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Frankreich setzt Anbau von Genfood aus. Kippt Brüssel diese Entscheidung?

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JSeb 2.0

Pariser Stadtgeflüster

Der Artikel ist auf Französisch in der Zeitung La Parisienne am 15. Januar 2008 erschienen..   Nach langem Zögern hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy entschieden, eine Ausnahmeregelung wahrzunehmen, um in Frankreich die Aussaat und die kommerzielle Nutzung von genetisch verändertem Mais auszusetzen. Die EU hatte den Anbau autorisiert.

In diesem Jahr wird es in Frankreich keine Aussaat und keine Ernte der Maissorte MON 810 geben. Frankreichs Präsident Sarkozy hat entschieden, den Anbau und den Verkauf des einzigen genetisch veränderten Nahrungsmittels, dessen Anbau auf den Feldern der EU zugelassen ist, auf französischem Boden vorläufig auszusetzen. Sarkozy beruft sich auf eine Klausel, die in „triftigen Gründen“ eine Ausnahmeregelung von der EU-Gesetzgebung ermöglicht.

 

Tod den Zünsler-Schmetterlingen! Aber auch anderen…

Eine Studie der Behörde für genetisch veränderte Nahrungsmittel (die nach dem Umweltgipfel „Grenelle de l’Environnement“ ins Leben gerufen wurde) verweist auf eine „deutliche Anzahl neuer wissenschaftlicher Fakten über die negative Auswirkung auf Fauna und Flora“.

Im Gegensatz zu den Ergebnissen vorhergehender Studien scheint es dass die Verbreitung des Pollens auf den Feldern mit genetisch veränderten Nahrungsmitteln schwerwiegender ist als bisher angenommen und dass einige Insektensorten darunter direkt zu leiden haben. Ursprünglich war die Maissorte MON 810 genetisch verändert worden, um ausschließlich den Zünsler fernzuhalten, einen Schmetterling, der die Blätter der Maispflanze befällt.

Trotz der Entscheidung des Präsidenten, der das Prinzip der Vorsicht wählt, was von Umweltorganisationen begrüßt wird, ist die Angelegenheit aber noch nicht endgültig abgeschlossen.

Zusätzlich zu der Verteidigungskampagne, die Monsanto (der Fabrikant von MON 810) vermutlich führen wird, muss sich Frankreich wahrscheinlich auch auf einigen Ärger auf europäischer Ebene gefasst machen.

Brüssel gegen seine Mitgliedsstaaten

In der Vergangenheit hatten bereits Deutschland, Österreich, Griechenland, Ungarn und Polen zunächst aus den gleichen wissenschaftlichen Gründen diese Ausnahmeregelung für sich in Anspruch genommen, später aber andere Studien veröffentlicht.

Darüber hinaus muss das Moratorium im Rahmen der europäischen Reglementierung erst durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit bewilligt werden. Bislang hat sie dies stets verweigert, da ihrer Meinung nach keine wissenschaftlichen Beweise vorgelegen hätten. Es ist also fraglich, ob die Schlussfolgerungen der Wissenschaftler der französischen Forschungsgruppe überzeugender sind – man kann nie wissen.

Aber gleichzeitig konnte die europäische Kommission ihre Mitgliedsstaaten noch nie zwingen, ihre Entscheidung zu revidieren. Dafür bräuchte es eine qualifizierte Mehrheit unter den 27 Wirtschaftsministern. Und im Großen und Ganzen sind die europäischen Staaten sehr vorsichtig, wenn es um genveränderte Lebensmittel geht. Sie wissen, dass die öffentliche Meinung größtenteils dagegen ist.

Die Europäer gegen den Rest der Welt

Die letzte Abstimmung dieser Art hatte Österreich ausgelöst. Sie endete mit einer deutlichen Niederlage für die Genfood-Befürworter. Nur Großbritannien, die Niederlande, Schweden und die Tschechische Republik unterstützten die Position der EU-Kommission, die das Ansehen genveränderter Nahrungsmittel in Österreich rehabilitieren wollte.

Frankreich hat damals die österreichische Position unterstützt und bekräftigt seine Zustimmung mit dem Vorstoß, auf nationaler Ebene als Vorsichtsmaßnahme ein Aussetzen des Genfood-Anbaus durchzusetzen.

Damit provoziert Frankreich den Ärger der anderen nicht-europäischen Länder wie den USA, Argentinien oder Kanada, die die Angelegenheit vor die Weltwirtschaftsorganisation bringen. Mit dem Moratorium verschließt sich der französische Markt auch den Agrarprodukten dieser Länder, in denen genetisch veränderte Nahrungsmittel stark verbreitet sind.

Europa neu denken?

Im vergangenen Oktober konstatierte der portugiesische Wirtschaftsminister Francisco Nenes Correia, dass eine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten hinsichtlich der genetisch veränderten Nahrungsmittel gegen die Vorgaben der EU-Kommission ist. Gleichzeitig bemerkte er, dass normalerweise der Wille der Letzteren von allen Mitgliedsstaaten als Norm zu respektieren sein sollte. Dieser Fall verdiene laut Correia ein erneutes Überdenken der europäischen Strukturen. Eine entsprechende Debatte der EU-Kommissare soll Anfang Februar 2008 stattfinden.

Anfang Februar, das ist auch der Zeitpunkt, an dem Regierung von François Fillon die Genfood-Angelegenheit vor das französische Parlament bringen möchte.

Im zweiten Halbjahr 2008 übernimmt Frankreich auch die Präsidentschaft der Europäischen Union. Wenn Nicolas Sarkozy auch bereits angekündigt hat, sich während seiner Amtszeit mit der Reform der europäischen Agrarpolitik zu befassen, hat er jedoch noch nicht gesagt, wie er die Frage der genveränderten Lebensmittel behandeln will.

Jean-Sébastien Lefebvre.

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