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Hoffnung im Jahr 2011: Die Möglichkeit einer Insel

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Stephanie Hesse

Das ist die Höhe! Dumm gelaufen für Griechenland. Es ist entschieden, heute Abend bricht er auf. Thomas steigt ins Boot… und tschüss!

Thomas hat Albträume. Die erste Nacht auf hoher See war schrecklich. Er surfte mit einer Drachmen druckenden Notenpresse auf einer enormen Schuldenwelle, deren Klänge sich wie ein « AAA » anhören. Unglaublich! Als er erwachte, befand sich Thomas inmitten der Adria. Endlich allein. Endlich weit weg.

Wirst du mich noch lieben?Thomas hatte es « More » als satt. Griechenland irrt sich. Plötzlich sieht er, fühlt er. Eine Macht zieht ihn an, wie ein warmer Strom. Sein Boot wird angesogen. Ein erneuter Windhauch schiebt seinen Kahn an, so schnell und so stark, dass Thomas nicht einmal den zurückgelegten Weg zu ermessen vermag. Wie ein Magnet ist er von allein angekommen – an den Pforten der Demokratie.

Unglaublich. Menschenmassen marschieren in Reih und Glied, unverdrossen gefolgt von einer weiteren Welle von Personen: junge, alte, große, magere Männer und Frauen formen ein Ganzes. Die Insel, auf der Thomas gestrandet ist, ist das greifbare Verlangen. Es ist ein ganzes Volk, das im Namen der Hoffnung demonstriert. Dessen Schrei die überreifen Früchte von einem Baum fallen lassen, der – je mehr die Leute fortschreiten – immer majestätischer wird. Auf seinem Stamm steht « Tahrir » geschrieben. Auf seiner Krone thront eine Taube. « Jene, die denFrühlingbringen wird. »

Von nun an weiß Thomas, was die Hoffnung bezeichnet. Die Hoffnung repräsentiert das unteilbare Wesen. « Die Tahririaner », wie man sie nennt, erkennen fast alle ein höheres Wesen wieder. Aber - auf dem Willen begründet nach der Natur zu leben - ist « Tahrir » vor allem gegen den Krieg und für seine Bürger. Eine Insel, die Heimlichtuerei, Betrug, Korruption, persönliche Bereicherung und Unzucht verurteilt. So viele Dinge, die für die verdorbenen Früchte stehen, die von dem königlichen Baum fallen. So viel Nahrung, die seine Heimaterde seit langer Zeit vergiftet.

Man irrt sich bei dem Gedanken, dass das Elend des Volkes ein Garant für den Frieden sei

"Man irrt sich bei dem Gedanken, dass die Misere des Volkes ein Garant für den Frieden sei. Denn wo gibt es mehr Streit als unter den Bettlern ?"In all ihrem Hochmut ist die Insel « Tahrir » der strahlende Kontrapunkt Griechenlands. Die tahririanische Wirtschaft beruht auf der Abwesenheit von Warenhandel und dem Verbot jeglicher Spekulation. Hier gibt es keinen Mangel. Diese Idealgesellschaft lebt ohne Geld. Bei Thomas rennt man einer Sache hinterher, die sich selbst entwertet. Man hält an etwas fest, das nicht mehr existiert. Und versucht die Zukunft zu erahnen. Jeden Tag. Mit Zahlen und auf Befehl jener, die das gleiche Geld teilen, aber nichts davon zu verstehen scheinen. Jene, die die anderen sogar einschließen, in einen Club, einen Teufelskreis schöner Freiheitsversprechen. Bis zu dem Punkt, an dem immer strengere Regeln soziale Codes zerstören, Ungleichheit verstärken und die Menschen durch acht unmenschliche Buchstaben voneinander entfernen: S-C-H-U-L-D-E-N. Als Zeuge der Not spottet Thomas: "Man irrt sich bei dem Gedanken, dass das Elend des Volkes ein Garant für den Frieden sei. Denn wo gibt es mehr Streit als unter Bettlern?" Nichts dergleichen gibt es auf Tahrir. Tahrir ist die Hoffnung. Tahrir ist die Bejahung des Wünschenswerten. Bei seinem Aufbruch, bevor Thomas das Boot erreicht, ist er von dieser Hoffnung erfüllt. Geteilt zwischen Realität und Traum.

