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Google Books Ngram Viewer: 500 Jahre Wortgeschichte

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Default profile picture Katha Kloss

Turm zu BabelKultur

50 Millionen Bücher, das sind ungefähr 500 Milliarden Wörter und die Möglichkeit einige davon auszuwählen und ihre 500-jährige Geschichte Revue passieren zu lassen. Im Moment küren zudem viele europäische Medien das Wort des Jahres: cafebabel.com nimmt ein wenig Distanz und rückt den Fokus auf Worte wie Europa, Krise oder Arbeitslosigkeit.

Google Books Ngram Viewer ist sicherlich nur eines unter vielen neuen Gadgets, aber nur selten gehen die neuen Apps so tief zurück in die Geschichte… Ein Test!

Für viele Journalisten heißt es im neuen Jahr wieder einmal das Wort des Jahres ausfindig zu machen. Oder zumindest eine Liste zu erstellen, um dem „Zeitgeist“ Rechnung zu tragen. In Frankreich schaffen es Worte wie Bettencourt (Skandal um die gleichnamige L’Oréal-Erbin) oder fellation (nach dem bekannten Versprecher der ehemaligen französischen Justizministerin Rachida Dati) auf die oberen Treppchen. England bootet die Franzosen mit bigotgate (ein Bonmot von Gordon Brown) oder auch Cleggmania aus, während ganz Spanien von balconing (besoffene englische Touris, die in Spanien spaßeshalber von Hotel-Balkons in Pools hüpfen) oder postzapaterismo spricht. Die Worte 2010 sind keineswegs dieselben wie 2009, doch wie sahen die Worte des Jahres 1809 aus?

Google Books Ngram Viewer, das neueste Tool des Online-Giganten, ermöglicht es die Verwendungsfrequenz eines Wortes innerhalb der Google Books Online-Datenbank zu scannen, was ca. 5 Millionen Büchern beziehungsweise 500 Milliarden Worten entspricht, liest man dieser Tage in der französischen Onlinezeitung Owni.

Europa = Krieg!

Auch wenn « bigotgate » oder « cablegate » (die Wikileaks-Affäre) nicht auftauchen, gab es sehr wohl aktuelle Worte, die bereits in den Büchern der Europäer im 19. Jahrhundert von sich reden machten. Europa zum Beispiel? Heutzutage sprechen wir seltener über den alten Kontinent als in den Jahren 1810-1820 in Spanien oder Frankreich, als die französische Armee Goya zeichnen ließ und Napoleon von… los europeos ordentlich auf die Kappe bekam. In der deutschen Sprache sprach man besonders ab 1940 von Europa - und auch in England kam der Term Europe in Kriegszeiten weit häufiger vor als heute, wo er nahezu aus dem gängigen Vokabular ausradiert wurde. Die Worte „Europa“ und „Krieg“ gehen also quasi Hand in Hand, mit drei Höhepunkten, die ironischerweise drei Kriegen gleichkommen, die Europa komplett aus dem Gleichgewicht geworfen haben. Dann kam glücklicherweise die EU ins Spiel… Welchen Weg wird das Wort also weiterhin einschlagen?

Der Niedergang der Leidenschaft

Und die Krise? Die crisis boomt im spanischen Vokabular, auch in Frankreich (crise) und Deutschland hat das Unwort Hochkonjunktur. Am meisten verwendet wurde es laut der Applikation in den 1990ern. Und außer in Großbritannien sei die crisis (vokabeltechnisch) ab diesem Zeitpunkt eher geschrumpft. Ähnlich erging es dem Wort Arbeitslosigkeit (Französisch: chômage, Spanisch: desempleo), das seit dem Ende der Neunziger einen Rückgang verbuchte - in der Realität sieht’s mit dem unemployment allerdings nicht ganz so rosig aus…

Unter den Worten, die Angst und Schrecken verbreiteten, befindet sich auch die französische désindustrialisation. Gefragt nach dem Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Deindustrialisierung, wird ein Deutscher 1990 wohl perfekt auf dem Laufenden sein - denn besonders in dieser Zeit lässt sich das Paar häufig ausmachen. In Spanien taucht selbige desindustrialización bereits 1980 auf und ist bis heute durchgängig modern geblieben. Und der Optimismus der Geschicht‘? Der optimismo ist in Spanien schon längst Geschichte, während optimism in Großbritannien zunehmend häufiger auftaucht. Der Deutsche gibt sich in puncto Optimismus eher vorsichtig.

Das Problem mag im allgemeinen Niedergang des Wortes Leidenschaft in den letzten 200 Jahren liegen - für die passion, sei sie nun französisch oder englisch, muss man schon eine Zeitreise in die Jahre um 1800 machen, als das Wort in aller Munde war. Nur der Spanier verwendet die pasión bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts mit Nachdruck. Als könnte man mit dem Google Books Ngram Viewer den Esprit eines Volkes aus der Verwendung gewisser Worte ablesen. Doch das ist wahrscheinlich wieder nur eine Marotte meines eigenen französischen Pessimismus'!

Illustration: ©Henning Studte/studte-cartoon.de

Translated from Google Books Ngram Viewer : 500 ans d'histoire des mots