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Hinds: „Die Leute kommen nicht darüber hinweg, dass wir Mädchen sind”

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Translation by:

Julia Korbik

CreativeFeminismus

Hinds sind vier Mädels aus Madrid, die Garage-Rock spielen. Auch wenn ihr im Januar 2016 erschienenes Debütalbum Leave Me Alone sehnsüchtig erwartet wurde und wunderbar schrammelige Gitarrenklänge bietet: In der Rockwelt sehen viele Hinds trotzdem nur als ein paar Mädels, die sich ausprobieren. Den Songwriterinnen Carlota und Ana reicht es.

cafébabel: Wann habt ihr zum ersten Mal realisiert, dass ihr eine Band seid?

Hinds: Das alles ist sehr schnell passiert. Vor drei Jahren haben wir zwei noch Coverversionen gespielt. Wir haben für eine Weile aufgehört, dann mit zwei anderen Mädels wieder angefangen [Ade Martín und Amber Grimbergen, Anm. d. Red.]. Als wir anfingen, unsere eigenen Songs aufzunehmen, fanden die Leute sie toll. Danach haben wir nicht wirklich begriffen, was mit uns passiert. Es kam so unerwartet! Wir haben das Angebot angenommen und die Band zu unserer Top-Priorität gemacht.

cafébabel: Aber ihr hattet schon Lust, mit eurer Musik Karriere zu machen?

Hinds: Nicht wirklich. Weißt du, die Welt ist voll mit Musikern. Wir hätten nie gedacht, dass auch wir Musiker sein könnten. Als wir vor vier Jahren angefangen haben, zusammen zu spielen, haben wir versucht, an unsere Musik zu glauben - aber wir mochten das, was wir da machten, nicht wirklich. Als wir dann unsere eigenen Songs geschrieben haben, ging alles sehr schnell. Plötzlich waren wir eine Band.

cafébabel: Erinnert ihr euch noch an euren ersten Auftritt?

Hinds: Klar! Das war in Madrid, bei einem Rock-Wettbewerb mit mehreren anderen Gruppen. Wir wussten zwei Monate im Voraus, dass wir bei dem Konzert auftreten würden und hatten nur zwei Songs im Repertoire. Also haben wir neue geschrieben, wir haben alles gegeben, und wir haben gewonnen. Danach führte eins zum anderen.

Hinds - Chilly Town

cafébabel: Heute feiert ihr große Erfolge, auch international. Wie geht ihr damit um?

Hinds: Es macht uns irgendwie eine Mordsangst. Es ist schwierig, Fans überall auf der Welt zu erreichen. Die Gelegenheit zu haben, auf Tour in den USA und in Asien zu gehen, ist für eine junge Band wie uns kompliziert [dieses Interview fand ein paar Stunden vor ihrem Flug nach Hongkong statt, Anm. d. Red.]. Ehrlich gesagt, wir haben noch nicht einmal Zeit, uns müde zu fühlen, und kein Recht, uns zu beschweren. Selbst wenn wir ein Skype-Interview am selben Tag machen müssen, an dem wir nach Hongkong fliegen. Wenn wir 150 Interviews machen müssen, machen wir sie. Weil wir wissen, dass es das wert ist. Weil wir wissen, trotz allem: das ist es, was wir machen wollen.

cafébabel: Ihr habt eine Art Motto: „Nuestras mierdas, nuestras rulas“ (Unsere Scheiße, unsere Regeln). Was bedeutet das?

Hinds: Dass wir Musik so machen, wie wir wollen. Die Songs, die wir schreiben, sind ganz unsere. Und wir wollen, dass sie so akzeptiert werden, wie sie sind. Wenn du Songs schreibst und sie spielst, erscheint das einfach. Aber wenn du erst einmal in der Musikindustrie bist, merkst du, dass es eine Menge Regeln gibt, was du machen und wie du es machen sollst. Wir haben immer versucht, uns selbst treu zu sein. Unsere Regel lautet, unseren eigenen Stil und unsere eigenen Meinungen zu behalten, für immer.

cafébabel: Euer Debütalbum Leave Me Alone ist am 8. Januar erschienen. Habt ihr dabei irgendwelche Probleme gehabt?

Hinds: Wir wussten ab dem allerersten Song, wie viel Arbeit Hinds sein würde. Wenn du zeigst, was du kannst, musst du an alles denken: Welches Video am besten zu welchem Song passt, Tourplanung, Merchandising, Cover für Single-Veröffentlichungen, die Vorband für andere Bands zu machen, E-Mails schreiben, mit Fans kommunizieren, Konzerte… Es gibt immer so viel zu tun! Im Moment schreiben wir nicht. Und das ist noch nicht mal das Schlimmste! Wir würden viel lieber komponieren als all diese verschiedenen Sachen unter einen Hut zu bekommen.

cafébabel: Langweilt euch das manchmal?

