Griechenland: Bio, Bienen, Bauernhof
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Benjamin WolfAngesichts harter Sparmaßnahmen sind viele Griechen dazu gezwungen, sich alternativen Lebensmodellen zuzuwenden. Vor allem viele Junge entscheiden sich dafür. Ein Sonntag in der utopischen Welt eines Bauernhofes nahe Athen, auf dem Laien all das lernen können, was sie schon immer über Bio-Landwirtschaft wissen wollten.
Wir fühlen uns, als wären wir auf einer echten wissenschaftlichen Expedition. Ausgerüstet mit Schutzkleidung, Hüten mit Sichtschutz und Handschuhen aus wasserfestem Leder, warten wir alle ungeduldig darauf, mit der Arbeit zu beginnen. Zwanzig angehende Studenten der Imkerei stehen in einem Halbkreis und lauschen gespannt Panagiotis Skotidaki, einem bekannten Agrarwissenschaftler, der erklärt, wie man einen Bienenstock richtig handhabt. Alle scheinen von dieser geheimen Welt gefesselt zu seinen. Als der Professor erzählt, dass drei Bienenstöcke in den französischen Nationalfarben vor kurzem auf dem Dach der französischen Nationalversammlung in Paris aufgestellt wurden, sind alle verzaubert. „Bei uns ist das immer noch undenkbar. Die Leute hier haben zu viele Filme mit Killerbienen gesehen“, sagt einer der Studenten lächelnd.
Alle scheinen von dieser geheimen Welt gefesselt zu seinen. Als der Professor erzählt, dass drei Bienenstöcke in den französischen Nationalfarben vor kurzem auf dem Dach der französischen Nationalversammlung in Paris aufgestellt wurden, sind alle verzaubert. „Bei uns ist das immer noch undenkbar. Die Leute hier haben zu viele Filme mit Killerbienen gesehen“, sagt einer der Studenten lächelnd.
DIE KRISE HAT DIE MENTALITÄT VERÄNDERT
Jeden Sonntag macht sich Giorgos, ein junger, arbeitsloser Athener, auf den Weg. Sein Ziel, die abgeschiedene Imkerei, circa 30 Kilometer nördlich von Athen. In der dortigen Schule für biologische Landwirtschaft belegt er Kurse für Bienenzucht. Aber die Schule ist nicht wie viele andere. OIKOSCOLEIO ist gratis, verwaltet sich selbst und erfreut sich seit ihrer Gründung letztes Jahr großer Beliebtheit, vor allem unter den Jungen.
In Griechenland, wo die Jugendarbeitslosigkeit rasant angestiegen ist, sind die Jungen zunehmend gezwungen, sich alternativen Lebensmodellen zuzuwenden. Da ist alles gut, das hilft, genug Geld zu verdienen, um bis ans Ende des Monats durchzukommen. „Die Krise hat die Mentalität von vielen von uns verändert“, vertraut mir Giorgos an. „Während die Generation unserer Großeltern noch in großer Zahl in die Städte ausgewandert ist, um dort ein besseres Leben zu finden, lernen wir nun immer mehr das umgekehrte Phänomen kennen. Einige meiner Freunde, die keine Arbeit finden konnten, haben Athen verlassen und sind auf griechische Inseln gezogen. Jetzt arbeiten sie als Bauern und können davon leben.“
Die anderen Studenten nicken zustimmend. Sie alle träumen von einem kleinen Fleckchen Erde. Wenn sie auf den Inseln oder in einem Dorf rund um die Hauptstadt nicht fündig werden sollten, wollen sie zumindest einen Gemüsegarten im Innenhof ihrer Wohnhäuser. „Es tut gut, etwas zu essen, das wir mit unseren eigenen Händen hergestellt haben. Auch wenn es heutzutage günstiger ist, ein Kilo Tomaten zu kaufen, als es selbst zu kultivieren“, sagt einer von ihnen desillusioniert.
EINE SIMPLE, ABER EFFIZIENTE IDEE
Der Gründer der Schule heißt Theodoris Arvantis. Enttäuscht vom Desinteresse des Staates gegenüber biologischer Landwirtschaft hat der ehemalige Soziologie-Student sich entschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Inzwischen ist so etwas nichts Ungewöhnliches mehr in Griechenland, wo die solidarischen Bürgerinitiativen – von kostenloser medizinischer Versorgung bis hin zu illegalem Anschluss ans Stromnetz - täglich mehr werden.
Die Idee von Theodoris ist simpel aber effizient: Anstatt Almosen zu verteilen, lehrt er den Menschen lieber, wie sie ihre eigenen Lebensmittel herstellen können. Das Land um Früchte und Gemüse zu kultivieren und Honig oder Käse herzustellen gab es bereits, Theodoris musste also nur noch Landwirtschafts-Professoren finden, die sich bereit erklären, ehrenamtlich zu arbeiten und Schüler, die lernen wollen. „Ich bin von dem Gedanken ausgegangen, dass das Land allen gehört. Wenn jemand also Lust verspürt, mit der Erde zu arbeiten, kann ich ihm folglich nur weit die Tore öffnen“, erklärt Theodoris schlicht.
CHAMPIGNONS AUS DEM INTERNET
Theodoris rühmt sich, schon seit 20 Jahren Biobauer zu sein - also auch schon zu einer Zeit, als „Bio“ noch kein Modewort war. Seine Imkerei ist sein Stolz. Aber trotz alldem reicht ein flüchtiger Blick um zu erkennen, dass die Krise auch diesen entlegenen Flecken Erde nicht verschont hat. Die Gewächshäuser, von einem Gewitter zerstört, türmen sich desolat hinter uns auf. „Leider haben wir momentan nicht die Mittel, um sie zu reparieren“, erklärt er und zuckt mit den Schultern. Er möchte lieber das Thema wechseln.
Er nimmt mich mit zu Grigoris. Dieser Mittfünfziger steht symbolisch für das Projekt und die Philosophie von Theodoris „Er hatte in der letzten Zeit keine Arbeit mehr, aber er wollte nicht einfach nur die Hände verkreuzen und nichts tun. Also ist er hierhergekommen.“ Mit Theodoris Segen hat Gregoris entschieden, sich der Aufzucht von Champignons zu widmen. Am heutigen Tag ist er damit beschäftigt, die Erde vorzubereiten, auf der die Pilze wachsen sollen. Er läuft geschäftig in alle Richtungen und scheint ganz genau zu wissen, was er tut.
Wo er seine notwendigen Kenntnisse erworben hat? Vielleicht in einem der Kurse, die die Schule der Imkerei anbietet? „Nein, alles was ich brauche, habe ich im Internet gefunden“, sagt Grigori schlicht.
„Wer weiß, vielleicht hat diese Krise ja auch etwas Positives. Sie hat den Menschen die Augen geöffnet und in ihnen die Lust erweckt, wieder aufs Land zurückzukehren und sich mit biologischer Landwirtschaft zu beschäftigen“, kann Theodoris der aktuellen Situation Griechenlands auch etwas Gutes abgewinnen.
Übrigens denkt er nicht im Traum daran daran, jetzt schon aufzuhören. Eine Reihe Ideen für neue Projekte warten darauf, verwirklicht zu werden. Zum Beispiel will Theodoris es bald einmal mit Urlaub am Bauernhof versuchen und natürlich auch weitere neue Kurse entwickeln. Dort sollen die Menschen sinnvolle Tätigkeiten für den Winter erlernen, beispielsweise, wie man Marmelade macht.
Utopische Töne aus einem Land in der Rezession.
Translated from Quand La Grèce cultive l’utopie