Frau Europas 2012 Jasmina Prpić: Anwältin ohne Grenzen
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Sie ist eine fröhliche Frau. Und das, obwohl sie viel Leid gesehen hat. Als Richterin, Anwältin und Mensch. Ende September wurde die Freiburger Juristin Jasmina Prpić mit dem Preis „Frau Europas 2012“ von der „Europäischen Bewegung Deutschland“ für ihr Wirken ausgezeichnet.
Jasmina Prpić ist in Banja Luka (Bosnien und Herzegowina) geboren. Damals lag Bosnien noch mitten in Jugoslawien, als Teil der sozialistischen Föderativen Republik. Ausgerechnet weil in einem sozialistischen Staat Juristen politisch nicht viel zu sagen haben, beschloss sie, Anwältin zu werden: „Ein kommunistisches System mit nur einer Partei regelt alles von oben. Ich wollte etwas anderes.“ Dass dies nicht leicht sein würde, merkte sie bereits nach Abschluss ihres Studiums. Ihre Bewerbung für das Richteramt wurde abgelehnt, weil sie noch nicht Mitglied der Kommunistischen Partei geworden war. Spricht Jasmina Prpić von diesen Dingen, zeigt sich, dass sie nicht nur fröhlich, sondern auch stark sein kann.
Als auf dem Balkan der Krieg ausbrach, floh die junge Frau mit ihrer Familie nach Deutschland. Der Neuanfang war schwer. Ihr Jurastudium wurde nicht anerkannt, sie ging putzen und kellnern, um Geld zu verdienen. Nebenher paukte sie die fremde Sprache. Fast zwanzig Jahre nach Abschluss ihres Jurastudiums schrieb sie sich erneut für ein Aufbaustudium an der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Freiburg ein.
Anwältinnen ohne Grenzen
Eine ihrer Hausarbeiten fiel schließlich Monika Hauser in die Hände, der „Frau Europas 1995“, die sich mit ihrer Organisation medica mondiale e.V. um traumatisierte Frauen und Mädchen in Krisengebieten verdient gemacht hat. Für den Verein reiste Prpić in den Kosovo, um drei Jahre lang potentielle Zeuginnen von Vergewaltigungsverbrechen vor das Haagener Tribunal zu begleiten und juristisch zu betreuen. Hier, angesichts der schrecklichen Schicksale, wurde ihr bewusst, wie stark Menschenrechte von ihrer gerichtlichen Durchsetzung abhängen: „Die Präsenz von Recht ist überaus wichtig, vor allem in kriegerischen Zeiten, wo die Mächtigen machen können, was sie wollen.“
Dass auch innerhalb Europas Unterschiede zwischen rechtlicher und faktischer Gleichstellung der Geschlechter bestehen, veranlasste Prpić auch zu ihrem Engagement für die Bekanntmachung des bereits vor dreißig Jahren abgeschlossenen, aber kaum beachteten UN-Übereinkommens (CEDAW) zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau.
Mit elf Kolleginnen unterschiedlicher Herkunftsländer gründete sie deshalb im Jahr 2007 den Verein Anwältinnen ohne Grenzen e.V. Die Anwältinnen kämpfen für den Abbau von Ungleichbehandlung im In- und Ausland. Ihr schlagkräftigstes Instrument sind juristische Mittel. „Ich bin mir sicher, dass wir nur auf diesen Wegen Gerechtigkeit schaffen können.“ Jasmina Prpić weiß, wovon sie spricht.
Mit juristischen Mitteln gegen den Tod
Nach dem Krieg hatte Prpić durch einen Zufall erfahren, dass sie aus der Rechtsanwaltskammer Bosniens ausgeschlossen worden war. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Entlassung, in der sie für tot erklärt wurde. Die Anwältin legte Widerspruch ein: „Denn ich lebe ja noch!“ Lange reagierte die Rechtsanwaltskammer gar nicht. Dann wurde ihr Antrag abgelehnt, wegen ‚Verjährung’. Prpić konterte und leitete einen Prozess ein. „Mit rechtlichen Mitteln lässt sich alles erreichen. Ich habe gewonnen und bin wieder ‚belebt’ worden.“ Fünf Jahre Kampf – bis endlich der höchste Gerichtshof in Bosnien entschied, dass Jasmina Prpić lebte und die Rechtsanwaltskammer verpflichtet sei, sie wieder aufzunehmen.
Wenn sie von ihrer Arbeit erzählt, wird ganz schnell deutlich: Prpićs Gegner ist nicht der eine oder andere Vergewaltigungstäter, der sich noch ausfindig machen lässt, sondern das, was überhaupt solche Taten ermöglicht hat. „Das ist das Traurigste daran“, sagt die 58-Jährige, „es geht nicht um die Täter, es geht um das System.“ Dieser Gegner ist groß und schwer zu fassen. „Wer hat Milošević gewählt? Nicht nur ein paar Nationalisten. Die Masse wählt diese einzelnen Personen, die dann später schwarze Schafe sind. Wer hat sie gewählt? Warum werden sie nicht abgewählt?“ Das sind Fragen, die über die Zukunft entscheiden. Prpić kümmert sich nicht nur um Vergangenheit, sondern sie blickt auch nach vorn. Sie will Aufklärungsarbeit leisten. Damit die Menschen aus der Vergangenheit lernen. „Sonst kommen die Kriege immer wieder. Wir müssen in den Köpfen etwas ändern.“
Netzwerkarbeit sei deshalb von größter Bedeutung. Der Preis „Frau Europas“ gliedert Prpić ein in die Gemeinschaft anderer engagierter Frauen, die sich seit 1991 im Rahmen der „Europäischen Bewegung Deutschland“ zusammenfinden. Mit der symbolischen Auszeichnung wird geehrt, wer sich durch mutiges, ehrenamtliches Engagement für Europa einsetzt. Jasmina Prpić freut sich auf die Zusammenarbeit. Denn auch wenn die Frauen in verschiedenen Bereichen tätig sind, haben sie eine gemeinsame Vision von einem friedlichen europäischen Zusammenleben. Deshalb heißt ihre Botschaft an junge Leute: Nicht wegschauen von der Politik! Aktiv einsteigen! Damit ‚Krieg’ tatsächlich nie wieder passieren kann.
Illustrationen: Teaserbild mit freundlicher Genehmigung (cc)Netzwerk Europäische Bewegung Deutschland/Facebook; Im Text: ©Anwältinnen ohne Grenzen