Herzlich Willkommen in den Vereinigten Staaten von Europa?
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Kathrin FaltermeierEine gemeinsame europäische Identität, gibt’s das? fragt die Wanderausstellung United States of Europe. Die mitwirkenden Künstler finden darauf verschiedene Antworten – und stellen neue Fragen: Ergibt sich europäische Identität aus Europas geografischen Grenzen, kann sie Ergebnis der Verwaltungsmaschinerie in Brüssel sein, oder speist sie sich aus gemeinsamen kulturellen Werten?
Ab heute könnt ihr die Ausstellung in Cork (Irland) besuchen und euch ein eigenes Bild machen. Wir haben sie in Paris gesehen und unsere Eindrücke für euch festgehalten: eine italienisch-polnisch-deutsche Kritik.
Gibt es eine gemeinsame europäische Identität?
10 Monate lang ist diese Frage durch Europa gereist. Und nicht nur Johanna Suo, die Organisatorin des Projekts, hat sich diese Frage gestellt, denn sie geht alle Länder des alten Kontinents an. Die Wanderausstellung United States of Europe hat zehn davon bereist. Auch auf ihrer Station in Paris hat sie eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Und Antworten gefunden, von denen manche die Besucher allerdings enttäuschen. Zum einen sind die Länder, die am stärksten von der Krise betroffen sind – Italien, Griechenland und Spanien – in der Ausstellung unterrepräsentiert. Das ist besonders bedauernswert in einer Zeit, in der sich Europa stark auf seine wirtschaftliche Situation und die Lage der Banken konzentriert. Und dabei erinnert die Ausstellung doch daran, dass es an der Zeit wäre, sich von der Vorrangigkeit finanzieller Angelegenheiten zu lösen. Stattdessen sollten wir, die europäischen Bürgerinnen und Bürger, gemeinsames Bewusstsein finden und uns daran erinnern, dass nationale Identitäten heute auf der internationalen Bühne weniger wichtiger werden. Aber durch die Arbeiten von Künstlern wie Kyriaki Costa, Anna Konik und Anu Pennanen versteht der Betrachter, dass europäische Ideen und Projekte viel Potential bergen.
Flavia (Italien)
Bei den Europawahlen 2009 lag die Wahlbeteiligung bei mageren 43%. Jetzt haben mehrere Künstler das Wort ergriffen und stellen die Frage, die für die europäische Einigung so wichtig ist: Gibt es eine europäische Identität? Viele Künstler aus osteuropäischen Ländern wirken an der Ausstellung mit. Schade, dass ihr Engagement von den Besuchern in Westeuropa nicht gewürdigt wird: hier bleiben die Besucherzahlen niedrig. Diese Feststellung trifft auch auf eine Podiumsdiskussion zu, die in Paris organisiert wurde. Die Hälfte der Teilnehmer war nicht erschienen. Vielleicht ist es ihre Art zu zeigen, dass Europa nicht mehr "in" ist. Das Ziel des Projekts United States of Europe ist es allerdings nicht nur, die Debatte um europäische Identität anzufachen oder wiederzubeleben, sondern auch, das Konzept zu valorisieren. Jeder Künstler findet eine andere Antwort und präsentiert seinen ganz persönlichen Blick auf den „Staat“ Europa. Die Zypriotin Kyriaki Costa zeigt einen Hubschrauber, der berühmte Denkmäler an einen unbekannten Ort transportiert und fragt so, ob eine europäische Identität zwangsläufig den Verlust des lokalen oder nationalen kulturellen Erbes bedeutet. Die irische Gruppe Kennedy-Browne konzentriert sich auf den wirtschaftlichen Aspekt der Europäischen Union, indem die Enttäuschung und Europa-Verdrossenheit der Arbeitnehmer einer großen Firma thematisiert werden. Mich hat besonders das Werk der estnischen Künstlerin Tanja Muravskaja beeindruckt. Sie denkt über Identität hinaus und stellt die provokante Frage: Gibt es eine europäische „Rasse“? Ihre Fotoserie zeigt kahlrasierte blasse Soldaten, die sich alle ähneln – dieser Anblick schockiert und zwingt den Betrachter fast, dies sogleich zu verneinen. Die Arbeit Muravskajas allein reicht aus, eine weitere Frage aufzuwerfen: Ist die europäische Identität am Ende nicht nur eine Erfindung der Politiker?
Anna (Polen)
United States of Europe sieht sich als Kunstausstellung, soziologische Untersuchung und paneuropäische Diskussionsplattform. Und das ausgerechnet zum Thema „Europäische Identität“, das viele eher zum Weglaufen als zum Nachdenken bringt. Vielleicht ein etwas zu ehrgeiziger Plan für ein durchaus interessantes Projekt? Was die Ausstellung als „künstlerische Interpretationen von Europa“ bezeichnet, empfinde ich allzu oft als Interpretationen von Identität ohne speziell europäischen Bezug. Schade auch, dass man dem Projekt ab und an seine finanziellen Engpässe anmerkt (fehlende Übersetzungen in andere als die Hauptverkehrssprachen). Fest steht jedenfalls, dass die Ausstellung durch ihre Details besticht. Jeder Besucher bekommt einen Ausweis in die Hand gedrückt: „United States of Europe“ steht darauf. Grenzenloses Reisen in Europa – für mich als Teil einer von Erasmus und Interrail verwöhnten Generation ist das heute Normalität. An die Zeiten, in denen man im Italienurlaub mit Lire bezahlte oder auf der Fahrt nach Tschechien eine Grenzstation passieren musste, erinnere ich mich nur noch dunkel. Damals gab ich meine Adresse gerne so an: „Universum – Milchstraße – Sonnensystem – Planet Erde – Europa – Deutschland…“, denke ich, während ich im „Exhibition Passport“ blättere, der die an der Ausstellung mitwirkenden Künstler aus ganz Europa auflistet. Stelle ich mich heute vor, nehme ich den Satz „Ich bin Europäerin“ höchstens dann in den Mund, wenn ich mich auf einem anderen als meinem Heimatkontinent befinde. Das spricht vielleicht nicht gerade für mein ausgeprägtes Europabewusstsein. Aber nach dem Besuch der Ausstellung habe ich wenigstens das Gefühl, dass das ein europäisches Problem ist.
Kathrin (Deutschland)
Die Wanderausstellung United States of Europe startete in Łódź (Polen), und ist seitdem nach Finnland, Litauen, Portugal, Zypern, Deutschland, Bulgarien und Frankreich gereist. Die aktuelle Station ist Cork (Irland), wo die Ausstellung noch bis zum 31. März zu sehen sein wird, bevor sie im April und Mai ein letztes Mal ihre Pforten öffnet – in der „Europahauptstadt“ Brüssel.
Fotos: Teaser: mit freundlicher Genehmigung von ©United States of Europe; im Text: ©Guillaume Coulanges
Translated from Bienvenue aux Etats Unis d'Europe?