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Guido Westerwelle – ein Außenminister unter Beschuss

Published on

Strassburg

Von Till Neumann

Renate Künast (Die Grünen) nennt ihn Rumpelstilzchen, Die Zeit schreibt über Guido Furioso und Der Spiegel redet sogar von einem Dämon. Guido Westerwelle (FDP), deutscher Außenminister und Vizekanzler, ist aktuell eine der umstrittensten politischen Figuren Deutschlands. Noch nie war ein deutscher Außenminister unbeliebter als er.

Komisch eigentlich, denn Außenminister erfreuen sich in der Regel großer Beliebtheit. Was läuft also schief bei Guido Westerwelle, dem ersten bekennenden deutschen homosexuellen Außenminister? Eine Chronologie der Ereignisse und der Versuch einer Erklärung.

Westerwelle und die englische Sprache

Das Drama um seine Person im Kabinett der schwarz-gelben Regierung beginnt nur wenige Stunden nach dem Wahlsieg von CDU, CSU und FDP am 27. September 2009. Nach einer bis in die Morgenstunden dauernden Wahlparty tritt Guido Westerwelle am nächsten Tag zur Pressekonferenz vor die Kameras. Ein Journalist der BBC setzt an: If I may ask you a question in english, if you would be so kind to answer in english. Doch Westerwelle möchte nicht. Wenn Sie bitte so freundlich wären, weil das eine Pressekonferenz in Deutschland ist. Der BBC Reporter aber lässt nicht locker, will unbedingt den zukünftigen Außernminister auf Englisch reden hören. Der aber verweigert sich weiterhin und lässt den BBC Mann schließlich abblitzen. Höflich, aber doch etwas trocken. (Das Video der Pressekonferenz auf youtube.com)

Das Ergebnis: Bereits am nächsten Tag hat Westerwelle die ersten negativen Schlagzeilen. Er könne kein Englisch, heißt es. Für die Medien und Stammtische ein gefundenes Fressen. Für Westerwelle eine reine Überinterpretation: Es mag ja sein, dass ich am Montag nach sehr kurzer Nacht etwas scharfkantig war. Aber überlegen Sie doch mal selbst. Würden Sie als deutsche Journalisten auf einer Pressekonferenz in Paris oder in London eine Frage auf Deutsch stellen mit Bitte um eine Antwort auf Deutsch? Ich halte es für richtig bei öffentlichen Terminen in Deutschland unsere wunderschöne deutsche Sprache zu verwenden. Aus meiner Reaktion gegenüber dem BBC Reporter irgendwelche tumben Rückschlüsse zu ziehen, sollten Sie den Satirikern überlassen. Ich war schon in vielen Städten der Welt und Sprachkompetenz war noch nie ein Thema.

Westerwelle und die Steuern

westerwelle_3_kl.jpgIm Kabinett der neuen schwarz-gelben Regierung wird Guido Westerwelle Außenminister. Den Posten des Finanzministers, für den auch er gehandelt wurde, bekommt Wolfgang Schäuble. Doch die Finanzen stehen nach wie vor auf der Prioritätenliste der FDP, und werden in den Koalitionsgesprächen hart verhandelt. Ende Oktober, nach überraschend zähen Verhandlungen einer Wunschkoalition ist es besiegelt: Die Regierung verspricht den Deutschen 24 Milliarden Euro Steuerentlastung. (Die FDP wollte eigentlich 35 Milliarden). Doch wie soll das finanziert werden? Deutschland hat mit 1,7 Billionen Euro so viel Schulden wie noch nie, auch wenn das im europäischen Vergleich wenig ist. Finanzexperten halten das Steuerentlastungs-Projekt für nicht realisierbar, aber Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Vorsitzender Horst Seehofer und allen voran Guido Westerwelle wollen es durchziehen. Arbeit muss sich wieder lohnen und Mehr Netto vom Brutto sind Westerwelles Lieblingssätze in dem Zusammenhang. Doch der Druck ist groß. Noch bis heute versuchen Experten die Regierungspolitiker davon zu überzeugen, dass Steuersenkungen nicht drin sind. Und erst vor wenigen Tagen fordert der sonst eher zurückhaltende Bundespräsident sogar Steuererhöhungen, um neue, dynamische Kräfte zu wecken. Und die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass die Regierung plane, die Steuersenkungen auf 5-10 Milliarden zu reduzieren. Eines ist sicher: Guido Westerwelle wird wenig begeistert sein.

