Goethe liebt Italien, auch 200 Jahre später
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Juliane Büchner200 Jahre nachdem die "Italienische Reise" von Johann Wolfgang von Goethe veröffentlicht wurde, hat das Italienische Kulturinstitut Berlin den Reisereporter Andrea D'Addio und die Fotografin Laura Droße mit einem Fiat 500 losgeschickt, den Spuren des Dichters zu folgen. So lief das Abenteuer Goethe liebt Italien.
Während Johann Wolfgang von Goethe für seine Italienische Reise damals 10 Monate brauchte, schafften Andrea D'Addio und Laura Droße sie in zwei Wochen. Der Dichter hatte sich am 3. September 1786 mit einem gefälschten Pass unter dem Namen Phillip Möller auf die Reise gemacht, die er 30 Jahre später in dem gleichnamigen Werk veröffentlichte. Statt falschem Pass haben der Reisereporter Andrea D'Addio, der seit langem in Berlin tätig ist, und die Fotografin Laura Droße heute einen Fiat 500 dabei, bedruckt mit dem berühmten Bild von Goethe inmitten römischer Ruinen und mit der Aufschrift 'Goethe liebt Italien'.
Es handelt sich um eine Initiative des Italienischen Kulturinstituts Berlin, welches die italienische Sprache und Kultur in Deutschland fördert. Das Ziel ist nicht (nur), die Veränderungen in Bräuchen und Landschaften Italiens seit der großen Reise des deutschen Dichters zu dokumentieren. Es geht vor allem darum, auf eine lebendigere Weise darzustellen, was das Land heute ausmacht. Auch weil es unvorstellbar war, alle Städte, in denen Goethe Halt machte, in den zwei Wochen im Oktober 2016 zu besuchen.
Italien in kleinen Häppchen von Nord nach Süd
Von München aus haben Andrea und Laura das kleine Städtchen Trient in Südtirol besucht, Verona - wo der Dichter vor allem die römische Arena schätzte – und Venedig, die Stadt in der Goethe zum ersten Mal das Meer sah. Obwohl er, um bei der Wahrheit zu bleiben, nicht nur die Architektur wortreich beschrieb, sondern auch von kleinen Enttäuschungen berichtete, die mit dem Dreck und der Vernachlässigung der Lagunenstadt zusammenhingen.
Auch Andrea und Laura ließen sich von Venedig faszinieren, auf der Facebook- Seite des Projekts "Goethe liebt Italien" schrieben sie: „Hier gab es für uns soviel zu sehen und entdecken, dass wir ein wenig hinterherhinken."
Die Reise geht weiter nach Bologna. Unter den Hashtags #aufgoethesspuren, #goetheliebtitalien und #EntdeckeItalien erzählen die Fotos von Laura und Posts von Andrea in Echtzeit von ihren Impressionen. Und wenn sich in Venedig das störende Bild von einem „Spaziergang am Kanal mit Blick in ein Zimmer wo man im Bademantel mit Smartphone in der Hand auf dem Bett lümmelt“ auftut, vereinen die beiden sich in Bologna aus zweieinhalb Jahrhunderten Entfernung wieder mit dem Dichter: „Bologna vom Torre degli Asinelli aus gesehen, hat Goethe vor 230 Jahren beeindruckt, und beeindruckt auch heute noch jeden, der hinaufsteigt", schreibt Andrea in einem Post.
Beide ließen sich die Stadt gut schmecken: Unter den spezielleren Lokalen, die besucht werden, ist auch das Senza Nome. In der ersten Bar in Italien, die ausschließlich von Gehörlosen geführt wird, wechseln Ruhe und Chaos sich auf magische Weise ab: „Die Atmosphäre ist freundlich. Und auf den ersten Blick sieht man zwischen den italienischen Gesten und der Gebärdensprache der Gehörlosen keinen Unterschied. Und das ist schön so."
