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Gleichberechtigung – nur ein islamisches Problem?

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Sevilla

“In Afrika gibt es diskriminierende Gesetze, denen ethnische Überzeugungen zugrunde liegen und die Frauen unterdrücken. In Ländern wie dem Sudan oder Nigeria wird weibliche Genitalverstümmelung immer noch nicht bestraft, sogar in christlichen Gemeinschaften.

In Indien verlangt es die Tradition, dass die Braut in spe für die Aussteuer und das Haus des zukünftigen Ehepaars aufkommt; andernfalls ist es ihr Schicksal, von ihrer Familia verstoßen zu werden. Und sogar in Europa und den USA, beide eigentlich Vorreiter in Sachen Fortschritt und individuelle Freiheiten, sind die wichtigen Positionen in Wirtschaft und Politik größtenteils von Männern besetzt. Ist unsere Situation ein religiöses Problem oder vielleicht nur ein weiteres Beispiel für weltweiten Sexismus?” Mit dieser Frage wendet sich Shirin Ebadi, iranische Anwältin und Nobelpreisträgerin 2003, an das Publikum einer Konferenz über “Gender Equality” an der Universität von Sevilla. Trotz der vielen Fortschritte, die wir im 20. Jahrhundert bei der Gleichberechtigung der Geschlechter gemacht haben, “gibt es noch viel zu tun”, sagt Ebadi. Ein gutes Beispiel für diese Situation sei Finnland, Modellstaat der Gleichberechtigung, das gleichwohl noch immer noch nicht zufrieden ist. Nachdem sie das skandinavische Land besucht hat, betont die Nobelpreisträgerin, die Macht der Männer liege „jenseits des Vorstellbaren.“ Ebadis Eindruck ist, dass Gleichberechtigung bis jetzt in keinem der am meisten entwickelten Länder Realität ist: „Fast alle Personen, die an der Konferenz teilgenommen haben, trugen einen Button, dessen eines Ende abgerissen war – ein Symbol für den Protest dagegen, dass die durschnittlichen Gehälter für Männer und Frauen immer noch um 25% auseinander liegen.“ In diesem Sinne warnt Shirin Ebadi davor, das westliche Modell zu idealisieren und betont, dass die Entwicklung der Karrieremöglichkeiten für Frauen in Europa und im Osten unterschiedlich weit fortgeschritten ist. Sie sei außerdem noch nicht einmal seit 50 Jahre im Gange. Ebadi präsentiert das Spanien Francos in den sechziger Jahren als Beispiel, in dem Frauen ihren Ehemann um Erlaubnis bitten mussten, wenn sie Geld abheben oder verreisen wollten. Frauen in Saudi-Arabien, Kuwait oder im Jemen leben heutzutage unter ähnlichen Bedingungen. Dort werden sie als Bürger zweiter Klasse behandelt, deren Status davon abhängt, wie viele Söhne sie zur Welt bringen. Und sie fragt sich selbst wieder, „ist das wirklich nur eine Sache theologischer Prinzipien oder nicht vielmehr eine Rechtfertigung der männlichen Machtposition?“

Shirin EbadiDie Praxis in den säkularen Staaten – und ihre Widersprüche. Shirin Ebadi weiß um die Möglichkeiten, die der Aufbau eines säkularen Staates für die Gleichberechtigung bietet. Aber mit einem indigniertem Unterton in der Stimme klagt sie zugleich auch die westliche Welt an, ein universelles Problem grob zu vereinfachen und es nur bei islamischen Gesetzen zu suchen, die in der Zivilbevölkerung gelten. Dennoch spricht sie von Koranversen, auf die sich iranische Gesetze gründen. Sie erlauben es einem Mann, vier Frauen gleichzeitig zu heiraten und sich von ihnen ohne Grund wieder scheiden zu lassen – andersherum ist das unmöglich. Gesetze, in denen das Leben eines Mannes soviel wert ist wie das zweier Frauen oder die es ihm erlauben, sie zu schlagen, wenn sie ihm nicht gehorcht. Deshalb ist Ebadi einverstanden mit der Trennung von Staat und Religion. Sie nennt sie notwendig, aber nicht ausreichend. Im Irak, fügt sie hinzu, „hat die Gewalt gegen Frauen nach dem Sturz Saddam Husseins zugenommen, was soll man davon halten?“ Rosa Luxemburg hat in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts das allgemeine Wahlrecht und das Bürgerrecht für Frauen und Gleichberechtigung am Arbeitsplatz erreicht, kleine Schritte, aber nicht genug. Heutzutage sitzen dreizehn Frauen im iranischen Parlament, unter ständigem Druck der Fundamentalisten, während 65 Prozent der Studierenden weiblich sind. Vor 50 Jahren galt im Iran das allgemeine Wahlrecht auch für Frauen, mit dem Islam als Staatsreligion. Heutzutage hat Shirin Ebadi mit vielen Problemen zu kämpfen, wenn ihre Mandanten keine Muslime sind. In China verstoßen oder töten Familien ihre kleinen Töchter, weil Jungen noch immer die “Könige” sind. “Ich bleibe dabei, ist das ein religiöses Problem oder haben nicht die Männer einfach zu viel Macht?”

Clara Fajardo

Translator:

Karsten Marhold