Homosexualität im Sport - zwischen Tabus und Eitelkeiten
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mass-im-oEr outete sich, wurde angeprangert und brachte sich im Alter von nur 37 Jahren um. Zwölf Jahre nach dem Tod des farbigen Fußballspielers Justin Fashanu bleibt Homosexualität im Sport ein Tabuthema.
Dabei ist es paradox, denn viele Spitzensportler haben anscheinend keinerlei Vorbehalte, gemeinsam mit ihren Teamkollegen nackt in Werbespots zu posieren und sich zudem stolz als Schwulen-Ikonen zu brüsten. Nur das Wort "Outing" nimmt keiner von ihnen in den Mund. Wovor aber haben sie Angst?
Weltweit sind etwa eine halbe Million Berufsfußballer aktiv - keiner von ihnen hat jemals offen erklärt, schwul zu sein. Da kann irgendetwas nicht stimmen. In einer Befragung unter 3.000 Spielern, Trainern, Schiedsrichtern und Fans haben Ellis Cashmore und Jamie Cleland, beide Forscher der britischen Staffordshire University, tatsächlich herausgefunden, dass mehr als ein Viertel der Befragten (27%) wenigstens einen schwulen Spieler kennt. Jedoch, so erklärt Cashmore dem Guardian, "keiner von ihnen hat je den Schritt gewagt, sich öffentlich zu outen."
Eine Erklärung dafür zu finden gestaltet sich schwierig. Sicher scheint jedoch, dass das eigentliche Problem keineswegs die italienischen Fans darstellen. So bezeichnen sich nach selbiger Studie 80% der "tifosi" als tolerant und aufgeschlossen, wenn es um die Ehrlichkeit und Offenheit ihrer persönlichen Lieblinge geht.
Von Gerüchten und Dementi im europäischen Fußball
Man wird das Gefühl nicht los, dass die Sportler Angst haben. In Deutschland gab eine in der Financial Times erschienene Meldung Anlass zur Diskussion: derer nach sollen sich drei Spieler der Nationalmannschaft als schwul geoutet haben. Den Schritt aus der Anonymität wollten sie indes nur im Fall eines Outings von wenigstens acht Mitspielern wagen. Müßig zu erwähnen, dass keine Namen bekannt wurden.
In Italien wird derselbe Ton angeschlagen. Ungeachtet der Aussage von Marcelo Lippi, des Trainers der italienischen Mannschaft, der immer bekräftigt hatte, "dass es keine schwulen Fußballer" gebe, und dass er "in 40 Jahren nie einen kennengelernt" habe, wird im Fensehen ein Interview des Journalisten Paolo Colombo mit einem Spieler der dritten italienischen Liga gezeigt. Darin enthüllt dieser, regelmäßig von einigen Spielern der A-Nationalmannschaft für Dienste sexueller Art bezahlt worden zu sein. Dabei soll es pro Nacht auch mal 2000 Euro gegeben haben.
All jene, die "Böses" vermuten könnten, werden auch in Spanien ruhiggestellt. Den Gerüchten um ein vermeintliches Verhältnis von Ex-Barca-Stürmer Ibrahimovic und Verteidiger Gerard Piqué (ebenfalls FC Barcelona), die beide in "verdächtiger" Pose abgelichtet worden waren, wurde vonseiten des Schweden Ibrahimovic umgehend jeglicher Nährboden entzogen. Von einer Journalistin auf eine diesbezügliche Stellungnahme angesprochen, antwortete der Spieler mit der provokanten Äußerung: "Komm zu mir nach Hause und ich zeig' dir wie schwul ich bin." Als die Journalistin schlagfertig einwilligt, entgegnet der Schwede nur: "Dann bring deine Schwester mit!"
Gerüchte, nach denen der frühere Spieler von Real Madrid José María Gutiérrez, besser bekannt als „Guti“, einen Mann geküsst haben und Umgang mit der transsexuellen Schauspielerin Bibiana Fernandéz (aus den Filmen Almodóvars) gepflegt haben soll, wurden ebenfalls schleunigst dementiert. Nur von den Rängen des Camp Nou, dem Stadion des ewigen Rivalen FC Barcelona, wurde er zu den Klängen von „maricón maricón“ (Schwuchtel) empfangen. Wie viele andere auch lässt Guti sich mittlerweile mit den einschlägigen Showgirls ablichten und ist gleichsam „bemüht“, einer Journalistin vor laufenden Kameras nachzustellen.