Der Stopp, den Goethe in Assisi einlegte, wird übersprungen: Es bleiben ihnen nur noch wenige Tage und Rom, Caput Mundi (Latein: Hauptstadt der Welt, Anm. d.Red.), wartet schon. Die Stadt war eine wichtige Etappe auf Goethes Grand Tour. Während der Hinreise blieb Goethe von Oktober 1786 bis Februar 1787 in Rom, auf dem Rückweg sogar noch länger. Er nahm dort an den Feierlichkeiten für Allerheiligen teil, ein wenig enttäuscht von der Strenge des Festes und auch von der Figur von Papst Pius VI. Über den Petersdom im Vatikan hingegen schrieb er: „In St. Peter habe ich begreifen lernen, wie die Kunst sowohl als die Natur alle Maßvergleichung aufheben kann."
Auch Neapel erobern Andrea und Laura – eine Stadt, die Goethe als „froh, frei und lebendig“. Während der deutsche Schriftsteller mit dem Boot nach Sizilien gekommen war, schiffen die beiden sich und den Fiat 500 mit der Fähre ein und verkünden in einem Post vom 20. Oktober ihre Ankunft in Palermo. Auch
Palermo, Kunst und Farben
Die Stadt braucht keine Erklärung: die marmorne Schönheit der Piazza Pretoria, der Barock der Quattro Canti und des Cassaro Antico, die größten Feigen und Palmen von Europa. Andrea und Laura erzählen von Treffen mit dem Sänger Fabrizio Cammarata und Pif. Der Regisseur und Journalist berichtet von seinem neusten Film, auf den viele auch in Berlin neugierig sind. Andrea schreibt über die Farben der Kaktusfeigen und der Märkte: „Auf dem Markt in Ballarò haben wir eine Handvoll Minitomaten gekauft, um sie gleich aus der Hand zu essen. Als wir die Verkäuferin fragten, ob wir sie waschen könnten, hat sie uns ein bisschen komisch angeguckt. Ich musste ihr erklären, dass wir sie gleich essen wollten, dass wir in Berlin wohnen, dass die Tomaten dort in manchen Supermärkten 12€ das Kilo kosten, statt wie hier nur 90 Cent, und nur nach Wasser schmecken. Sie hat den Jungen aus der Bäckerei zu ihrem Stand gerufen und ihm die Tomaten gegeben. Nach einer Minute bekamen wir sie in einer Tüte zurück, komplett gewaschen. „Was schulden wir Ihnen?". „Nichts, genießt sie", hat sie geantwortet, mit einer Freundlichkeit und einer mütterlichen Art, die uns ans Herz ging. Innerhalb von drei Minuten waren sie schon aufgegessen."
Gedanken nach der Reise
Über Sizilien schreibt Goethe: „Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in der Seele: hier ist erst der Schlüssel zu allem." Im Interview erklärt Andrea uns, dass Sizilien für ihn der Schlüssel zum guten Leben ist: Dort ist die Lebensqualität noch höher. So eine Reise reicht für Andrea aus, um sich über viele Dinge klarzuwerden, die meistens für selbstverständlich gehalten werden. Aber für Andrea gibt es viele Schlüssel, Italien zu verstehen. Einer der wichtigsten ist Rom: Ihn beeindruckt besonders, dass Stadt so einen bunte Mischmasch junger Menschen versammeln, die von überall auf der Halbinsel kommen und versuchen, ihr Leben in Rom zu meistern.
Zum Schluss fragen wir Andrea, was er auf seiner Reise durch Italien gelernt hat. Die Reise vor 230 Jahren hat Goethe maßgeblich verändert, wie der Schriftsteller Matteo Nucci aufzeigt: Der Charakter der Italiener, ihre Art die Abende zu verbringen, nach Freizeit und Genuss zu streben, überraschte ihn. „Diese neue Freiheit beeinflusste die Gedanken und Studien von Goethe auf eine sehr produktive Weise", schreibt Nucci. Andrea betont zwar, dass es sich nur um eine zweiwöchige Reise unter günstigen Bedingungen und bei guter Stimmung handelte, aber er erzählt uns, dass diese Reise ihm Italien und die Italiener bewusster gemacht habe: „Der Kampf gegen die schlechte politische und soziale Situation ist ungerecht. Aber er wird durch menschliche Wärme und ungewöhnliche Kreativität ausgeglichen wird. Der Wille, etwas zu tun, und der Unternehmensgeist der Italiener übertreffen die Frustration über den status quo. Das finde ich sehr wichtig."
Translated from Goethe ama ancora l'Italia, 200 anni dopo