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Grand Central: Menschliche Kernschmelze

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Translation by:

Effy Gromann

Kultur

Manche Situationen gleiten ins Paranormale ab, wenn sie bestimmten Strahlungen ausgesetzt sindm so wie in diesem FIlm. Kopfüber ins Atomare stürzend, verstrahlt Grand Central die Geschichte einer verbotenen Liebe. Begegnung mit Tahar Rahim aka Gary und der Regisseurin des Films, Rebecca Zlotowski.

Es ist Sommer im Südwesten Frankreichs. Saisonarbeiter kommen an, auf der Suche nach Arbeit. Die Campingplätze am Rande der Autobahnen füllen sich. Es ist eine gefährliche Gegend, um zu arbeiten: Hier suchen die Atomkraftwerke nach Mitarbeitern. Gary, ein junger Herumtreiber, ist Teil der neuen Mitarbeitergruppe. Er wird schnell in das Team um Gilles und Toni aufgenommen, die bereits  Erfahrung in der Arbeit im AKW haben. Bald entdeckt er die Gefahren der „Strahlendosis“, der man ausgesetzt werden kann, aber auch die Solidarität, und die Promiskuität des Lebens auf dem Campingplatz, auf dem die Arbeiter wohnen. Und schließlich die Liebe mit der sinnlichen Karole

Besondere Elemente

Mit seinem egoistischen Charakter ist Gary scheinbar abgeschnitten von den mürrischen aber kumpelhaften Männern, die ihn umgeben. Zwiespältig, beinahe an der Grenze zur Antipathie, stellt Tahar Rahim hier einen unsicheren jungen Mann dar, noch in der Selbstfindung, der seiner Position als Hauptfigur zum Trotz kaum Identifikationsfläche bietet. Wenn man ihn auf die Selbstsucht seiner Figur anspricht, antwortet Tahar verneinend: „Dass er bleibt, dass er sich vergiftet, das geschieht nur wegen ihr, aus Liebe.“ Einfach zugänglich war ihm diese Rolle nicht, ihm, der eher gewohnt ist den harten Kerl darzustellen: „Hier habe ich, Rebecca sei Dank, eine Seite meiner Persönlichkeit ausgekundschaftet, mit der ich mich bis dahin noch nie beschäftigt hatte, eine Art Empfindsamkeit, die ein Mann besitzt und zeigt oder auch nicht. Diese Empfindsamkeit ist beinahe weiblich, ich erinnere mich sogar noch daran, dass ich Schwierigkeiten hatte manche Sätze so zu sagen, ich habe nach einer anderen Ausdrucksart und -weise gesucht und versucht sie mir mehr eigen zu machen.“

Es entsteht schnell eine Liebesgeschichte zwischen Gary und Karole, Tonis Frau, die von Léa Seydoux gespielt wird. Auch wenn Léa der Regisseurin Rebecca Zlotowski nicht sofort als Besetzung in den Sinn kam: „Es stimmt, dass ich die Rolle nicht sofort Léa vorschlagen wollte, ich habe befürchtet, dass sie im Arbeitermilieu nicht überzeugen kann. Aber als dann Tahar ankam war sofort klar, dass er mit Léa zusammen spielen muss. Sie sind ein sehr, sehr, sehr starkes Paar, der Platz den sie in der französischen Filmindustrie haben, ihre Hautfarbe, die Schönheit dieses Paares – die Vorstellung, was dies auch über das Frankreich von heute erzählt.“

Rebecca Zlotowski zieht eine Parallele zwischen dem Gefühl der Verliebtheit und der Dosis an radioaktiver Strahlung, der man ausgesetzt ist und die von Tag zu Tag steigt. Das Angleichen von Liebe und Tod, Gefahr und die immer weitergeschobene Grenze. Die Anziehungskraft zwischen den beiden Figuren scheint auf seltsame Weise der Sehnsucht nach der Gefahr zu enstpringen. Betrügen, im AKW arbeiten, das Risiko steigt von Mal zu Mal und verändert sein Erscheinungsbild. Körperlich, taub und geräuschlos, gleicht die unkontrollierte Leidenschaft, die Gary und Karole verbindet jedoch eher ein Ventil, ein Gegengewicht zur ständigen Spannung im AKW zu sein.

Verseuchte Liebe

Sobald sie über ihren Film spricht, geht es für die Regisseurin vor allem um Liebe, um Gary und Karole. Aber das Atomkraftwerk drängt sich bald als eine ganz eigene Figur auf, fast menschlich. Auf fesselnde Art und Weise gefilmt, zieht uns das AKW gleichzeitig an und stösst ab. Die Szenen dort sind beängstigend, gar verstörend. Es ist immer eine Anspannung zu spüren, die von Moment zu Moment ansteigt. Die Nahaufnahmen übertragen perfekt das Gefühl des Erstickens, des Drucks, der auf den Arbeitern lastet. 

Sich für die unbekannte Welt des Atomkraftwerkes zu interessieren. war für Rebecca Zlotowski das Vergnügen Türen zu öffnen, die zum Verbotenen, zum Unbetretbaren führen. „Es stimmt, dass ein bisschen Angst vorkommt, ein paar Wunschvorstellungen und wir wollten uns auch dieser kollektiven Angst annähern“, fährt sie fort. Um das Thema anzugehen, zögerte die Regisseurin nicht, ganz tief ins Universum der Atomenergie vorzustoßen, sie ließ die Darsteller auch tatsächlich in Betrieb stehende AKWs besichtigen.

„Anfangs fingen wir an nachzuforschen, ein bisschen wie Journalisten, Forscher, weil wir nichts über das Thema wussten.“ Während des gesamten Films verstärken die Geräuscheffekte und die Musik die Bilder noch. Sie geben eine Tonalität, ein gewisse Kraft, die sehr stark zum Gelingen des Films beiträgt. Weit davon entfernt nur Untermalung zu sein, sind sie eine Lektüre zwischen den Zeilen, eine andere Erzählebene. Ein AKW aus der Arbeiterperspektive zu filmen, mit den Augen derer, die dort Risiken auf sich nehmen, bedeutet auch uns einer störenden Wahrheit gegenüber zu stellen.

Wenn Rebecca Zlotowski von „Helden“ spricht, die sich tagtäglich starken Strahlungsmengen aussetzen, so fällt es schwer, den Begriff anzunehmen. Die Gruppe, die sich uns präsentiert, ist nämlich sehr menschlich und fröhlich, in krassem Kontrast zu dem sozialen Elend, in dem sie sich befindet – doch ihre Haltung gegenüber dem AKW resultiert aus einer Notwendigkeit. „Man arbeitet mit giftigen Stoffen. Man muss schnell sein. Die Zeit macht die Menge aus“, erklärt Gilles, „Wir bringen den Leuten Licht“, entgegnet Toni. Helden wider Willen, so sind sich die Arbeitskollegen doch über die Umstände im Klaren. „Warum es zwei Parkplätze gibt? Weil wir nicht alle im gleichen Boot sitzen.“. Schön in ihrer Einfalt, präsentieren sie sich als starke Persönlichkeiten, die von einem uns unwirklich erscheinenden Universum erzählen. Von einem Albtraum, aber genauso einer Traumwelt.

Kinostart in Deutschland, Österreich, Schweiz: noch bekanntzugeben.

Zitate von Tahar Rahim und Rebecca Zlotowski aus der Pressekonferenz am 23. August 2013 in La Cigale, Nantes.

Translated from Grand central : atomes crochus