Hohe Kriminalität – Ausländer raus
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Populismus in der deutschen und französischen Politik Der hessische Ministerpräsident, Roland Koch von der CDU, setzt im Wahlkampf ganz auf das Thema Jugendkriminalität. Im vergangenen Dezember war ein Rentner in der Münchner U-Bahn von ausländischen Jugendlichen überfallen worden.
Koch nahm diesen Vorfall zum Anlass, um härtere Strafen für ausländische Straftäter zu fordern, dass beispielsweise Ausländer nach wiederholten Verbrechen leichter abgeschoben werden können.
Herber Rückschlag für den Integrationsdiskurs
Für seinen Vorstoß wurde Koch von der SPD kritisiert, die ihm vorwarf, die Gesellschaft zu spalten und unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen gegeneinander aufzuhetzen. Der SPD-Vorsitzende, Kurt Beck, forderte Aufklärung von Straftaten, aber auch einen Integrationsgipfel, um für bessere Bildungsmöglichkeiten von Ausländern zu sorgen. Die Forderung nach härteren Strafen wurde auch von Richtern, Staatsanwälten und Kriminologen kritisiert. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten gezeigt, dass härtere Strafen lediglich zu höheren Rückfallquoten führen würden, aber nicht die Kriminalität zurückginge. „Kriminalität hat soziale Ursachen“, so der Kriminologe Wolfgang Heinz.
Migrantenverbände warnten in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und an Koch davor, dass der Wahlkampf kurzsichtig sei und „einen herben Rückschlag für den für die gesamte Gesellschaft so wichtigen Integrationsdiskurs" bedeute.
Koch der Rückfalltäter
Lediglich die CDU und Merkel unterstützen Koch und wollen über den so genannten Warnschussarrest, Erziehungscamps und die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts auch für Jugendliche ab 18 Jahren – in Deutschland ist man erst mit 21 voll strafmündig – diskutieren. Erst als Koch nochmal nachlegt und ein erhöhtes Strafmaß für Kinder unter 14 fordert, distanziert sich die CDU. Keine Kinder in Gefängnissen lautet ihre Botschaft. Der Ministerpräsident hatte dagegen auf eine „sehr aggressive Kriminalität in einer sehr kleinen Gruppe von Menschen unter 14 Jahren“ verwiesen. Diese Hetzkampagne im Wahlkampf ist für Koch nichts Neues. Bereits 1999 wetterte er gegen das Vorhaben der Schröder-Regierung,
die doppelte Staatsbürgerschaft einzuführen. Ängste vor Überfremdung wurden geschürt nach dem Motto - man sei ja nicht evangelisch und katholisch – und Koch gewann die Wahl.
„Abschaum“ und DNA-Tests in Frankreich
Aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich, wird mit Ressentiments gegenüber Ausländern Politik gemacht. Nicolas Sarkozy war als Innenminister so beliebt, weil er die harte Hand walten ließ und Zero Tolerance als Devise zur Kriminalitätsbekämpfung vorgab. In Vorstädten mit einem hohen Ausländeranteil sprach Sarkozy von Racaille (Abschaum), den es mit dem Hochdruckreiniger zu entfernen gelte. Durch diese Äußerung hatten sich viele Bewohner der Banlieues beleidigt gefühlt. Wenig später folgten die wochenlangen Unruhen nach dem Tod zweier Jugendlichen in Clichy-sous-Bois. Der ehemalige Innenminister verschärfte das Einwanderungsgesetz mehrere Male, wodurch u.a. die Familienzusammenführung von Einwanderern erschwert wurde. Im letzten Einwanderungsgesetz, diesmal unter Präsident Sarkozy, sind DNA-Tests vorgesehen, um die Zugehörigkeit von Migrantenkindern zu ihren Eltern zu überprüfen, wenn keine Geburtsurkunde vorliegt. Diese Tests wurden scharf kritisiert, da sie Einwanderer von vornherein kriminalisieren würden. Härtere Jugendstrafen sind nicht nur in Hessen ein Thema. In Frankreich wurde bereits das Gesetz über Rückfalltäter erlassen. Die französischen Gefängnisse sind bereits überlaufen, was jetzt noch schlimmer werden dürfte.
Den Vorwurf gegenüber Koch, die Gesellschaft zu spalten, kann man genauso gut Sarkozy machen. Nicht nur mit den DNA-Tests müssen Ausländer als Sündenböcke herhalten. Seinem Minister für Einwanderung und die nationale Identität, Brice Hortefeux, machte der französische Präsident die Vorgabe, 2008 25.000 illegale Einwanderer auszuweisen. Sarkozy ist bereits Präsident, für Koch entscheidet sich nächsten Sonntag, ob er Ministerpräsident bleiben kann.
Lars Weber