Westerwelle und die Hotels

In einem Interview mit dem Spiegel wurde Westerwelle Anfang Februar gefagt, wo er lieber schliefe, bei sich zu Hause oder im Hotel. Westerwelle antwortete: Zu Hause. Die Frage spielte nicht nur auf seine vielen Reisen als Außenminister an, sondern auch auf ein anderes Thema: die Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen. Diese von 19 % auf 7 % zu senken war eine der ersten Amtshandlungen Westerwelles nach der Bundestagswahl 2009. Was zu Beginn ein normaler Beschluss war, wird kurze Zeit später zum Aufreger: Es wird publik, dass die FDP im August 2009 von einem gewissen August Baron von Finck 1,1 Millionen Euro Spenden erhalten hat. Das pikante daran: Die Familie des Barons ist Eigentümer der Mövenpick Hotelkette. Der Verdacht liegt nahe, dass die Spende mit dem Hotelsteuererlass in Verbindung steht. SPD-Chef Sigmar Gabriel spricht von Käuflichkeit der Regierung, Westerwelle jedoch sieht in der Spende und der Steuerentlastung keinen Zusammenhang. Die Beschuldigung hält er für eine unflätige Verleumdung. Ihm sei es darum gegangen, unserer mittelständischen Tourismuswirtschaft einen großen Wettbewerbs­nachteil zu nehmen. Es geht uns um Hunderttausende Arbeits- und Ausbildungsplätze. Viele zweifeln jedoch daran, dass hier nur aus politischen Motiven gehandelt wurde. Der Ruf des Außenministers nimmt weiteren Schaden.

westerwelle_2_kl.jpgWesterwelle und die Römer

Im Februar urteilt das Bundesverfassungsgericht, dass das Arbeitslosengeld Hartz IV neu berechnet werden muss. Ganz Deutschland diskutiert daraufhin, ob es angehoben oder gesenkt werden soll. Die brisantesten Aussagen zum Thema kommen von Westerwelle. Ginge es nach ihm, müssten die Sätze gesenkt werden, denn jemand der arbeitet muss mehr verdienen als jemand der nicht arbeitet. In der Sache geben ihm da viele Recht, aber seine Wortwahl stößt auf. Vor allem in einem Gastbeitrag in der Zeitung Die Welt in dem er vor spätrömischer Dekadenz warnt. Die Schlagzeilen sind ihm sicher. Der Vergleich eines Arbeitslosen, der von ein paar hundert Euro lebt, mit einem dekadenten Römer, der kiloweise Weintrauben mampft und besten Wein genießt, geht Vielen zu weit. Es entsteht eine heiße Debatte über die Grenzen des deutschen Sozialstaates. Dabei insbesondere unter Beschuss: Guido Westerwelle.

Westerwelle und die Dienstreisen

Auch der März ist kein guter Monat für den Außenminister. Man wirft ihm vor Privates und Dienstliches zu vermischen, da ihn auf Dienstreisen regelmäßig Bekannte und Wohlgesinnte begleiten. Die konkreten Fälle: 1. Michael Mronz, der Lebensgefährte des Außenministers begleitet Westerwelle regelmäßig auf Reisen. Mronz ist Event-Manager und war unter anderem mit Westerwelle in Brasilien, wo 2014 die Fußball WM statt findet. Ein Sportevent, das Mronz interessieren dürfte. 2. Unter den mitreisenden Managern sind regelmäßig sehr treue FDP Spender. 3. Bei einer Asienreise im Januar war unter anderem der Chef einer Firma dabei, an der ein Bruder Westerwelles beteiligt ist.

Sind das alles Zufälle? Oder ist das Vetternwirtschaft? Für die Opposition ist natürlich klar: Da ist was faul. Gesine Lötzsch, Chefin der Linkspartei, nennt Westerwelle korrupt, Renate Künast von den Grünen sagt: Westerwelle schadet der Bundesrepublik. Westerwelle sieht das natürlich anders. Es sei eine Diffamierungskampagne der Opposition, die gegen ihn laufe. Und mehr noch, er wirft seinen Gegnern vor, seine Homosexualität gegen ihn zu verwenden. Glaubt man Westerwelle, ist die harsche Kritik gegen seine Person nur Mittel zum Zweck, um eine rot-grüne Mehrheit für die am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen anstehende Landtagswahl zu schaffen.

westerwelle_1_kl.jpgFazit

Mit seinem Posten als Außenminister und Vizekanzler dürfte für Guido Westerwelle ein Traum in Erfüllung gegangen sein. Nach jahrelangem Verharren in der Opposition ist er endlich an der Macht. Doch seine ersten Monate im Amt gleichen eher einem Albtraum. Westerwelle verärgert nicht nur die Opposition, sondern auch seine Rergierungskollegen und viele Bürger. Mit seiner scharfen Zunge und einem Auftreten, das von Vielen als arrogant und selbstverliebt verstanden wird, ist Westerwelle als Außernminister sehr umstritten. Die Kritik an seiner Person ist immens, seine Beliebtheit gering. Laut einer Emnid-Umfrage glauben aktuell nur 26 % der Deutschen, Westerwelle vertrete das Land als Außernminister gut in der Welt. Vergleicht man den Wert mit denen seiner Vorgänger, wird deutlich, wie schlecht er damit als Außenminister abschneidet. An SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) glaubten 67 %, an den Grünen Joschka Fischer sogar 77 %. Und schlimmer noch: 54 % der Deutschen meinen, eine große Koalition sei besser, als die aktuelle Regierung. Erinnert man sich daran, wie die große Koalition noch vor wenigen Monaten schlecht geredet wurde, sind diese Zahlen ein wahrer Nackenschlag für den (noch) Außenminister Guido Westerwelle und seine Regierungskollegen. Aber man darf nicht allen Zahlen glauben. Das weiß auch Guido Westerwelle. Vor kurzem erklärte er theatralisch in makellosem Englisch: The published opinion is not allways the public opinion.

(photos: flickr.com/michaelthurm)