Hitler-Ausstellung in Berlin: Rundgang mit 3 Europäern
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Katha Kloss20.000 Menschen haben sich im Deutschen Historischen Museum in Berlin binnen einer Woche bereits durch die Ausstellung "Hitler und die Deutschen" geschoben, um mehr über diesen Mann zu erfahren - Adolf Hitler. Wie war Hitler überhaupt möglich? Auf diese Frage wolle die Ausstellung unter anderem antworten, so der Pressesprecher des Events.
Mögliche Antworten von 3 jungen Europäern, die zwischen Faszination und Horror, Interesse und Enttäuschung den Rundgang für cafebabel.com gemacht haben.
Sébastien, Franzose
Es ist DIE Berliner Ausstellung im Moment. „Hitler und die Deutschen“ öffnete die Museumspforten am 15. Oktober und ist bereits in den Spalten aller Zeitungen vertreten - die erste Ausstellung über die Person Adolf Hitler. 10.000 Besucher allein am ersten Ausstellungswochenende… An diesem 22. Oktober, eine Woche nach der Eröffnung, ist die Vorhalle des Deutschen Historischen Museums immer noch rappelvoll. Ich werfe mich trotzdem ins Geschehen, auch wenn es dafür einiges an Ellenbogeneinsatzes bedarf. Hitler, seine Jugend, seine Aquarellzeichnungen. Hitler in Bayern, der Putsch, das Buch. Und dann die Wahlen. Bis dahin konzentriert sich alles auf das Leben des jungen Adolf, der sich als Künstler betrachtete und frustriert aus dem Krieg heimkehrte. Nach den Wahlen von 1932 nimmt die Ausstellung Abstand von der Person Hitler, um sich mehr dem Aufstieg des Nationalsozialismus allgemein zu widmen, danach dem Kriegsausbruch, den Eroberungen, dem Totalen Krieg und dem Untergang.
Gut illustriertes Geschichtsbuch
Die Bilanz? Es ist in jedem Fall notwendig und unumgänglich, diese schwarze Periode der deutschen Geschichte zu zeigen und zu erzählen. Und diesbezüglich ist das DHM immer ein exzellentes Geschichtsbuch - offen und außerordentlich gut dokumentiert. Deshalb können mich die Massen, die in die Ausstellung strömen, auch nur beeindrucken.
Hitler or not Hitler?
Und trotzdem verlasse ich das Museum mit dem Eindruck, dass die Ausstellung sich nicht zwischen zwei Strategien entscheiden wollte. Einerseits setzt man auf den Namen Hitler, der immer die Massen anziehen wird. Mit dem Argument, 'die erste tatsächliche Ausstellung zur Person Adolf Hitler' zu sein, geht man natürlich Risiken ein. Es ist ein Argument, das zugegebenermaßen riskant ist, sich auch instrumentalisieren und für andere Zwecke ausnutzen lässt, wenn man alles auf diesen einen Namen setzt. Deswegen hat man strategischer Weise den Ausstellungsrahmen vergrößert. Und damit ist das Gefühl zwangsläufig ein bisschen zwiespältig: Die Besucher, die etwas Neuez vorfinden wollten, werden ein wenig enttäuscht aus der Ausstellung gehen. Meiner Meinung nach erfüllt die Ausstellung nicht ihr Versprechen tatsächlich rauszufinden, inwiefern die charismatische Persönlichkeit Adolf Hitlers tatsächlich einen Großteil der Deutschen mitreißen konnte, sich in diese furchtbare Todesmaschine zwischen 1933-1945 zu stürzen. Alles in allem ist Hitler und die Deutschen aber ein medial clever inszenierter Schachzug. Der Erfolg der Ausstellung macht deutlich, wie stark die Faszination um die Person Hitlers immer noch ausgeprägt ist.
Stefano, Italiener
Bereits beim Betreten des Deutschen Historischen Museums ist er präsent, inmitten der Anderen. Und daneben, wieder er, und nochmals er, sein Gesicht auf jede Mauer! Der Ekel des Gegenübers hat mich direkt gepackt. Es ist ein Ekel, der mit der Betrachtung seiner Schriften, Notizen und Aquarelle intensiver wird. Die menschliche Kreativität hat hier etwas Teuflisches. Meine Abscheu wird erneut größer, als ich auf die Geburtstagswünsche eines Kindes an „Hitlerchen“ treffe, ein winziges aber zugleich aufschlussreiches Exempel der Anziehungskraft dieser Propagandamaschinerie, die Hitler im Land kreiert hatte. Im Nebensaal erscheint der kleine Mann - dessen enorme Magnetwirkung auf die Deutschen hervorgehoben wird - in einer Videoprojektion.
