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'Frantz' - Paula Beer auf Europakurs

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Katha Kloss

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Die deutsche Schauspielerin Paula Beer dreht bereits mit einigen der größten europäischen Regisseure der zeitgenössischen Kinogeschichte - für ihren gerade angelaufenen Streifen Frantz von François Ozon gab es den Preis der besten Newcomerin in Venedig.

Zunächst recht selbstsicher schlendert Paula Beer am 10. September von der schwarzen Limousine in Richtung des roten Teppichs der 73. Internationalen Filmfestspiele von Venedig. Ein Bein elegant vor das andere gestellt, legt sie ihr natürliches Lächeln auf, das fast ein bisschen an die junge Laetitia Casta erinnert, während die Horde internationaler Fotografen ihr „Paula, one more time“ entgegenruft. Gleich hinter ihr kommt ihr französischer Schauspielkollege Pierre Niney mit blonder Begleitung im Schlepptau. Später wird es Paula Beer fast die Stimme verschlagen, als sie hoch auf die Bühne muss. Sichtlich gerührt dankt sie der Jury, den Kollegen, aber vor allem „Mama“. Die 21-jährige Deutsche hat den diesjährigen Nachwuchspreis des Festivals für ihre Rolle der 'Anna' in Frantz (François Ozon) gewonnen.

Paula Beer staubt nicht zum ersten Mal einen Filmpreis ab. In Deutschland ist sie schon längst ein Stern am Schauspielhimmel und hat bereits den Bayrischen Filmpreis gewonnen. Aber nun entdeckt man ihr Talent auch über die deutschen Landesgrenzen hinaus. In Venedig steht sie dieses Jahr neben Kollegin Emma Stone (aktuell in La La Land) als Preisträgern auf der Bühne. Vor ihr erhielten Hollywood-Schauspielerinnen wie Jennifer Lawrence oder Mila Kunis den begehrten Nachwuchspreis. Paula ist erst die dritte Deutsche, die in Venedig geehrt wurde.

Die schönsten Augenringe seit Romy

Nicht nur Italien, auch Frankreich hat die gebürtige Mainzerin zum französischen Filmstart von Frantz Anfang des Monats in den höchsten Tönen gelobt. Die französische Presse hat kein Blatt vor den Mund genommen und ziemlich direkt den Vergleich zu den Anfangsjahren von Romy Schneider gezogen. „Die schönsten Augenringe seit Romy“, tweetet ein Fan. Paula Beer, die mittlerweile das Französische gut beherrscht und nach den Dreharbeiten mehrere Monate in Frankreich verbrachte, macht diese Parallele alles andere als Angst: “Romy Schneider ist eine tolle Schauspielerin - mit ihr verglichen zu werden, finde ich sehr schmeichelhaft - ein großes Kompliment.“

Die deutsch-französische Ko-Produktion von François Ozon (8 Frauen) läuft am 29. September auch in deutschen Kinos an. Knapp vier Stunden dauert der Schwarz-Weiß-Film, in dem Paula eine junge Frau in einer deutschen Kleinstadt in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg spielt. Jeden Tag begibt sich Anna zum Grab ihres gefallenen Verlobten Frantz, bis eines Tages der junge Franzose Adrien (Pierre Niney) auftaucht und Annas Gefühlswelt, das Leben in der Kleinstadt Quedlinburg und auch die Schwarz-Weiß-Optik mit zeitlichen Farbeinschüben ordentlich durcheinanderwürfelt. Dann verschwindet er urplötzlich. „Nicht ich geistere Ihrem Sohn im Kopf herum, sondern Frantz“, sagt Anna zu Adriens Mutter, die sie nach seinem Verschwinden in Paris aufsucht und spiegelt in einem Satz die Wirrungen des Films wider.

Für das Frantz-Casting hat sich Paula Beer nicht allzu sehr den Kopf zerbrochen, eigentlich habe man in Deutschland ein bis zwei Wochen Zeit. Für Ozon hatte sie genau einen Tag - „da lag mein Fokus vor allem auf dem Textlernen“, erklärt sie. Aber plötzlich in einer anderen Sprache zu spielen, war neu und anders für die junge Hauptdarstellerin. „Man ist nicht so frei, die Emotionen reagieren nicht so einfach auf die fremde Sprache. Anfangs war es ungewohnt. Letztendlich  hat es mir aber auch eine große Freiheit gegeben, was paradox scheint. Aber fremd in einer Sprache zu sein, schafft einem auch den Vorteil alles zum ersten Mal und viel frischer zu erleben, nicht über Wörter oder zum Beispiel den 'alten Klang' der Sprache von 1919 nachzudenken.“

Von der Schulbank zum Schauspiel

Beer überzeugte die Jury des Marcello-Mastroianni-Preises mit ihrem zierlich-zurückhaltenden und subtilen Schauspiel, das die Rolle der Anna trotzdem in nichts von ihrer Stärke einbüßen lässt. In der Vergangenheit spielte Paula Beer eine Halbwaise (Poll 2010), eine Prinzessin (Ludwig II., 2012), die österreichische Witwentochter Luzi (Das finstere Tal, 2014) und eine psychisch angeknackste Jugendliche (4 Könige, 2015). Inspirieren lässt sie sich bei ihrer Arbeit von dunklen, oft auch nordischen Vorbildern: „Tilda Swinton beeindruckt mich sehr in ihrer Art. Aber zum Beispiel auch Björk. Mads Mikkelsen. Nick Cave. Jim Jarmusch. Da gibt es einige, die ich sehr toll finde.“

In Berührung mit der Schauspielerei kam die Tochter eines Künstlerpaares bereits sehr früh, in einem Theaterkurs ihrer Montessori-Schule: „Ich stand das erste Mal mit 8 Jahren auf der Bühne. Da war ich wahnsinnig aufgeregt, wollte vor Lampenfieber gar nicht auf die Bühne. Und als ich dann vor dem Publikum war, wollte ich gar nicht mehr runter von der Bühne“, erinnert sie sich. Mit gerade 14 Jahren wird sie von einer Schauspielagentin in der Schule angesprochen, ob sie Bock auf ein Casting hätte. Es handelte sich um Chris Kraus‘ Historiendrama Poll (2010) - dann kam der Durchbruch.

Für 2017 hat Paula Beer gerade den neuen Film Werk ohne Autor von Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck (Das Leben der Anderen) abgedreht. In dem Psychothriller zur deutsch-deutschen Geschichte spielt Beer Ellie, die Jugendliebe des jungen Künstlers Kurt Barnert, der von der DDR in die BRD flieht und dort versucht seine Vergangenheit aufzuarbeiten. Heute ärgert sich bestimmt auch Regisseur Volker Schlöndorff, der die ursprünglich mit Paula gedrehten Szenen in seinem historischen Drama Diplomatie (2014, mit Niels Arestrup und André Dussollier) herausgeschnitten hatte. Denn Paula Beer zeigt leise und beständig, dass sie längst Kurs auf Europas große Leinwände genommen hat.

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