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Foodsharing: Rettet mein Essen vor dem Müll!

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LifestyleMjam Yum

Wie wäre es, wenn wir in einer Welten leben würden, in der kein Essen mehr weggeschmissen würde? Raphael Fellmer hatte die Idee das Essen zu retten, das Betriebe kurz vor Verfallsdatum oder nach Feierabend sonst einfach entsorgen. Mit Hilfe der Online-Plattform Foodsharing wurden in Deutschland bereits tausende Kilo Speisen vor dem Wegwerfen gerettet.

Cafébabel: Kannst du uns die Idee von Foodsharing beschreiben?

Raphael Fellmer: Wenn Menschen in den Urlaub fahren und zu viele Äpfel im Garten haben und nicht wissen wohin damit, oder sie sind auf einmal Vegetarier geworden und sie haben noch Fleisch zu Hause, dann sollten sie Foodsharer werden. Oder sie haben einen zu großen Kuchen für die Geburtstagsparty gemacht und schaffen es nicht ihn aufzuessen. Überall da wo Überschüsse anfallen, vor allem auf privater Ebene, können diese einfach online eingestellt werden. Dann kann das Essen von Anderen angefragt werden.

Raphael Fellmer über Foodsharing auf WDR

CB: Wie kommt man dann an das Essen?

RF: Also man verabredet sich zu einem Treffpunkt. Meistens passiert das zu Hause, aber es gibt auch Leute, die anonym bleiben wollen, die sich vielleicht nicht trauen, andere Menschen zu sich nach Hause einzuladen. Man trifft sich an der U-Bahnstation oder an der Uni, oder an inzwischen über hundert Fair-Teiler. Ein Fair-Teiler ist so wie eine Bücherkiste, aber für Lebensmittel. Hier kann jede Person einfach was reinlegen oder rausnehmen, ohne das die Menschen direkt Kontakt aufnehmen. Der Essenskorb ist einfacherer und ein weniger computerbelastet. Es gibt mittlerweile über 100 Fair-Teiler in Unis, Umsonstläden, urbanen Gärten, Bauernhöfen oder in sozialen Einrichtungen.

CB: Wer gibt sein Essen weiter?

RF: Privatpersonen aber auch Händler, Produzenten, Bäckereien, Kantinen, Restaurants und Bauern. Eigentlich alle, die irgendwie mit Essen zu tun haben. Die Lebensmittel, die sie übrig haben, können sie einfach weitergeben. Die Tafeln und andere Organisationen retten ja schon seit 20 Jahren Lebensmittel. Das ist eigentlich das gleiche, was die Foodsharer machen, nur dass es auf sehr viel kleinerer Ebene passiert. Zum Beispiel, wenn ein kleiner Bäcker oder Gemüsehändler an der Ecke Brötchen nicht verkaufen kann, dann lohnt es sich für die Tafel gar nicht dorthin zu fahren.

CB: Fühlen sich jetzt schon manche Supermärkte durch euer Konzept bedroht?

RF: Mit großen Supermarktketten auf Bundesebene haben wir noch nicht so viele Kooperationen, aber regionale Kooperationen gibt es schon. Da die Lebensmittelverschwendung derzeit bei 50 Prozent liegt, werden wir im Moment wie ein Tropfen auf den ganz heißen Stein gesehen. Für einige sind wir schlicht Entsorger. Den meisten Betrieben, mit denen wir kooperieren, liegen die Lebensmittel aber am Herzen. Mit uns machen sie ja keine Verlustgeschäfte, sondern sie verdienen sogar noch dran, weil sie oft nur noch die Hälfte ihrer Bio- und Restmülltonnen brauchen. Wir kommen zu flexiblen Zeiten und holen ja kostenfrei ab. Neben den ökonomischen Gewinn, tun sie auch noch was für ein gutes Gewissen. Immer mehr Chefs und Angestellten ist es wirklich wichtig, dass Essen nicht weggeschmissen wird.

CB: Glaubst du, dass Foodsharing überall funktionieren kann?

RF: Rechtlich sind wir in der EU relativ ähnlich. Wir haben eine Rechtsvereinbarung ausgearbeitet, die relativ besonders ist. Alle Foodsaver übernehmen selbst Verantwortung. Bei Foodsharen ist jeder für sich selbst verantwortlich, sprich: wenn du dir den Magen verdirbst, dann ist das nicht die Schuld des Kooperationsbetriebes, oder des Vereins. Du musst selbst dafür sorgen, dass du genießbares Essen auf dem Teller hast. Im Zweifel solltest du das Essen lieber wegschmeißen. Foodsharer müssen daher viel Eigenverantwortung mitbringen. Derzeit sind wir im vollen Gange die Internationalisierung von Foodsharing voranzutreiben, damit bald überall fleißig Lebensmittel gerettet werden können.

Mülltauchen und Foodsharing

CB: Gab es auch schon einmal schlechtes Feedback? Ist schon mal schlechtes Essen unter die Leute gekommen?

RF: Offiziell sind auf foodsharing.de 10.000 Essenskörbe geteilt worden. In Wirklichkeit sind das aber viel mehr. Die wenigen Fällen, bei denen sich mal jemand den Magen verdorben hat sind zu vernachlässigen, denn wir alle wissen, das hätte auch im Restaurant nebenan passieren können.

CB: Du lebst aktuell ohne Geld zu verdienen oder welches auszugeben. In welchem Moment hast du aufgehört Geld zu besitzen?

RF: Angefangen hat alles im Jahr 2010, als ich mit zwei Freunden eine geldfreie Weltreise begonnen habe. Wir sind damals einfach losgetrampt. Für mich war das nur ein Experiment. Kann man sich ohne Geld von Europa nach Mexiko bewegen? Auf der Reise sind mir dann so viele Zusammenhänge klargeworden, dass ich während der Atlantiküberquerung die Entscheidung getroffen habe, auch nach der Rückkehr geldfrei zu leben. Ich wollte nicht mehr zurück in die Geld- und Konsumwelt. Ich fand es sinnlos, irgendwelche Einnahmen aus irgendwelchen Jobs zu haben, um Dinge zu kaufen, die sowieso schon da sind. Ich wollte lieber vorhandene Ressourcen bestmöglichst nutzen und Bewusstsein für die Möglichkeiten, die uns heute gegeben sind, aufzeigen. Unser Umgang mit Wohnraum, Essen und Geräten führt uns klar vor Augen, dass wir in einer hoffnungslosen Verschwender- und Überflussgesellschaft leben. Wenn wir nicht anfangen, den Wandel selbst zu leben, dann wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

CF: Verzichtest du aufgrund des Geldboykotts auch auf Kino, Theater oder ins Stadion gehen?

RF: Ich bin jetzt sowieso nicht so der Unterhaltungsmensch. Wenn mich jemand mal ins Restaurant einlädt, dann nehme ich dahin nicht meine geretteten Brötchen mit. Eigentlich koche ich aber selber am liebsten und verarbeite so meine geretteten Lebensmittel, anstatt mich irgendwo bedienen zu lassen. Im Kino war ich auch nur ein paar Mal. Ich habe genug zu tun, aber wenn ich mir einen Film angucken möchte, dann kann man das ja auch zu Hause machen. Musik, Bars und Disko sind für mich schon lange vorbei. So habe ich auch kein Verzichtgefühl, ich habe ja jetzt das Glück einer Familie und die erfüllt mich sehr!

Das 4. Foodsharing Treffen findet in Berlin vom 12. - 14. September 2014 statt. Mehr dazu findet ihr hier