Die französische Presse nimmt sogar an, dass ein Fall von Homophobie für den internen Bruch und die daraus resultierende Blamage der französischen Nationalelf bei der letzten Weltmeisterschaft ausschlaggebend war. Die Kontrahenten sind auf der einen Seite Yoann Gourcuff, seit seinem Auftritt auf Seite Eins des Schwulen-Magazins Têtu eine Ikone der Homosexuellen, und, demgegenüber, das Duo Nicolas Anelka und Franck Ribéry, den Machos der Mannschaft. Doch rasch ging man den Weg zurück in die Normalität, nur Ribéry lief Gefahr, den Gang hinter Gitter (nach dem Sex-Skandal mit einer minderjährigen Prostituierten) antreten zu müssen.
Homosexuelle Rugby-Sportler?
Wenn es schon um die Akzeptanz Homosexueller im Fußball schlecht bestellt ist, wie verhält es sich dann erst im Rugby? Der frühere Spieler Serge Simon schreibt in seinem Absurden Wörterbuch des Rugby, der Sport baue „auf archaischen Werten und der Verdrängung jedweder Spur von Weiblichkeit“ auf. Das Outing des Spielers Garreth Thomas gibt all dem eine neue Qualität. In einem Interview mit dem Corriere dello Sport bekräftigt Mauro Bergamesco, Spieler bei Stade Francais und in der italienischen Nationalmannschaft, die Entwicklung: „Ich weiß, dass es homosexuelle Rugby-Spieler gibt, aber niemals bin ich einem begegnet. Nach Ansicht von Marco Bertolami, seines Zeichens Kapitäns der italienischen Nationalmannschaft, ist all dies mit der Wende zum Glamourösen, die die Sportart vollzogen hat, zu erklären. „Homosexualität und Rugby, das passt einfach nicht zusammen!“ sagte er dem Riders Magazine. Dabei begann alles mit den „Dieux du Stade“ (Stadiongöttern), einem Kalender mit Fotos der Pariser Rugbymannschaft. In 90% der Fälle waren dessen Käufer männlich. „Man sollte vorsichtig sein, welches Image man damit für das eigene Umfeld transportiert.“
Der Fotograf der letzten Edition des „Dieux du Stade“, François Rousseau, ist sinngemäß einverstanden, dass „der Kalender sicherlich zur Evolution einer gewissen Denkungsart beiträgt.“ Im Übrigen sind es immer mehr Sportler, die zu Schwulen-Ikonen stilisiert werden und die sich freimütig dazu bekennen (man nehme David Beckham). So verschreiben sich auch die großen Modemarken wie Dolce & Gabbana und Armani diesem Trend. Es wimmelt in allen ihren Anzeigen - in Zeitungen und auf Werbeplakaten - nur so von leicht bekleideten Männern. „Die Sportler lieben ihr eigenes Image; sie lieben es, begehrt zu werden - auch von Schwulen“, berichtet François Rousseau cafebabel.com. „Heutzutage geschieht das mehr als offenkundig. […] Trotzdem glaube ich, dass Homophobie in den westlichen Ländern weiter verbreitet ist. Und vergessen wir nicht jene 78 Länder dieser Welt, in denen schwul zu sein eine Straftat darstellt! Für die Akzeptanz Homosexueller muss noch viel getan werden. Die Welt des Sports folgt dem Takt, den die Gesellschaft vorgibt, sie ist nicht weniger als deren Spiegelbild.“
Am mutigsten sind die Tennisspielerinnen
Am einfachsten scheinen es homosexuelle Sportlerinnen im Tennis zu haben - zumindest nach Aussage jener 65%, die an einer Umfrage von Stonewall, einer englischen schwul-lesbischen Organisation teilgenommen haben. Es ist nicht verwunderlich, dass gerade Homosexualität im Tennis keinen Anstoß erregt, allzu präsent erscheinen die Outings der tschechischen (bzw. US-amerikanischen) Tennisspielerin Martina Navratilova oder der Französin Amélie Mauresmo. Frauen scheint ihr Coming-Out ungezwungener zu gelingen als Männern. Das wahre Tabuthema ist, auch wenn es paradox anmutet, der männliche schwule Sportler. François Rousseau bringt es auf den Punkt: „Ein Familienvater würde sich heutzutage köstlich amüsieren, ein Familienfoto mit Frau und Kind in der Eingangshalle eines Kaufhauses, wie Abercrombie & Fitch in New York, zu knipsen und dabei einen halbnackten Mann, der einem Pornofilm entsprungen sein könnte im Hintergrund zu haben. Wenn sein Sohn ihm aber eröffnen sollte, schwul zu sein - würde ihn das wohl weniger zum Lachen animieren. Oder was denkt ihr?
Fotos: (cc)degreeszero/flickr; (cc)zequouine/flickr; (cc)Bruno Girin/flickr; Video: YouTube
Translated from Sport e omosessualità: tra tabù e vanità