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Hollywood des Ostens? Die junge tschechische Filmszene lebt

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Politik

Leichte Komödien und Exportschlager: das tschechische Kino schwimmt auf einer Erfolgswelle. Aber in Prag drängen Nachwuchsfilmer und Programmkino gegen den Mainstream.

Die tschechische Neue (Film-)Welle brachte in den Sechziger Jahren mit Regisseuren wie Miloš Forman das 'tschechische Filmwunder' hervor. Mit der Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968 kam sie zu einem abrupten Ende und von dort an bestimmte die spitze Zensurschere den Alltag der Filmemacher. Heute lebt die Filmszene in Prag wieder. Zum einen haben die internationalen Produktionsfirmen die tschechische Republik als günstige und professionelle Filmlocation entdeckt, um ihre Blockbuster abzudrehen. Zum anderen ist Prag eine Stadt mit vielen interessanten Kinos, einer lebendigen Festivalszene und cineastischem Nachwuchs, der nach wie vor an der altehrwürdigen FAMU (Filmová a Televizní Fakulta Akademie Múzický Umní) ausgebildet wird.

Leichte Komödien als Kassenschlager

Einer der Absolventen, die sich mittlerweile erfolgreich im Filmbusiness behaupten, ist der Regisseur und Produzent Martin Kotík. Mit Pánská jízda - Männer unter sich landete der Mittdreißiger 2004 einen Kassenschlager. In einer Sportsbar in einem Prager Vorort voller Mietskasernen erzählt Martín Kotík, wie er die neue tschechische Filmindustrie und seinen Platz darin sieht. Kotík ist über den Umweg eines Philosophiestudiums erst beim zweiten Versuch in der Filmschule angenommen worden. Für ihn war von Anfang an klar, dass er Komödien machen wollte. "Ich habe es auch mit Tragödien versucht. Das war aber nichts für mich. Das wichtige ist letztendlich die Story und die Kommunikation mit dem Publikum, und dafür ist die Komödie das geeignetste Transportmittel für mich." Seine Inspiration holt sich der Regisseur aus seinem eigenen Leben, Authentizität ist ihm wichtig - aber nicht um jeden Preis. "Ich will kein Dokumentarfilmer sein. Ich will unterhalten und nur eines nicht: langweilig sein."

Szene aus Kotíks 'Pánská jízda - Männer unter sich' (Foto: ©???)

Über die Vorwürfe des Kommerzes, die ihm immer wieder entgegengebracht werden, lächelt er hinweg. Doch unterschwellig ist ihm doch sein Verärgerung darüber anzumerken: "Ich war mit meiner Einstellung auch in der Filmschule immer schon das schwarze Schaf. Ich will einfach eine gute Arbeit abliefern. Ich habe keine Probleme mit dem Mainstream - ich will der beste im Mainstream sein!" Seine Filme haben universellen Charakter, was die Story und die Erzählart angeht - dennoch sind seine Filme immer auch Filme über Prag. "Das ist meine gewohnte Umgebung. Ich bin hier geboren und meine Freunde leben hier. Ich könnte keinen Film machen, der nicht irgendwie tschechisch ist."

Frisches Blut für neue Filme

Ortswechsel. Prager Innenstadt, ein kleiner Tisch im Café Lucerna, das zu einem Filmpalast aus den Zwanziger Jahren gehört, der in der Vodikova, der Prager Kinostraße, liegt. Hier treffen sich junge FAMU-Studenten zu Kaffee, Zigaretten und guten Gesprächen. Unter ihnen ist der 26-jährige Nachwuchs-Regisseur Payam Razi. Er kam vor einigen Jahren als erster iranischer Student aus Teheran in die Stadt an der Moldau. An der Filmhochschule hielt er ist nicht lange aus, der Unterricht war ihm zu theorielastig. Doch die dortige Atmosphäre weiß er immer noch zu schätzen. Als Assistent und Sound-Designer hat er bereits an vielen Projekten mitgearbeitet und war 2007 Teilnehmer des Talentcampus der Berlinale. Razi hält nichts von aufwendigen und kommerziellen Filmproduktionen: "Technische Perfektion ist längst nicht mehr so wichtig - das Konzept ist das, was für die Zukunft des Films zählt."

Unabhängige Aero-Kinos gegen Mainstream (Foto: ©kinoaero.cz)

Hynek Plieštik, ein junger Filmbegeisterter, sieht das ähnlich. Er arbeitet für das Kino Svtozor, das zur Gruppe der unabhängigen Aero-Kinos gehört, die sich innerhalb weniger Jahre zum neuen Aushängeschild der Prager alternativen Filmszene entwickelt haben. "Normalerweise werden Art House Filme in kleinen Kinos am Stadtrand gezeigt und nur die großen Blockbuster im Zentrum. Wir aber zeigen sie mitten in der Stadt - und die Leute kommen zu uns!" Plieštik lebt für seinen Job und erzählt mit leuchtenden Augen von den vielen Projekten, die weit über bloße Filmscreenings hinausgehen. "Es werden Festivals organisiert, wir übertragen live aus der Metropolitan Oper in New York, wir machen mit dem 'Kinoautomaten' die ersten interaktiven Filme der Welt...übrigens ein Riesenerfolg auf der Expo in Montréal!" In seinem Enthusiasmus wird er nur gebremst, wenn es um den aktuellen tschechischen Film geht. "Seit den Sechziger Jahren ist nie mehr etwas Großartiges entstanden. Wir haben keine schlechten Filme, aber auch keine, auf die man besonders stolz sein kann. Aber die Leute sehen tschechische Filme gerne."

Štefan Uhrík, Programmchef des Febio-Filmfests, das dieses Jahr im März zum 15. Mal stattfand, ist in seiner Wortwahl ähnlich drastisch: "Es gibt kein neues tschechisches Kino! Eine echte Bewegung gibt es nicht - und die Filme, die zum Beispiel letztes Jahr auf den Markt gekommen sind, waren fast alle schlecht. Der tschechische Film ist durch seinen eigenen Erfolg verdammt."

Kasse und Klasse

Dass der neue tschechische Film beim Publikum erfolgreich ist, belegen die folgenden Zahlen: Unter den Top-10-Filmen an den tschechischen Kinokassen des letzten Jahres befanden sich fünf einheimische Filme, 2007 kamen insgesamt 17 tschechische Feature-Film-Produktionen in die Kinos. Unangefochtener Box-Office-König mit über 1,2 Millionen Besuchern ist Leergut (Vratné lahve) von Jan Svrák. Die liebenswürdige Komödie, in der der alternde Lehrer Josef sein Leben völlig umkrempelt und zum Verkuppler der Mitarbeiter der Leergutannahme eines Supermarkts wird, ist der seit der Staatsgründung erfolgreichste tschechische Film aller Zeiten. Auch international konnte Leergut punkten: Der Film ging aus den Filmfestivals von Hamburg, Cottbus und Karlsbad als Gewinner des Publikumspreises hervor.

Trailer: Leergut

Kreative Nachwuchsregisseure, gute Ausbildungsmöglichkeiten und Produktionsbedingungen machen Prag auch heutzutage zu einer Filmstadt, die die Bezeichnung 'Hollywood des Ostens' nicht nötig hat. Und nichts steht dem Entstehen einer Neuen Tschechischen Welle im Wege, denn wie war das noch mal bei Kafka?: "Verbringe nicht die Zeit mit der Suche nach einem Hindernis: Vielleicht ist keines da." Also: Film ab und Action!

Danke an Jana Stanulová.