Gonzalo Conradi: 'Man sollte sich nicht hinter Drogen verstecken'
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salome hölzleIn Bildern erinnert sich Conradi (31) an die Kälte seiner Erfahrungen im Ausland zurück. Der spanische Künstler bereitet aktuell Bilder für eine ihm gewidmete Ausstellung in Sevilla vor.
Es ist die lauteste und glanzloseste Straßenkreuzung in ganz Sevilla, an der die Luís Montoto Avenue auf die Ruiz Cavestani trifft. Ausgerechnet hier befindet sich das Atelier des 31-jährigen Künstlers Gonzalo Conradi. Der Balkon im fünften Stock saugt das Licht förmlich auf und gibt es in den Innenraum ab. Conradis Wohnzimmer ist ein Leuchtfeuer, überfüllt mit ungeordneten Bildern. "Abends räume ich alles zur Seite, breite eine Matratze aus und lege mich inmitten dieses Chaos" mit meiner Partnerin ins Bett", kommentiert er im Vorbeigehen. Am Ende eines schmalen Ganges befindet sich der Raum, in dem er malt und Dart spielt, "um die Konzentration zu schärfen und die Gedanken schweifen zu lassen".
Taktgefühl Flamenco
Das Atelier quillt vor Tusche-, Gouache- und gesprayten Zeichnungen zum Thema Flamenco über. Conradi wird ab dem 22. Dezember im Centro Andaluz del Flamenco ausstellen. "Der Flamenco-Rhythmus hat mich übrigens in Deutschland gepackt", gesteht er. Zwischen 2002 und 2004 lebte er in Dresden und Greifswald, wohin er einer Deutschen gefolgt war, in die er sich verliebt hatte. Sie unterhielten sich auf Französisch. Kennengelernt hatte er sie in Lyon, wo er Kunst studierte.
"In Deutschland kam ich täglich mit 50 Euro nach Hause, nachdem ich den Tag über auf der Straße Gitarre gespielt und Bilder verkauft hatte. Als Straßenmusiker habe ich festgestellt, dass man in der Musik zuerst die Technik beherrschen muss und erst dann seine Seele hineinlegen kann." Seit dieser Erfahrung perfektioniert er unablässig den Taktschlag und Rhythmus des Flamencos. Heute versucht er, dieses Gleichgewicht in eine Bildersprache zu übersetzen. Denn die Malerei ist "der Körper der Musik". Nicht umsonst ist seine jüngste Schaffensperiode von Sängern, Tänzerinnen, Musikern und rhythmischen Zeichen geprägt.
Bilderauswahl: Musiker und Flamenco
Der Schmerz des Lebens
"Er hat sich besonders in meinen Jahren als Globetrotter in mir festgesetzt." In dieser Zeit habe ich viel Kälte gespürt - äußerlich und innerlich", unterstreicht der Künstler, als er von seiner ersten Schaffensperiode erzählt: seiner 'Mich schmerzt'-Phase ('Me duele'). Es war ein Gang in die Wüste nach einer enttäuschten Liebe in Spanien. "Ich hatte keine Freunde. Mit meiner neuen Freundin sprach ich nur Französisch, mit meinem Chef vom Theater Vorpommern in Greifswald, wo ich als Plakatmaler arbeitete, nur Deutsch." Der Ausdruck der Werke jener Etappe ist schmerzvoll und wütend. "Ich war ein stacheliger Igel, der niemanden umarmen konnte, weil er mit der Welt im Streit lag." Enttäuscht erkannte Conradi in dieser Zeit, dass "den Staat nicht unser Herz interessiert, sondern nur, was wir zum Staat beitragen."
Er ging nach London, wo er sich mit einer Gruppe junger Künstler zusammenschloss. Sie besetzten Häuser, wollten gemeinsam etwas gestalten. "Es war in Hackney, einem der schlimmsten Viertel Londons. Wir sahen übel aus: Andalusier mit sehr wenig Geld und großem Hunger. Ich empfehle allen das Besetzen von leerstehenden Wohnungen, es ist eine sehr gesunde Aktivität", bekräftigt er.
Beunruhigt davon, "die Kunst dem Markt zu überlassen", hat er von London bald die Nase voll: "Es ist ein beschissener Laden, in dem alles verkauft wird. Wenn du kein Geld hast, bist Du nicht interessant. Viele haben sich mit kleinen Geschäften angepasst, die ihnen genug Geld bringen, um sich mit Drogen zu betäuben. Sie haben sich zu sehr betäubt. Ich habe nichts gegen Drogen, aber ich bin dagegen, sich hinter Drogen zu verstecken. Wenn ich Drogen nehme, dann, um meine Ängste und Fantasien zu Tage treten zu lassen."
'Mich schmerzt' ('Me duele')
Vitalität in Grün
"Ich hatte es satt, die Welt nur anzuknurren. Ich habe festgestellt, dass ein Kuss im Leben wirksamer ist als eine Ohrfeige. Ich beschloss, mich zu ändern." Conradi ging zurück nach Spanien, verliebte sich erneut und begann eine neue Schaffensperiode: Vitaler Informalismus: das Eintauchen in die absolute Abstraktion. Neue Liebe, neue Schaffensperiode - beneidenswert! "Wer Neid empfindet, bei dem ist ein Gespräch mit seinem Herzen fällig. Manche Menschen empfinden so viel Schmerz. Wenn ihr Hund stirbt, nachdem sie sich jahrelang um ihn gekümmert haben, beschließen sie, sich nie wieder einen Hund anzuschaffen. Genauso ist es mit der Liebe." Sich der Liebe zu öffnen sei die Existenzgrundlage eines Künstlers, so Conradi
Heute dominieren lebendige Farben und große Formate das Werk des Malers und Bildhauers. "Früher waren meine Bilder eher in weiß, rot und schwarz gehalten - eine sehr dramatische Kombination", erklärt er. Die Bäume halfen ihm das Grün zu entdecken und lehrten ihn, an das Leben zu glauben: "Ich bin immer noch fasziniert, dass aus einer kleinen Eichel einmal ein enormer Eichenbaum wird." Heute symbolisiert der Baum für Conradi Perfektion: er zieht sich "nach oben, um an Luft und Licht zu gelangen und drückt sich gleichzeitig in die Tiefe, um dort nach Dunkelheit und Wasser zu suchen."
Vitaler Informalismus
Geschenke und Markt
Conradis Bilder sind inzwischen über den ganzen Planeten verteilt: Australien, Japan, Mali, Deutschland, Italien, Frankreich, England. Viele seiner Werke hat er verschenkt. Freunde machen ihm diese Verschwendung oft zum Vorwurf: "Sie sagen, dass ich meinen Werken keinen Wert beimesse. Aber es macht mir Spaß meine Bilder zu verschenken. Kunst muss verschenkt werden, denn es ist Liebe", verteidigt er sich.
Den Markt lehnt Gonzalo Conradi allerdings nicht mehr ganz so kategorisch ab: immerhin gestaltete er zusammen mit Raquel Maireles (Nosotros) den Firmensitz des multinationalen Immobilienkonzerns Tercialia in Bukarest. Außerdem ist er für das Design des CD-Covers der gefeierten Flamenco-Sängerin Macanita de Jerez verantwortlich und wird voraussichtlich gemeinsam mit Ricardo Pachón, dem großen Guru der Flamencoindustrie in Spanien, am Bühnenbild einer Aufführung für die Flamenco-Biennale 2008 in Sevilla arbeiten. "Etwas, das in meinem Kopf schon fast fertig ist", fügt er abschließend hinzu.
Translated from Conradi: es más eficaz un beso que una hostia