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Hermannstadt: Kür auf europäischem Parkett

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Kultur

Im Jahr 2007 ist das rumänische Hermannstadt die Kulturhauptstadt Europas.

Als „Wunder von Hermannstadt“ bezeichnete der aus Rumänien stammende Schriftsteller Richard Wagner das Kulturhauptstadtjahr in der Neuen Züricher Zeitung. Dabei wollte keiner so recht an den Titel glauben, als Bürgermeister Klaus Johannis im Januar 2004 vorschlug, Hermannstadt könnte sich für die Kulturhauptstadt Europas 2007 bewerben. Aber die Tandem- Bewerbung zusammen mit Luxemburg überzeugte die Jury in Brüssel.

Für Hermannstadt, das auf rumänisch Sibiu genannt wird, waren die letzen drei Jahre ein Wandel in Rekordzeit: überall wurde gebaut, restauriert, renoviert. Eine Menge Geld investierte die Stadt in den neuen Auftritt. Sie hat sich herausgeputzt, um ihre Weltoffenheit zu beweisen.

Kosmopolitisch

Die Hermannstädter sprechen gerne von der „alten jungen Stadt“, um die Spannung zwischen der mittelalterlichen Stadtarchitektur mit Ringmauer und Wehrtürmen und dem dynamischen Kulturleben zu beschreiben.

„In Hermannstadt haben Theater-, Film-, Foto- und Jazzfestivals Tradition“, erklärt Stela Matioc, Programmkoordinatorin im Kulturhauptstadtbüro. Durch das jahrhundertelange Zusammenleben von Rumänen, Deutschen, Ungarn und Roma habe sich ein Klima der kulturellen Toleranz und gegenseitigen Befruchtung entwickelt, worauf sich der kosmopolitische Ruf der Stadt gründe.

Jung, dynamisch, multikulturell

Mit dem Slogan „NORMAL. Sibiu. Jung seit 1191“ vermarktet die internationale Werbeagentur GAV/ Scholz and Friends seit Oktober 2006 das Image der Stadt. Der Spot läuft unter anderem auf EuroNews und Travel Channel. Die zu oft bemühten Bilder vom Dracula-Mythos und schwarzer Romantik kommen bewusst nicht vor, porträtiert wird eine junge, dynamische, multikulturelle Stadt mit Zukunftspotential. So sieht sich Hermannstadt heute und so möchte es auch von außen gesehen werden.

Die Kulturhauptstadt 2007 ist die beste Image-Kampagne für Rumäniens EU-Beitritt. „Sibiu ist durch das Zusammenleben verschiedener Generationen, Lebensstile und ethnische Gruppen die kosmopolitischste Stadt Siebenbürgens“ so Matioc. Das Bild eines rückständigen Landes, in dem nichts funktioniert außer der Korruption, soll vermieden werden.

Exil oder Renaissance

Nun ist das Programm der Kulturhauptstadt Europas 2007 am 1. Januar gestartet, um nicht mit den Feierlichkeiten zum EU-Beitritt in der Sylvesternacht zu konkurrieren. Eröffnet wurde das Jahr mit einem klassischen Konzert der Philharmonie der Nationen unter der Leitung des deutschen Regisseurs Justus Frantz im Thalia Saal der Hermannstädter Staatsphilharmonie.

Mit „Groupe F“ aus Frankreich, die schon die Abschlussgala der Olympischen Spiele in Athen gestaltet haben, gab es eine Show aus Musik, Licht und Feuerwerken den Auftakt für das Kulturjahr 2007.

Das Programm für das restliche Jahr umfasst über 250 Veranstaltungen in den Sparten Musik, Theater, Fotografie, Kunst und Film. Mehr als 30 Projekte sind als Kooperationsprojekte mit Luxemburg geplant, mit dem Siebenbürgen historisch verbunden ist. Aus dem Moselgebiet um Luxemburg kamen im 12. Jahrhundert deutsche Siedler nach Siebenbürgen, die der Stadt ihren deutschen Charakter gaben.

Auf die Spuren dieser Geschichte begibt sich die Luxemburger Anthropologin Anne Schieltz mit dem Filmprojekt „Exil oder Renaissance“, in dem Gymnasiasten aus Diekirch/ Luxemburg und Sibiu gemeinsam einen Film über die Perspektiven der Jugendlichen im vereinten Europa drehen.

Von Null auf Hundert

Ein weiteres cineastisches Highlight wird das Transsilvanische Filmfestival sein, das jährlich in Cluj/ Klausenburg stattfindet und im Juni in Hermannstadt gastiert. Im ethnografischen Feld bewegt sich die Fotoausstellung „Attention. Tsiganes. Histoire d’un malentendu!“, die im Astra- Museum in Sibiu und Luxemburg zu sehen sein wird und sich mit der Roma-Minderheit beschäftigt. Mit „Ars Hungarica“, einem interdisziplinären Projekt aus Seminaren, Ausstellungen und Musik, präsentiert sich die ungarische Minderheit in Hermannstadt.

Es werden weit über 500 000 Touristen für 2007 erwartet, die meisten von ihnen im Sommer. Ob die Infrastruktur diesem Ansturm gewachsen ist, wird sich zeigen. Am Großen und Kleinen Ring, dem Herzen der Stadt, liegen die meisten Restaurants, Cafés und Bars und es sind zahlreiche Unterkünfte vorhanden.

Doch ist es fraglich, ob dieser Start von Null auf Hundert für die Betreiber reibungslos zu bewältigen ist. Fest steht, dass das Programm rund um die Kulturhauptstadt 2007 für Hermannstadt auf europäischem Parkett die Kür ist. Ob ab 2008 die Pflicht ebenso gut bewältigt wird, bleibt abzuwarten.

Foto im Text: Ariadna Matamoros

Offizieller Trailer der Kulturhauptstadt des Jahres 2007: