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Gewalt gegen Frauen: Hinsehen und handeln

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Mit einer weltweiten Kampagne will Amnesty International gegen geschechtsbasierte Gewalt vorgehen. Leider fehlt oft der politische Wille, das Problem offensiv anzugehen – auch in Europa, erklären die Programmleiterinnen gegenüber café babel.

Dein Nachbar torkelt nach seinem abendlichen Kneipenbesuch nach Hause. Du hörst einen lauten Knall, seine Frau schreit, dann weint sie. Wie fast jeden Tag. Du drehst den Fernseher etwas lauter und hörst lieber weg. Was kannst du dagegen schon machen? Das ist ja nicht deine Angelegenheit…

„Falsch“, meint Amnesty International. 'unter dem Motto „Hinsehen und handeln“ betreibt die Menschenrechtsorganisation seit dem 5. März 2004 eine Kampagne, um der Gewalt gegen Frauen ein Ende zu setzen.

Jede dritte Frau betroffen

„Leugnen und Ignoranz zählen zu den größten Hindernissen, welche der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Wege stehen“, sagt Edna Aquino, Leiterin der weltweiten Kampagne bei Amnesty International. „Amnesty versucht, das Problem an drei Punkten anzugreifen: dem Tolerieren, dem Rechtfertigen und der Ignoranz von Gewalt gegen Frauen“. Das Problem ist verbreiteter, als viele annehmen. In einer globalen Umfrage hat Amnesty International festgestellt, dass mindestens eine von drei Frauen im Laufe ihres Lebens geschlagen, zum Geschlechtsverkehr gezwungen oder anderwärtig sexuell missbraucht worden ist. Der Europarat schätzt, dass häusliche Gewalt gegen Frauen zu mehr Todesfällen führt als Krebs oder Verkehrsunfälle.

Wie kann gegen Gewalt an Frauen vorgegangen werden? „Wir von Amnesty können den Opfern keine direkte Hilfe anbieten. Das ist die Aufgabe von Freiwilligenorganisationen, die zum Beispiel mit Notrufnummern und Frauenhäusern, in denen Opfer Unterschlupf finden können, direkt agieren. Wir helfen dadurch, dass wir die Menschen auf das Problem aufmerksam machen; Ausserdem arbeiten wir mit anderen Organisationen zusammen und versuchen, die Gesetzgebung entsprechend zu ändern?", sagt Gezerca Tigani, die für die Amnesty-Kampagne in Europa und Zentralasien zuständig ist.

“Vertuschen Sie!“

Um Aufmerksamkeit zu erregen, hat die Kampagne zu ungewöhnlichen Motiven gegriffen. In der Londoner U-Bahn waren Poster mit strahlend lächelnden Frauengesichtern zu sehen, die auf den ersten Blick zwischen den anderen Kosmetik-Werbungen kaum auffallen. Auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass die Frau ein blaues Auge hat und vermeintlich für ein Make-Up names „Cachez“ (französisch für „Vertuschen Sie!“) wirbt.

Doch die Sensibilisierung von Politk und Gesellschaft ist nicht einfach. Edna Aquino meint, dass die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen immer noch nicht genügend Aufmerksamkeit auf politischer Ebene bekomme. „Gewalt gegen Frauen wird nach wie vor als soziales Problem angesehen und daher nur mit kurzfristigen Maßnahmen behandelt. Wir wollen, dass Gewalt gegen Frauen kriminalisiert wird“, sagt sie. „Manche Staaten unterschreiben Abkommen über Frauenrechte, aber halten sie dann nicht ein. Als Ausrede heißt es dann, dass sie mit kulturellen Prinzipien nicht übereinstimmen“, fährt sie fort. “Vor allem in diesen Ländern versuchen wir, mit den traditionellen Führern in Kontakt zu treten, um sie umzustimmen. Leider wissen sie oft nichts von den Menschenrechten, geschweige denn von Frauenrechten. Sie denken, ihre Religion sei die Regel, der alle folgen müssen.“

Edna Aquino erinnert sich zum Beispiel an einen Fall in Afgahnistan, bei dem eine Mutter ihre Söhne aufgefordert hatte, ihre Tochter zu töten, weil diese eine Affaire neben ihrer Ehe hatte. In der muslimischen Welt zähle die Ehre als ein höheres Gut, was oft zu Konflikten mit Menschenrechten führe.

Doch Gewalt gegen Frauen ist kein islamspezifisches Problem. Es gebe nicht weniger Fälle in Europa, sagt Aquino. „Viele Fälle bleiben ungemeldet, was die Situation nur verschlimmert. In Schweden zum Beispiel, ein Land, das als Idealstaat gilt, werden viele Aktionen auf nationaler Ebene abgewickelt, während im regionalen Bereich nichts passiert und Frauen unter Gewalt leiden.“

Ignoranz ist das größte Problem im Kampft gegen die geschlechterbasierte Gewalt, und dagegen kann jeder etwas tun. Amnesty rät, sich über frauenfeindliche Werbungen, Filme oder Artikel direkt bei den Medien zu beschweren oder aber an einem ihrer schriftlichen Aufrufe an Regierungen teil zu nehmen.

Wenn du also das nächste Mal deine Nachbarin schreien hörst, überlege zweimal, ob es nicht vielleicht doch auch deine Angelegenheit ist.