Hinds: Nein, aber es ist ermüdend. Wir arbeiten rund um die Uhr! Das Leben, das wir uns ausgesucht haben, beinhaltet keine Regeln, oder reguläre Arbeitszeiten oder Wochenenden… Manchmal beantworten wir Interviewfragen mitten in der Nacht, wegen des Zeitunterschieds. Seit wir beschlossen haben, alles zu geben, haben wir massig Sachen zu tun. Aber auch wenn wir körperlich erschöpft sind, haben wir von all dem noch nicht genug.

cafébabel: Ihr sprecht manchmal über Sexismus in der Musikbranche. Habt ihr damit direkte Erfahrungen gemacht?

Hinds: Ja, oft - aber das hat nicht unbedingt etwas mit der Garage-Szene zu tun. Es ist tatsächlich größer als die Rock-Szene - es betrifft die ganze Musikbranche. Manche Leute finden es immer noch seltsam, wenn Frauen auf der Bühne Instrumente spielen. Wir sind mehrfach Opfer von Diskriminierung geworden. Es hängt immer vom Auftritt und vom Publikum ab… [Stille]. Es ist wirklich ein gesellschaftliches Problem. Manchmal ist es hart, mit Leuten zu kommunizieren. Die kapieren es einfach nicht. Die interessieren sich nicht für unsere Musik - die kommen nicht darüber hinweg, dass wir Mädchen sind!

cafébabel: Wie erklärt ihr euch das?

Hinds: Es gibt immer noch jede Menge Machos auf dieser Welt. Wir sagen nicht, dass die Gesellschaft ein Problem mit Frauen hat. Aber als wir das erste Mal einen Fuß in die Musikwelt setzten, haben wir gemerkt, dass es da eine Menge Arbeit gibt, was die Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen betrifft. Keine Ahnung, hast du dir mal die Line-ups für Festivals wie Coachella, Glastonbury oder Pitchfork angeguckt? Noch nicht mal 10 Prozent der Bands bestehen aus Frauen.

cafébabel: Welche Art von Diskriminierung habt ihr persönlich erlebt?

Hinds: Es kann von überall her kommen. Aber uns ist aufgefallen, dass die Medien viel daran mitarbeiten, Stereotype zu verbreiten. Wir haben einige ziemlich seltsame Artikel über unsere Band gesehen, in denen es um alles Mögliche ging, nur nicht um unsere Musik. Manchmal scheint es, dass die Leute mehr daran interessiert sind, was wir repräsentieren - Mädchen, die einfach Spaß dabei haben, Musik zu machen - als an unserer Musik. Nicht viele Leute reden über unsere Auftritte und unsere Art des Songwritings. Das ist eine Sicht, die wir nur schwer akzeptieren können. Es hängt uns zum Hals raus, immer mit Warpaint oder Wolf Alice verglichen zu werden, nur weil wir Mädchen sind. Es ist so, als würde man in eine Schublade gesteckt werden. Und glaub mir, es ist schwer, da wieder rauszukommen.

cafébabel: Genau, wenn man…

Hinds [unterbrechen]: Nur, weil wir nicht über Politik sprechen, heißt das nicht, dass wir keine Botschaft haben. Wir sprechen in unseren Songs über Liebe. Über Liebe zu sprechen ist echt kompliziert. Aber wir denken, es ist wichtig.

cafébabel: Was macht es so schwierig, über Liebe zu sprechen?

Hinds: Naja… Liebe ist die treibende Kraft, oder? Wenn wir Songs schreiben, haben wir ständig das Bedürfnis, unsere Gefühle ausdrücken. Wir machen das auf eine poetische Art. Ehrlich, wenn es um Liebe geht wissen wir, worüber wir sprechen.

Hinds - Garden

cafébabel: Ihr sprecht auch über eure Heimatstadt. Was macht Madrid so besonders?

Hinds: Madrid hat keine Ahnung, wie cool es ist. Das macht es noch cooler. Die Leute da beurteilen dich nicht danach, was du anhast oder woher du kommst. Es ist nicht teuer: Du kannst auf der Straße ein Bier für einen Euro kaufen, auch wenn das illegal ist. Als wir noch in Madrid waren, haben wir viel studiert, aber nachts sind wir in Malasaña [Partymeile, Anm. d. Red.] ausgegangen. Wir haben immer den in den gleichen vier Bars Bier getrunken. Naja, eher vor den Bars. Wir mochten es, uns draußen etwas abzukühlen [lachen]. Um ehrlich zu sein, wir verbringen nicht mehr viel Zeit in Madrid. Wegen unseres Tour-Plans sind wir nur drei Tage im Monat zu Hause. Wir wissen nicht mehr so richtig, was da abgeht.

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Anhören: Hinds - Leave Me Alone (erschienen am 8. Januar 2016 bei Lucky Number)

Story by

Matthieu Amaré

Je viens du sud de la France. J'aime les traditions. Mon père a été traumatisé par Séville 82 contre les Allemands au foot. J'ai du mal avec les Anglais au rugby. J'adore le jambon-beurre. Je n'ai jamais fait Erasmus. Autant vous dire que c'était mal barré. Et pourtant, je suis rédacteur en chef du meilleur magazine sur l'Europe du monde.

Translated from Hinds : « Les gens s’arrêtent sur le simple fait que nous sommes des filles »