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Generation Praktikum: Kanonenfutter auf dem Arbeitsmarkt

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Praktika sind weiterhin in „Mode“. Ein Trend, der sich fortsetzt: Denn die im Januar 2010 beginnende spanische EU-Ratspräsidentschaft hat es sich nicht gerade auf ihre Fahnen geschrieben, Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen und für bindende Richtlinien bei Arbeitsverträgen zu sorgen.

Auf Internetseiten wie Euractiv.com, Eurobrussels.com oder Jobsinbrussels.com finden sich unendlich viele Praktikantenstellen im privaten Sektor. Spitzenreiter hierbei ist Brüssel, die Stadt, die aus allen Regionen Europas Jung-Akademiker aus verschiedenen Bereichen anzieht. Ob diese Praktika nun bei NGOs oder im privaten Sektor absolviert werden, eines haben sie gemeinsam: Sie sind gar nicht oder nur sehr schlecht bezahlt. Die Praktikanten müssen jedoch Verantwortung übernehmen. Auch wenn es die Unternehmen sind, welche die Berufsanfänger ausnutzen, so ist es doch verstörend zu sehen, wie sich eine ganze Generation um diese Stellen reißt. Die Jobeinsteiger sind sich bewusst, „dass man irgendwo anfangen muss“.

Für Unternehmen, die unter der Finanzkrise leiden, ist das Praktikum die Übergangslösung.

Für Unternehmen, die unter der Finanzkrise leiden, ist das Praktikum zu einer Übergangslösung geworden. Um die Praktikanten zu motivieren, behaupten einige Unternehmen sogar, dass am Ende des Praktikums eine Anstellung winken könne. Vorsicht sei jedoch geboten. Denn vieles kann sich im Laufe der drei Monate, die ein Praktikum normalerweise dauert, ändern! Andere Unternehmen bezahlen Gehälter, die drei bis vier Mal niedriger sind als das Gehalt einer regulären Arbeitskraft mit den gleichen Aufgaben.

Sogar der spanische Minister für Arbeit und Einwanderung, Celestino Corbacho, musste eingestehen: „Die Krise hat leider zu einer Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt geführt. Eine der Folgen ist, dass immer häufiger Kurzverträge oder schwammige Verträge vergeben werden. Es geht sogar so weit, dass auch das Fehlen eines Vertrages akzeptiert wird.“ Und genau diesem Politiker wird die riesige Verantwortung zukommen, die Auswirkungen der Krise auf den Arbeitsmarkt im nächsten Jahr, in den ersten sechs Monaten des Jahres, in denen Spanien die EU-Ratspräsidentschaft innehaben wird, zu mildern.

Praktikum - Endlose Bewährungsprobe

Im Einstellungsgespräch hieß es, das Praktikum solle eine Art Probezeit sein.

Ioana ist Rumänin. Sie ist Praktikantin in einem Unternehmen im Bereich „Social Media“, das in Brüssel ansässig ist. „Ich suchte ein Praktikum für den Sommer und ich habe eine Praktikumsstelle in einer Agentur gefunden, die Daten im Bereich Social Media erhebt. Ich habe ein paar Tage nach der Einstellung angefangen. Im Einstellungsgespräch hieß es, das Praktikum solle eine Art Probezeit sein. Das ist ein Hinweis, der die Praktikanten sehr motiviert und ich habe deshalb mein Bestes gegeben“, so Ioana. Nach zwei Monaten spricht Ioana das Thema der Anstellung in der Agentur an, aber die Unternehmensleitung erklärt ihr, dass die Agentur aufgrund der Krise eine sehr schwierige Phase durchmache, dass sie aber mit ihrer Arbeit sehr zufrieden seien. Sie schlagen ihr vor, dass sie das Praktikum so lange fortsetzen könne, wie sie es wünsche, bis sie eine Anstellung gefunden habe. „Das habe ich akzeptiert“, fügt sie lakonisch hinzu.

