Generationenkino im Weichspüler: 'Résiste - Aufstand der Praktikanten'
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Ein Quantum Revolution - seit dem 12. November auf deutschen Leinwänden.
Film-Till (Hannes Wegener) geht es wie unzähligen seiner real existierenden Leidensgenossen: Er steckt in der Praktikantenspirale fest. Acht verschiedene Praktika hat er schon absolviert - stets in der Hoffnung auf die heiß ersehnte Festanstellung. Als ihn schließlich auch Chef Nummer neun kalt abblitzen lässt, sinnt er auf Rache - und gründet gemeinsam mit zwei anderen Praktikumskollegen (Fanny Staffa, Steffen Jürgens) eine eigene Agentur - "Pakt", die erste Praktikantenberaterfirma. Allerdings nicht aus wohltätigen Motiven, sondern um selbst ordentlich Kohle zu scheffeln.
Währenddessen ist seine Jugendliebe, die idealistische und stets kampfbereite Halbfranzösin Sydelia (Katharina Wackernagel) in Berlin angekommen. Doch die feste Stelle bei einem "ernstgemeinten linken Magazin" (deutliche Anspielungen an den Spiegel sind natürlich rein zufällig) entpuppt sich schnell als verstecktes - und freilich unbezahltes - Praktikum. Aber so nicht mit Sydelia, die alle Pläne über den Haufen wirft und fortan entschlossen ist, ihre eigene kleine Revolution anzuzetteln - für eine faire Behandlung der Generation Praktikum.
Natürlich dauert es nicht lange, bis sich Tills und Sydelias Wege filmgerecht kreuzen. Und die mischt den Laden - und Tills Gefühle - mächtig auf. Als es zum ersten Praktikanten-Generalstreik kommen soll, muss sich Till entscheiden - für sein Geschäft oder für seinen neu erwachten Sinn für Idealismus.
Romantische Revoluzzer
In den vergangenen Jahren hat sich eine neue Sub-Gattung unter den deutschen Filmen herausgebildet: Der Revoluzzer-Streifen. In etwas romantischer Verklärung versuchen junge deutsche Filmemacher, ein wenig vom rebellischen Alt-68er-Geist in die angepasste Gegenwart hinüberzuretten.
Das seltsame Bedürfnis, wie damals Philipp Scheidemann auf den Balkon zu treten und einfach mal die Demokratie oder Wasauchimmer auszurufen.
Die fetten Jahre sind vorbei oder Free Rainer etwa, eine Satire mit Moritz Bleibtreu als ausgestiegenem TV-Produzenten, der mit ein wenig Quotenmanipulation Kunst und Kultur zurück ins ehemalige Land der Dichter und Denker holt. Zugegeben - realitätsnah sind diese Filme in den seltensten Fällen. Aber eins bleibt stets zurück, wenn die Filmemacher ihre Sache richtig gemacht haben: Ein kleiner, neu entfachter Funken Anarchie im Herzen. Das seltsame Bedürfnis, wie damals Philipp Scheidemann auf den Balkon zu treten und einfach mal die Demokratie oder Wasauchimmer auszurufen. Oder zumindest „Fuck the system“ an eine Wand zu sprayen.
Doch so sehr ich es auch wollte, so sehr mich das Thema Praktikantenausbeutung persönlich betrifft - so ein Gefühl wollte sich diesmal einfach nicht bei mir einstellen. Denn leider verliert Regisseur Jonas Grosch nach einem netten Einstieg recht schnell sein eigentliches Ziel zugunsten einer reichlich gekünstelten Liebesgeschichte aus den Augen: Eine bissige Satire auf die wahrlich verrückte Welt des Praktikantenzirkus zu sein. So bleibt es bei einigen interessanten Einfällen, die allerdings nur kurz angerissen werden und wie so häufig schon größtenteils aus den Trailern bekannt sind.
Dabei hätte es durchaus Chancen gegeben, sich aus dem Schatten seiner übermächtigen Vorgänger Die fetten Jahre sind vorbei und Free Rainer herauszuspielen. Als die Bundesregierung den Praktikanten im Film das Streikrecht verweigert, scheint es zunächst so, als wäre der Aufstand tatsächlich nur ein Sturm im Wasserglas, als bräche der Streikwille der Praktikanten an ihrer eigenen Angst vor Gesetzesübertretung und Arbeitsplatzverlust in sich zusammen.
Was, wenn der filmische Generalstreik tatsächlich hätte abgebrochen werden müssen, weil niemand gekommen wäre? Was, wenn es Groschs schmerzliche Botschaft gewesen wäre, dass jeder einzelne Praktikant letztendlich doch nur um sein eigenes berufliches Wohlergehen bemüht ist? Vielleicht hätte ein dermaßen depressives Ende sogar ein ehrlicheres Bild auf unsere Gesellschaft geworfen. Allemal wäre es ein Ende gewesen, das stärker im Gedächtnis geblieben wäre, als der versöhnliche und weichgespülte Schluss, für den sich Grosch letzten Endes entschieden hat.
So bleibt die Schlussszene symptomatisch für den ganzen Film und die Generation Praktikum im Allgemeinen: Da schreibt die Kanzlerin mal eben schnell eine SMS, dann - Cut - haben sich 3 Monate später plötzlich alle wieder lieb: Die Praktikanten sitzen einträchtig, ihre zwischenzeitlichen Fehden vergessen, mit Tills ausbeuterischem Chef und dem Mann in Weiß - filmisches Sinnbild des Raubtierkapitalismus - in der Most-Stube von Tills Alt-68er Eltern versammelt und feiern ihren Sieg: Die Einrichtung einer offiziellen Bundesbehörde für Praktikanten! Genau, nicht die Abschaffung der Praktikantensklaverei an sich, sondern ihre gezügelte und bürokratisierte Fortführung steht am Ende des Filmes. Da muss die Frage erlaubt sein: Wie revolutionär ist das denn bitte?
Aber, seien wir nach einer ehrlichen Kritik auch fair. Schließlich handelt es sich bei Jonas Groschs Résiste nicht um eine hochfinanzierte Mammutproduktion, sondern um die Abschlussarbeit eines Filmstudenten - und bei allen dramaturgischen Mängeln lässt sich eins festhalten: das Herz sitzt bei Résiste auf jeden Fall am rechten, pardon, linken Fleck.
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PS für Nitpicker: Katharina Wackernagel, die im Film Sydelia spielt, ist im wahren Leben übrigens die ältere Schwester von Regisseur Jonas Grosch. Und beide sind Nichte und Neffen von Christof und Sabine Wackernagel, die Tills Alt-68er-Eltern verkörpern. Übrigens ganz realistisch: Denn der Schauspieler und Schriftsteller Christof Wackernagel hatte sich in den 1970ern selbst der RAF angeschlossen und saß bis 1987 in Haft.