Hinfahren oder Heimkommen? Das Dilemma des Migranten
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Es ist schon zum Ritual geworden. Wenn das Flugzeug hält und alle aufstehen, um ihre Sachen zusammenzusammeln, tausche ich die französische SIM-Karte mit der italienischen. Es ist, wie wenn bei internationalen Einsätzen das Kommando wechselt: Eine neue Fahne wird aufgezogen.
Da bin ich also. In Neapel, am Flughafen Capodichino. Schön, dass du wieder da bist, höre ich die Freunde sagen.
Aber, wie ist das eigentlich: Fährt man hin in die Heimat oder kommt man zurück? Wir Babelianer der Eurogeneration kennen das Nomadendasein, aber in dieser Frage sind wir zwiegespalten. Die einen sehen das vernünftig: Mein Leben spielt sich jetzt in Paris ab und manchmal fahre ich nach Cava. Aber dann schleicht sich doch wieder das Gefühl des Heimkommens ein, und oft klingt das, als würde man eine Schwäche eingestehen. Als suchten wir eigentlich nach einem Ithaka, an dem wir früher oder später wieder landen wollten. Ein geheimer, ein mythischer Ort, an dem wir unsere Erinnerungen aufbewahren.
Lange habe ich darauf bestanden zu sagen: Ich fahre nach Cava, ich komme nicht heim. Fast zehn Jahre lebe ich schon nicht mehr dort. In Paris bin ich seit fünf Jahren, und langsam fühle ich mich heimisch. Also mache ich nur einen Besuch in Cava. Aber ist es wirklich dasselbe, wie wenn ich sage, ich fahre nach Tallinn oder nach Havanna? Wahrscheinlich brauchen wird dafür ein neues Verb, das erst erfunden werden muss: Es müsste ein dynamisches Verb sein, eine Art Zwitter aus Hin- und Herkommen.
P.S. Bin ich etwa der einzige, der sich diese Gedanken macht?