Heldenhaft in schwarz-weiß: Güeros ist bestes Spielfilmdebüt 2014
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Drei junge Menschen auf der Suche nach ihrem Idol als mexikanische Antwort auf die französische Nouvelle Vague? Der Preis für den besten Erstlingsfilm der 64. Internationalen Filmfestspiele Berlin geht an das mexikanische Roadmovie Güeros von Alonso Ruizpalacios. Eine Filmkritik.
„Wenn du deine Helden triffst, ist es nie so wie du es dir vorgestellt hast“, sagt Alonso Ruizpalacios. Und er hat Erfahrung. Einst reiste der mexikanische Regisseur seinem Helden hinterher. Stundenlang wartete er im Regen. Als Alfonso Ruizpalacios ihm schließlich begegnete, vergass er vollkommen seinen zuvor sorgfältig einstudierten Text und sagte einfach nur danke. Auch in seinem neuen Film Güeros geht es um Helden. Der Film feierte auf der Berlinale in der Sektion Panorama seine Weltpremiere und wurde prompt als bestes Spielfilmdebüt ausgezeichnet.
Nachdem der Teenager Tomás (Sebastián Aguirre) eine große Wasserbombe von einem mehrstöckigen Haus auf einen Kinderwagen geworfen hat, weiß sich seine Mutter nicht mehr zu helfen und schickt ihn zu seinem großen Bruder. Fede (Tenoch Huerta), von seinen Freunden auch Sombra genannt, studiert in Mexikostadt. Zusammen mit Santos (Leonardo Oritzgris) lebt er dort in einer heruntergekommenen Wohnung. Strom zapfen sie bei den Nachbarn ab. Und gerade streiken die beiden Freunde gegen den Streik, der in der Universidad Nacional Autónoma de México von ihren Kommilitonen (u. a. Ilse Salas) organisiert wird. Tomás bringt eine Kassette. Es ist eine Hinterlassenschaft des Vaters, mit Musik von Tomás‘ Helden Epigmenio Cruz (Alonso Charpener). Der soll sogar Bob Dylan zum Weinen gebracht haben. Als die drei erfahren, dass der ehemalige Rockstar vereinsamt in einem Krankenhaus liegt, machen sie sich in ihrer verrosteten Karre auf, um dem ehemaligen Star die letzte Ehre zu erweisen.
Güeros ist Roadmovie und Coming-of-Age-Komödie zugleich. Drei Freunde fahren quer durch Mexikostadt. Orientierungslos treiben sie umher, ohne zu wissen, was das Leben noch zu bieten hat. Einziger Anhaltspunkt ihr idealisierter Held Epigmenio Cruz. Begleitet werden sie von seiner Musik. Musik, die so bedeutsam ist, dass der Film den Ton unterbricht, wenn sich die Protagonisten der Musik aus dem Walkman hingeben. Und so beschreibt der Film das Lebensgefühl einer jungen Generation: ein Leben im Hier und Jetzt.
Humor ist jetzt schwarz-weiß
Gedreht ausschließlich in Schwarz-weiß und konsequent im Format 4:3, ist der Film eine Hommage an die Nouvelle Vague. „Als ich das Skript schrieb, dachte ich die ganze Zeit in schwarz-weiß. Aber die Produzenten musste ich erst davon überzeugen und gute Gründe nennen“, erzählt Alonso Ruizpalacios auf der Berlinale. Die Suche nach einem Helden und das Erwachsenwerden seien zeitlos und das Weglassen von Farbe unterstütze dies. Gleichzeitig habe der Studentenstreik so einen historisch-dokumentarischen Charakter. Und erinnere damit an einen Streik an der Universidad Nacional Autónoma de México in den 1999ern.
Selbstironisch treibt der Regisseur die schwarz-weiß Thematik auf die Spitze. Immer wieder kommentieren Figuren die Hautfarbe der Brüder. So ist Tomás hellhäutig und Fede eben nicht. Er wird sogar Sombra, Schatten, genannt. Und auch der Titel Güeros, ein mexikanischer Ausdruck für hellhäutige, europäisch aussehende Menschen, nimmt den Film aufs Korn. Spöttisch betrachtet er auch den gesamten Stil des Films. Immer wieder unterbrechen Einschübe die Handlung: So werden Kameras und Crew des Films sichtbar. Sie diskutieren den Dialog der Protagonisten und kritisieren Filme „ in denen mexikanische Regisseure immer nur die schlechten Zustände beklagen.”
Güeros ist ein großartiger, einfühlsamer und vor allem sehr ironischer Film. Alonso Ruizpalacios gelingt mit seinem Debüt ein wunderbarer Film über das Erwachsenwerden und Helden, die einen dabei begleiten.
Cafébabel Berlin bei der 64. Berlinale
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