständig, ist offener...ja, diese Wärme fehlt mir sehr. Ich beobachte das übrigens auch bei israelischen Freunden, die seit einer Weile hier leben, mit denen ist es irgendwie auch anders als zu Hause. Ich habe irgendwie kein richtiges Beispiel, aber ich empfinde das so.
Kennst du viele Israelis in Berlin?
Sehr viele Israelis leben hier: Künstler, Musiker oder auch viele, die es in die Startup-Szene zieht. Und die sind alle sehr gut vernetzt. Es gibt eine Webseite und eine Facebookgruppe für Israelis in Berlin und man hilft sich untereinander, so gut es geht. Du hast Fragen zum deinem Visum, du brauchst eine Wohnung oder eine Matratze? Kein Problem, wende dich einfach an das Netzwerk. Ich glaube auch, dass es nicht wenige Israelis gibt, die sich in Berlin aufhalten, auch wenn das Visum schon abgelaufen ist. Ein politisch nicht ganz korrekter Gedanke, aber vielleicht schaut Deutschland bei Israelis weniger genau hin, wenn es um die Aufenthaltsbestimmungen geht?
Denkst du daran, wieder zurück in deine alte Heimat zu gehen?
Ich bin hin- und hergerissen. In Israel habe ich mich nicht darum gekümmert, in meinem eigentlichen Beruf eine Stelle zu finden. Ich habe als Kuratorin für Ausstellungen gearbeitet und habe Kurse zu einer Produktdesign-Software gegeben, aber als es darum ging, wirklich als Produktdesignerin zu arbeiten, habe ich mir gesagt, okay, ich gehe erstmal nach Berlin. Jetzt habe ich aber das Gefühl, dass ich mein Leben nach hinten verschiebe, wenn ich hierbleibe. Ja, ich denke stark darüber nach, wieder zurück zu gehen.
Als wir das Interview beendet haben, fällt Yael plötzlich ein Beispiel für die unterschiedlichen Verhaltensweisen in Deutschland und Israel ein:
Ich war auf einer Design-Veranstaltung, wo ich mit vielen Agenturen ins Gespräch kam. Ich hatte einige gute Unterhaltungen und viele waren an meiner Arbeit interessiert. Bei der Verabschiedung sagte ich, „prima, dann komme ich bald mal vorbei und zeuge Euch mein Portfolio.“ Die Reaktion war bei allen gleich: ja gerne, aber schick' doch bitte zuerst mal eine Email. Das habe ich nicht verstanden. Du hast mit mir gesprochen, du findest gut, was ich mache, für was soll ich dir noch eine Email schreiben? In Israel wäre man einfach spontan vorbeigekommen, ohne Probleme.
Nachtrag:
Eine Woche später. Yaels Touristenvisum ist abgelaufen, sie hat sich entschieden, zurück nach Hause zu gehen. Am selben Tag erhält sie die Zusage für ein sechsmonatiges Praktikum in einer Berliner Agentur. Die Koffer sind gepackt, der Flug gebucht – ob der Aufenthalt in Israel nun doch nur ein Heimaturlaub wird oder die Rückkehr in ihr altes Leben, das wird sie in den nächsten Tagen entscheiden.