Den Horror übertreffen
Ein paar Schritte weiter trifft der Besucher auf 2 goldverzierte Zepter. Der Führer hat dieses Symbol mit seinem Hang zur Gewaltigkeit, mit der blutigen und zerstörerischen Seele des Nazitums belegt. Jetzt bin ich an dem Punkt, an dem ich einen persönlichen Exorzismus benötige. Meine Gedanken schwenken schlussendlich zu Willy Brandt, Kanzler eines neuen Deutschlands. Ich erinnere mich an das Interview, das die berühmt italienische Journalistin Oriana Fallaci im September 1973 mit ihm führte und in dem man nachvollziehen konnte, dass dieser Mann den Nazi-Horror durch Demokratie und soziales Gleichgewicht hinter sich lassen konnte. Letzter Raum: Das teuflische Gesicht ist verschwunden. Nur seine Autos und die Männer seines Regimes vor dem Internationalen Gericht in Nürnberg bleiben. Ein Bild, das Erleichterung auslöst: Machtmissbrauch kann manchmal verurteilt werden.
Christiane, Deutschland
Hitler zieht immer...
Seit Tagen werden die kleinen Monitore in den Berliner U-Bahnen vom Werbetrailer für die aktuelle Ausstellung "Hitler und die Deutschen" im Deutschen Historischen Museum beherrscht. Die lokalen und nationalen Zeitungen sind voll mit Ausstellungskritiken: Denn zum ersten Mal soll sich eine Ausstellung ganz der Person Adolf Hitler widmen, so die Ankündigungen.
Es wird Zeit für den Selbstversuch mit zwei studierten Historikern und einem Politikwissenschaftler. Im Museum angekommen steht nicht nur eine Schlange vor der Garderobe, sondern auch vor den Ausstellungsräumen. Das ist ja wie im MoMA am eintrittsfreien Tag! Hitler zieht also heute noch ein Massenpublikum an. Der Gedanke, dass die Pressechefin die Figur Hitler und all die Projektionen auf ihn geschickt als Publikumsgarant genutzt und so einen Pressewirbel ausgelöst hat, kreuzt kurz meine Gedanken.
Als wir endlich die Ausstellung betreten, erwartet uns keine psychologische oder soziologische Studie über die Wirkung Hitlers (oder jedes anderen Diktators) auf die Gesellschaft. Vielmehr präsentiert das DHM eine solide Ausstellung über die tiefe Verwurzelung der Nazi-Propaganda in jeder vorstellbaren Schicht der Gesellschaft. So zeigt eine Vitrine alle Uniformen, die es in den verschiedenen Unter-Organisationen gegeben hat: "Feldbluse mit offenem Kragen für Mannschaften der Waffen-SS, Wachtmeister der Polizei-Division, dazu Schirmmütze" erläutert das Label.
Die Ausstellung verbindet sehr geschickt historische Quellen wie die genannten Uniformen oder eine Kopie der Ernennungsurkunde von Hindenburg, die Hitler zum Reichskanzler erklärt, mit persönlichen "Devotionalien": Briefe an Hitler, Handpuppen, Anstecker, Kinderzeichnungen oder Fotoalben voll mit Bildern, die die Deportation jüdischer Mitmenschen dokumentieren: "Die Schönsten der Schönen des "auserwählten" Volkes" oder "Der jüdische Tinnef wird verladen" sind die gehässigen Kommentare, die unter einige Bilder gekritzelt sind. Über diese Art von Ausstellungsobjekten vermittelt sich am ehesten das Gefühl, in die Köpfe der Menschen von damals einzudringen. Ansatzweise beantwortet sich die Frage, die sich noch Generationen später stellen: Wie war das alles möglich?
Neben diesen kleinen Lichtern, die die Denkart von vielen deutschen Bürgern (nicht nur) in dieser Zeit beleuchten, bleibt jedoch der Eindruck, nicht viel Neues gesehen zu haben. Die Dauer- und Sonderausstellungen im Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors" auf dem Gelände der ehemaligen SS-Zentrale, die permanente Ausstellung im Jüdischen Museum und zahlreiche Ausstellungen an Gedenkorten der Nazi-Diktatur in Berlin zeigen Ähnliches. Für die vielen Touristen und Jugendlichen in der Ausstellung, die mit ihren Familien oder Mitschülern da sind, mag das jedoch anders sein. Das DHM hat seinen Bildungsauftrag erfüllt.
Fotos: (cc)mysterymoor/flickr; Plakat ©Deutsches Historisches Museum; Hitlerchen (cc)IMLS DCC; Alltagsgegenstände ©Indra Desnica und Arne Psiller - Deutsches Historisches Museum
Translated from Adolf Hitler exposé à Berlin : visite guidée avec 3 Européens