Frankreichs „erster Bulle“ greift wieder durch: Was steckt hinter Sarkozys Ausbürgerungsplänen?
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Julia-Carolin BrachemEin Vorschlag sorgt für Aufregung in den europäischen Medien: Der französische Präsident will jeder Person mit Migrationshintergrund, die eine Amtsperson angreift, die französische Staatsbürgerschaft entziehen. Steckt dahinter ein ernsthaftes politisches Vorhaben – oder ist das Ganze vielmehr ein Versuch, von kontroversen Themen abzulenken?
„Dieser populistische und widerliche Diskurs zeigt die Kopflosigkeit des Elysée-Palastes, der nicht mehr weiß, wie der Popularitätsverlust des Präsidenten noch gestoppt werden kann“, ereifert sich die belgische Tageszeitung Le Soir. La Tribune de Genève stellt im Gegenzug fest: „Franzosen ohne Migrationshintergrund, die Ordnungskräfte niederschlagen, dürfen also ihren Pass behalten.“ Hat da noch jemand Fragen?
In Frankreich hat die Meldung eingeschlagen wie eine Bombe. Die Tageszeitung El País weiß warum und erinnert daran, dass das Konzept des „Nationalitätsentzugs“ auf den Zweiten Weltkrieg zurückgeht. Damals hatte das mit den Nationalsozialisten kollaborierende Vichy-Regime 15.000 Personen, vor allem Juden, ihre Nationalität entzogen. Aus diesem Grund fragt sich La Tribune de Genève, ob es zukünftig eine Kategorie für „Franzosen“ und eine für „Fast-Franzosen“ geben wird.
Im „Sommerloch“ liegen traditionell alle Medien auf der Lauer und stürzen sich auf die kleinsten Fehltritte. Da hätte Sarkozy sich besser diskret verhalten. Auf die Polizisten, die Sarkozy vordergründig vor den ausländischen „Bengeln“ verteidigen möchte, wird in der britischen Presse mit dem Finger gezeigt. The Guardian und The Independent berichten über ein Video, dass auf der Internetseite Médiapart veröffentlicht wurde: Es zeigt die Härte der französischen Polizisten gegenüber 150 Frauen afrikanischer Herkunft, die am 21. Juli mit außergewöhnlicher Gewalttätigkeit aus einem besetzten Haus in La Courneuve vertrieben wurden. „Sarkozy möchte die Aufmerksamkeit weglenken von den so schädlichen politischen Skandalen und seinem derzeitigen Umfragetief“, vermutet The Independent.
Nur Maurizio Ferrera vom Corriere della Sera erkennt Gutes in der Ankündigung Sarkozys, Sohn ungarischer Migranten. In einer Zeit, wo weder das Blut- noch das Bodenrecht strikt angewendet werden, erscheint es ihm eine gute Idee, die Staatsbürgerschaft von „Bewährungsproben“ abhängig zu machen. Warum nicht die europäische Staatsbürgerschaft vor die nationale Staatsbürgerschaft stellen, fragt sich der italienische Chronist. Der „erste Bulle Frankreichs” Sarkozy hat in jedem Fall seine Sommerwette gewonnen: Nicht ein Wort über die Untersuchung der Bettencourt-Spendenaffäre in den europäischen Zeitungen. Kein Wunder, die ganze Welt spricht nur über ihn – selbst wir!
Foto : ©azraiman/flickr; Video : Médiapart/Daily Motion
Translated from Sarkozy : mais pourquoi est-il si méchant ?