« Ich bin ein Empörter. Ich glaube fest daran, dass ich die Dinge ändern kann. Ich glaube ich kann helfen. Ich weiß, dass wir es gemeinsam zu etwas bringen können. Geh mit uns auf die Straße. Das ist dein Recht. »

Thomas hat noch immer Albträume. Auch in der zweiten Nacht seiner Reise ist er in diesem Zustand. In diesem Zustand, den er nicht beschreiben kann. Er hat schöne Dinge gesehen. Er hat Hoffnung gefasst. Doch kann man eine junge Majestät auf den « Alten » Kontinent Europa versetzen? Vielleicht nicht. Aber man muss sich dessen sicher sein. Deshalb ertönt bei Sonnenaufgang eine seltsame Musik am Bug seines Bootes. Es ist, als würden 60 000 Paar Hände aus voller Kraft auf all das Übel schlagen, das sein Land erlitten hat. Nicht weit von « Tahrir » entfernt wurden die Samen eines neuen Baumes der Demokratie gesät.

Bis zu 60 000 Paar Hände erheben sich.« Puerta del Sol », so der Name des Ortes. Und er ist bei weitem nicht ideal. In vielen Dingen ähnelt er Griechenland. Doch es scheint, als wolle eine Gruppe Unbeugsamer in dieser Gesellschaft Gleiches mit Gleichem vergelten. Demokratie hatten sie eigentlich. Sie kannten ein « Tahrir » davor. Heute hat man es ihnen gestohlen. Die S-C-H-U-L-D-E-N haben es ihnen geklaut. Alles, was sie nun wollen, ist die wirkliche Demokratie zurückzugewinnen: hier und jetzt. Thomas weiß: Diese Menschen befinden sich im selben Zustand wir er. Er hat gefragt. Und Thomas wusste, was sein Zustand bedeutete. Er ist ein Empörter. Sechs Monate lang mischte er sich unter 400 Familien, die in einer Art kooperativem Hotel inmitten eines großen, blühenden Gebietes vereint waren. Im Innern wurden große Galerien konzipiert, um Begegnungen und den Verkehr zu regeln. Auf beiden Seiten reihen sich Ateliers aneinander, die sich der Fantasie, Diskussionen und dem Schreiben widmen. Aus den Ateliers ging eine Charta hervor: das Manifest der Empörten.

« Die Revolution? Ich wünsche sie mehr als dass ich sie erhoffe »

Die Gleichheit, die unabdingbaren Rechte, die Demokratie durch das Volk… sind jene Punkte, die auf « die ethische Revolution » hindeuten, in die Thomas hineingeraten ist. Während sechs Monaten surft Thomas auf der Hoffnung in allen Winkeln dieses Kontinents und ist dennoch so verzweifelt. Eine revolutionäre Brise bringt ihn zu sich nach Hause. Die Hoffnung nimmt dort also ihr Ende. Abrupt. Nach einem neunmonatigen Befreiungswalzer.

Das Gesicht von Thomas - mehr oder weniger enthüllt.Thomas schließt die Augen. Griechenland will er nicht wiedersehen. Er will – mit geschlossenen Augen – die Erinnerung an « Tahrir » und « Puerta del Sol » behalten, diese leuchtenden Phalansterien, die ihn für fast ein Jahr mit Hoffnung erfüllten. Um zu hoffen. Noch. Doch als Thomas seine Augen öffnet, verraten sie ihn. Er glaubt ihnen nicht. Vor ihm steht ein prächtiger Baum. Auf seinem Stamm steht diesmal in goldenen Lettern « Syntagma » geschrieben. Am Fuße, an den Wurzeln, ein Porträt: das Porträt der Person des Jahres. Thomas reibt sich die Augen. Er ist es selbst. Auf seinem Gesicht: « The Protester » (« Der Demonstrant », A.d.R.). Der Untertitel: « Die Revolution? Ich wünsche sie mehr als dass ich sie erhoffe. »

Dieser Artikel ist inspiriert von Thomas Mores Utopia und dem Konzept des Phalanstère (Phalansterium) von Charles Fourier.

Illustrationen: Homepage (cc)gadl/flickr; Im Text: Boot (cc)dimitratzanos/flickr, Tahrir (cc)ahmadhammoud/flickr, Meditieren (cc)h.koppdelaney/flickr, Puerta del Sol (cc)pasotraspaso/flickr, The Protester (cc)newyork music/flickr

Story by

Matthieu Amaré

Je viens du sud de la France. J'aime les traditions. Mon père a été traumatisé par Séville 82 contre les Allemands au foot. J'ai du mal avec les Anglais au rugby. J'adore le jambon-beurre. Je n'ai jamais fait Erasmus. Autant vous dire que c'était mal barré. Et pourtant, je suis rédacteur en chef du meilleur magazine sur l'Europe du monde.

Translated from L’espoir en 2011 : la possibilité d'une île