GEDANKEN ÜBER KAFFEE TO GO: Die HEISSE PAPPE MIT PROFESSIONELLEM SEX APPEAL
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Jeannette Carolin CorellODER DAS TASSENLOSE JAHRHUNDERT
Run Forest Run!
Run Coffee Run!
Der Pappbecher mit meinem Kaffee, der weder zerknickt, noch platzt noch aufweicht, entfaltet auf meinem Schreibtisch sein ganzes, unglaubliches Potenzial. Sie haben etwas Verblüffendes an sich, diese sinnlichen Behälter, die sich auf dem Territorium unserer kreativen Projekte als Accessoire behaupten.
Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber wenn ich meinen Kaffee ausgetrunken habe, bringe ich es nicht über mich, diesen Pappbecher wegzuwerfen, so als sei er einfach nur Abfall. Nein, ich behalte ihn auf meinem Schreibtisch, befleckt von Kaffeeleidenschaft, stundenlang. Und die unsichtbare Welt des Pappbechers umschließt die flüssigen, überlagerten Ringe des schwarzen Trunks.
Denken wir einmal darüber nach. Sehen wir jemals unseren Kaffee To Go? Wenn wir den Plastikdeckel überhaupt einmal anheben, dann doch höchstens, um zu kontrollieren, ob man uns auch wirklich Kaffee eingeschenkt hat und um flüchtig seinen Duft einzusaugen. Dann setzen wir den Deckel wieder auf, gewissenhaft hermetisch, bis sich die Kunststoffrille eisenhart in den Becherrand verkrallt: Ein kühnes Wechselspiel der Identitäten zweier Formen, die sich nur dann skizzieren, wenn sie sich im Kuss des Kreises vereinen. Nun ist der Kaffee in Stille versunken. Niemand weiß, ob er noch dampft oder nicht. Er hält still und lauscht auf unsere Hände an der anderen Seite des Bechers, wie sie über den Touchscreen gleiten. Einen Moment lang hast du ihn vergessen. Aber er bleibt dort, gleich neben deinem Tablet, unsichtbar atmend mit seiner Papplunge. Und dann benetzt derselbe unsichtbare Kaffee den Rand des geneigten Bechers und trifft auf deine Lippen: „Ich existiere! Für kurze Zeit!“ Die Zunge bestätigt. Dann stellst du den Becher auf den Schreibtisch zurück und vergisst wieder, dass er existiert und warum.
Du arbeitest weiter und die Pappe tanzt den Striptease der Abwesenheit, der Vergessenheit, des Wartens. Kaffee ist geräuschlos, seine einzige Sprache sind die Flecken auf Kleidung. Er macht der Baumwolle eine Eifersuchtsszene, er ist ganz verrückt nach Wolle, er verfolgt Leinen und entführt Kaschmir. Ein aufdringlicher Eindringling auf Oberhemden, über die er sich in der morgendlichen Eile und beim hektischen Schlucken mit Wonne ergießt. Die einzige Sprache des Kaffees sind die Flecken, die er hinterlässt. Er saugt den Reflex auf, indem er ihn negiert. Aber all das kann man nicht sehen, weil Kaffee To Go nicht unter dem freien Himmel in einer Porzellantasse ruht. Er lässt sich nicht blicken, er existiert nicht mehr, wenn er in einem Pappbecher unterwegs ist. Es existiert nur noch seine Hülle, der Becher, und je mehr man den Becher dreht und wendet, desto weniger existiert der Kaffee. Der schreiende Fleck ist nicht mehr Teil des Kaffees, gefangen in dicker, undurchlässiger, unerbittlicher Pappe. Der Kaffee selbst wird zu fleckenloser Pappe.
Je mehr man über Kaffee To Go spricht, desto mehr verliert er sich in den Worten, die ihn nicht sehen können. Worte öffnen keine Pappbecher. Je näher er der arbeitenden Hand ist, desto stärker schnürt ihn die Stille ein. Und dann, der Kaffee To Go ist seit Stunden fort, sie haben ihn schon lange fortgetragen. Und für mich bleibt kein To Go, kein langsames Abziehen der Papierschichten, kein Zerknüllen der reißfesten Pappe.
Das wahre Gesicht des Kaffee To Go: „Look at my face: my name is Might Have Been; I’m also called No More, Too Late, Farewell.“ (Edgar Auber)
Translated from Riflessioni intorno al caffè takeaway: il cartone "bollente" che ha tutto di professionalmente sexy