Das dreimonatige Praktikum geht zu Ende, Ioana bleibt jedoch weiterhin Praktikantin. Sie will Erfahrungen sammeln, bis sie eine bezahlte Stelle findet. „Ich habe inzwischen das Niveau eines normalen Angestellten erreicht. Ich habe sogar meine eigenen Kunden, Verantwortlichkeiten und Aufgaben, die mir auch andere Abteilungen meiner Firma übertragen. Auf dem Papier und notgedrungen auf dem Konto bin ich jedoch immer noch eine einfache Praktikantin.“

Jede Art von Arbeit verdient eine Bezahlung

©generation-p.org„Die ersten, die in Krisenzeiten entlassen werden, sind die Jungen, die mit der geringsten Erfahrung“, erklärt die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (OSHA). „Außerdem suchen immer mehr junge Akademiker vergeblich einen Arbeitsplatz und akzeptieren deshalb Praktikumsstellen, auch ohne jegliche Absicherung. Von unserer Warte aus ist es eine unlautere Praktik, einen Praktikanten anstelle eines normalen Angestellten anzustellen“, erläutert Jukka Takala, Direktor der Agentur. Umso mehr als die Unternehmen den Praktikanten Verantwortung übertragen, selbst aber keine Verantwortung für Kranken- oder andere Versicherungen oder Pflichten, die ein Arbeitgeber zu erfüllen hat, übernehmen.

Eine Lösung des Problems ist jedoch nicht in Sicht. Die Situation der Praktikanten steht auf der Prioritätenliste der spanischen EU-Präsidentschaft nicht an erster Stelle. Und auch die schwedische Ratspräsidentschaft kann in den vier ihr noch verbleibenden Wochen nicht mehr viel bewirken. „Es steht fest, dass jede Art von Arbeit Bezahlung verdient. Das Praktikum ist eine gute Möglichkeit, um den Abstand zwischen der Theorie, die ein Jung-Akademiker während seines Studiums vermittelt bekommt, und der Praxis zu verringern. Ein regulärer Arbeitsplatz darf aber dadurch nicht ersetzt werden“, gibt der schwedische Arbeitsminister Sve Otto Littorin zu verstehen. Konkrete Maßnahmen lassen aber auf sich warten. Die einzige Antwort des spanischen Arbeitsministers lautete: „Ja, dieses Problem verdient unsere Aufmerksamkeit und wir müssen Lösungen auf nationaler Ebene finden.“

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Die unerwarteten Auswirkungen der Krise: Cafebabel berichtet direkt vom EU-Gipfeltreffen zur Kampagne „Gesunde Arbeitsplätze“, der am 17. November 2009 im spanischen Bilbao stattfand.

Die Zahl der Menschen, die Selbstmord begehen, weil sie ihren Arbeitsplatz verlieren bzw. weil sie keine Arbeit finden, ist dramatisch gestiegen. Selbst wenn es keine genauen Zahlen und Informationen im Bezug auf die Suizidrate gibt, so schätzt der Direktor von EU-OSHA, dass jene, die ihre Arbeit verlieren, zuallererst die Berufsanfänger sind. Ebenjene haben die größten Schwierigkeiten aufgrund der fehlenden Erfahrung eine Stelle zu finden. Auf europäischem Niveau ist die Zahl der Arbeitsunfälle gesunken. Dies lässt sich auf die gestiegene Arbeitslosigkeit vor allem in den Berufsgruppen mit erhöhtem Unfallrisiko zurückführen (Fischerei, Landwirtschaft und Baugewerbe). Trotzdem verlieren EU-weit jeden Tag 457 Menschen aufgrund von berufsbedingten Krankheiten oder Arbeitsunfällen ihr Leben. Im Vergleich zu einheimischen Arbeitskräften ist die Zahl der Todesfälle bei Immigranten zwei Mal so hoch.

Der im Original auf Rumänisch verfasste Artikel der Autorin ist hier zu lesen.

Translated from Stagiaires : de la chair à canon sur le marché de l’emploi