Icesave-Referendum in Island: 93% gegen Entschädigung der Briten und Niederländer
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Die Isländer haben sich in einem Referendum am Samstag mit 93 Prozent der Stimmen gegen die milliardenschwere Entschädigung Großbritanniens und der Niederlande ausgesprochen. Die Ablehnung des sogenannten Icesave-Gesetzes könnte den EU-Beitritt Islands und die Hilfen für das krisengeschüttelte Land torpedieren, meinen Kommentatoren.
NRC Handelsblad: „Marginalisierung: irrationale Unerschrockenheit“; Niederlande
Die Isländer gehen mit ihrer Ablehnung, rund 3,5 Milliarden Euro Entschädigung für ausländische Sparer zurückzuzahlen, das Risiko der internationalen Isolierung ein, schreibt die Tageszeitung NRC Handelsblad: "Das stellt die britische und die niederländische Regierung vor ein Dilemma. Welche Mittel haben die beiden Länder, um Island zur Vernunft zu bringen? [...] Brüssel findet, dass der Schuldenkonflikt und die Beitrittsverhandlungen getrennt bleiben müssen. [...] Es ist allerdings die Frage, wie viel Druck die EU überhaupt noch auf Island ausüben kann. Dass die Bürger die Marginalisierung in Kauf nehmen, verweist auf eine irrationale Unerschrockenheit. [...] Das Ergebnis deutet auf Unzufriedenheit mit dem pro-europäischen Kurs der grün-linken Regierung unter der Leitung der Sozialdemokratin Jóhanna Sigurðardóttir hin. Wenn die Premierministerin ihre Regierung nicht halten kann, könnte Island die Verhandlungen mit der EU auch auf die lange Bank schieben." (Artikel vom 08.03.2010)
Diário Económico: „Herausfordernde Geste der Isländer“; Portugal
Die Ablehnung der Isländer, für die Pleite der Bank Icesave zu haften, könnte schwerwiegende Folgen haben, so die Wirtschaftszeitung Diário Económico: "Das Nein [...] war zu erwarten. Aber es ist trotzdem erstaunlich, dass ein ultra-peripheres Land, das vor kurzem Bankrott war, sich in einer tiefen Wirtschaftskrise befindet und abhängig von finanzieller Hilfe aus dem Ausland ist, die internationale Gemeinde herausfordert. [...] Die Entschädigung würde pro Einwohner eine Belastung von 12.000 Euro darstellen, was die herausfordernde Geste der Isländer [...] erklärt. Möglicherweise haben sie damit jedoch die Hilfsgelder des Internationalen Währungsfonds blockiert, die Rating-Agenturen weiter genervt und ihren zukünftigen EU-Beitritt eingefroren, der von der Zustimmung von Großbritannien und den Niederlanden abhängt. Das alte Island hat noch nicht verstanden, dass die alten Regeln [...] nicht weiter gültig sind, nachdem unsere Wirtschaft implodiert ist."
(Artikel vom 08.03.2010)
Der Standard: „EU-Beitritt muss von diesem Disput getrennt werden“; Österreich
Anders als Griechenland verlangt Island keine Hilfe für selbst eingebrockte Probleme!
Die Ablehnung der Isländer, ihre Schulden bei Briten und Niederländern zu bezahlen, darf nicht zu einer Blockade des EU-Beitritts führen, meint die liberale Tageszeitung Der Standard: "Nach dem mit vielen Emotionen belasteten Referendum wird es nun noch schwieriger sein, ein faires Abkommen auszuhandeln. Aber wie dieses am Ende aussieht, ist Sache der drei beteiligten Staaten. Weder der Internationale Währungsfonds noch die EU haben einen Grund, ihr Verhalten vom Ausgang der Verhandlungen abhängig zu machen und damit gegen Island Partei zu ergreifen. [...] Vor allem der EU-Beitrittsprozess muss von diesem Disput getrennt werden. Das hochentwickelte Island sollte so rasch wie möglich Mitglied werden; das hilft nicht nur dem Inselstaat, sondern stärkt auch die Union. Anders als Griechenland verlangt Island keine Hilfe für selbst eingebrockte Probleme, sondern nur die Nichteinmischung in einen schwierigen Streitfall."
(Artikel vom 08.03.2010)
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