Haben die Regionen ihren Platz in der Europäischen Union?
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Von Roxanne Demaret Übersetzt von Maike Wohlfarth Fotoquelle: Audiovisual Services de la Commission Européenne Europäische Organisationen, die regionale Interessen in den Vordergrund stellen, existieren – auch wenn diese nicht sehr bekannt sind. Dabei haben sie eine wichtige Aufgabe.
Hier haben die Regionen die Möglichkeit ihren Standpunkt zu vertreten und müssen für einige europäische Entscheidungen sogar befragt werden. Kein Wunder, dass Belgien in jeder von ihnen Mitglied ist.
Viele Menschen sehen in der Europäischen Union nur eine weit entfernte und undurchsichtige Institution. Man sagt, sie lasse wenig Platz für lokale Anliegen. Dabei entspricht dieses Bild nicht der Realität. Regionale und lokale Interessen spielen eine wichtige Rolle in der EU. Hier ein kurzer Überblick über die wichtigsten Institutionen
Ein Ausschuss, der den Regionen eine Stimme gibt
Der Ausschuss der Regionen ist wohl die bekannteste und einflussreichste regionale Organisation auf europäischer Ebene. Es handelt sich um eine politische Versammlung, die bei den meisten europäischen Entscheidungen mit einbezogen wird. Die Europäischen Verträge verpflichten sogar die Kommission, das Parlament, den Rat und den Ausschuss anzuhören, wenn Vorschläge in den Bereichen erarbeitet werden, die für die lokale oder regionale Ebene relevant sind. Ihm gehören 334 Mitglieder aus den 27 Mitgliedsstaaten an. Belgien wird durch 24 Mitglieder und Stellvertreter repräsentiert. Zu den bekanntesten unter ihnen zählen der flämische Innenminister Geert Bourgeois sowie Charles Picqué, Ministerpräsident der Region Brüssel-Hauptstadt. Ihr Mandat geht über vier Jahre. Die derzeitige Präsidentin des Ausschusses der Regionen ist Meredes Bresso, promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin aus San Remo. Sie ist seit Februar 2010 im Amt.
Der Ausschuss organisiert regelmäßig verschiedene Veranstaltungen und Aktivitäten wie das „Forum on EU research and innovation: What role for regions and cities after 2013?“ im Dezember Jahres 2011. . Vor dem aktuellen wirtschaftlichen Hintergrund hat das Forum eine besondere Bedeutung. Es zielte darauf ab, die Krise von 2011 zu bekämpfen, indem man den Kurs auf das Jahr 2020 richtet. Dabei wurde versucht nicht mehr nur die Funktionsweise der eigenen Wirtschaft zu loben, sondern auch Platz für Innovationen zu schaffen, um ihr neue Kraft zu verleihen. In drei Arbeitsgruppen wurden Vorschläge ausgearbeitet um die wirtschaftliche Krise mit regionalen, innovativen Strategien zu bekämpfen, um kleine und mittelständische Unternehmen in die regionalen Strategien mit einzubeziehen und die Forschung und Entwicklung in strukturschwachen Regionen zu fördern. Außerdem vergeben die Präsidentin Mercedes Bresso und den Umweltkommissar Janez Potocnik die Auszeichnung der „Grünen Hauptstadt Europas“, um die Anstrengungen der jeweiligen Stadt zum Schutz der Natur und der Umwelt und zur Verbesserung der Lebensqualität zu würdigen. Im Dezember 2011 ging der Titel von Hamburg an Victoria-Gasteiz. Die Verwaltung dieser spanischen Stadt hatte beschlossen, das Zentrum mit einem „grünen Gürtel“ zu umziehen wodurch nun kein Einwohner weiter als 300 Meter von einer Grünfläche entfernt wohnt. Außerdem wurden Anstrengungen unternommen um den Wasserverbrauch einzuschränken. Das Ziel ist es, unter eine Grenze von einhundert Litern pro Person und Tag zu kommen. Für 2013 geht die Auszeichnung an Nantes. Dort wird vor allem die neue Verkehrspolitik gewürdigt, da Nantes als erste französische Stadt die elektrische Straßenbahn wieder eingeführt hat. Bereits heute wird sie von vielen um ihre Luftqualität beneidet und die Stadt rechnet damit, ihre CO2-Emission bis 2020 noch um ein Viertel senken zu können. Für 2014 haben sich 19 Städte aus 14 Ländern beworben, darunter auch Brüssel, Gent und Antwerpen. Der Gewinner steht noch nicht fest.
Flandern nicht vertreten
Eine andere wichtige regionale Organisation auf europäischer Ebene ist die Versammlung der Regionen Europas. Diese Organisation vereinigt die Länder des gesamten europäischen Kontinents und nicht nur die der europäischen Union. Ihr Ziel ist es das Subsidiaritätsprinzip und die regionale Demokratie zu fördern, den Einfluss der Regionen auf die europäischen Institution zu erhöhen, die Regionen im Erweiterungsprozess der Union zu unterstützen und die Zusammenarbeit zwischen den Regionen zu verbessern. Präsidentin ist derzeit die Französin Michèle Sabban, die Vizepräsidentin der Region Île-de-France.
Ganze 270 europäische Regionen sind Mitglieder der Versammlung der Regionen Europas. In Belgien sind die Wallonie, die Deutschsprachige Gemeinschaft und die Region Brüssel-Hauptstadt in der Versammlung vertreten. Erstaunlicherweise ist Flandern kein Mitglied. Das könnte daran liegen, dass der Begriff „Region“ ist derzeit auf europäischer Ebene nicht genau definiert. Zahlreiche Länder Mitteleuropas sind in der Versammlung als Region vertreten, aber ihre Regierenden lehnen es ab, die Identität einer europäischen Region anzunehmen. Zu Beginn standen die Flamen der Versammlung der Regionen Europas noch positiv gegenüber. Angesichts des Mangels an Klarheit haben sie jedoch beschlossen Mitglied einer anderen „Vereinigung verfassungskonformer Regionen Europas“ zu werden. Dies schafft eine gewisse Trennung zwischen den europäischen Regionen, so als gäbe es zwei verschiedene Arten.
Die Versammlung der Regionen Europas lancierte unter anderem das regionale Lernprojekt für Erwachsene „Lunch Briefing: REALM project launch“, , an dem auch der Brussels Education Service beteiligt ist und das als Vorzeigeprojekt der Strategie Europa 2020 gilt. Zunächst werden vier verschiedene 12-monatige Trainings für Beamte aus verschiedenen europäischen Regionen angeboten. Wie man sieht: es gibt sie, Institutionen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, den Regionen in der Europäischen Union eine Stimme zu verleihen. Aber werden sie auch gehört? Für den Ausschuss der Regionen kann man diese Frage bejahen, da die anderen europäischen Institutionen verpflichtet sind, ihn bei jeglicher Entscheidung, die ihn betrifft, anzuhören. Für die anderen Organisationen ist dies weniger sicher, da keinerlei Verpflichtung besteht sie in Entscheidungen einzubeziehen. Auch das Fehlen einer regionalen Identität auf europäischer Ebene ist definitiv ein Schwachpunkt. Es ist dadurch schwierig mit einer Stimme zu sprechen und teilweise sogar innerhalb der Organisationen eine Übereinkunft zu finden. Dieser Mangel an Einheit führt wiederum dazu, dass sie von Seiten der europäischen Institutionen wenig Anerkennung bekommen. Dabei sind sie das Bindeglied zwischen abstrakten Verordnungen und konkreten Projekten, in die der EU-Bürger vor Ort involviert wird.