Foodcoops in Europa: Bio für alle!
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Wer glaubt, Biolebensmittel gönnen sich nur verwöhnte Hausfrauen und reiche Gourmets, täuscht sich gewaltig. Das beweisen die in ganz Europa aktiven Foodcoops. Dank ihrer Initiativen sind ökologisch wertvolle und fair gehandelte Produkte mittlerweile auch für arme Studenten mit BAföG-Schulden erschwinglich.
Wie wäre es heute mit einer Gemüselasagne? Zum Nachtisch vielleicht ein Pfirsichsorbet mit kandierten Preiselbeeren? Und das Ganze mit regionalen Produkten aus ökologischem Anbau zubereitet? Bei dieser Aussicht läuft selbst überzeugten Fertiggerichtanhängern das Wasser im Munde zusammen. Den Gang in den nächsten Supermarkt kann sich der überzeugte Bio-Gourmet allerdings sparen – denn schließlich hat er ja seine Foodcoop!
Lebensmittelkooperativen oder Foodcoops (Abkürzung von food cooperative; A.d.R.) folgen einem einfachen Prinzip: Der Zusammenschluss von Konsumenten bündelt deren Kaufkraft und steigert die Nachfrage. Da die Foodcoops Lebensmittel aus ökologischem Anbau in größeren Mengen abnehmen können, sind Bauern und Lebensmittelhändler wie Bioland oder Rapunzel auch zu einem Preisnachlass bereit. Die Mitglieder der Kooperativen sparen durch ihre Gemeinschaftsinitiative allerdings nicht nur Geld, sondern schaffen auch eine Alternative zum einsamen Shoppen im Supermarkt.
Der Traum von Biolebensmitteln für jeden Geldbeutel
Die Pioniere der Foodcoop-Bewegung begannen in den 1970er Jahren ihren Traum von günstigen Biolebensmitteln für alle zu verwirklichen. Die Idee verbreitete sich schnell in ganz Europa, doch während die Kooperativen in Deutschland und England immer wieder Neugründungen zu verzeichnen hatten, sind sie in Frankreich auch heute noch keine Alternative zum Angebot der Supermarkt-Ketten. Es kommt dort allerdings noch häufiger vor, dass Verbraucher in ländlichen Regionen direkt erntefrisch beim Bauern kaufen. Die Idee, die dahinter steckt, ist aber die gleiche: Biolebensmittel sind besser für Mensch und Natur und billiger direkt beim Erzeuger zu beziehen.
Das Credo der Foodcoops ist auch in Zeiten des Bio-Wahns, dessen Marktschreier sogar Kiwis aus Südafrika in Europa mit einem Biosiegel versehen, noch revolutionär: Der Anbau von Lebensmitteln muss natürliche Ressourcen schonen und Natur und Umwelt schützen. Was bei den Mitgliedern der Kooperativen auf dem Teller landet, soll daher schadstofffrei und nach ökologischen Kriterien angebaut worden sein. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Lebensmittelkooperativen e.V. (auch Foodcoop Bundes AG genannt; A.d.R.) kämpft allerdings auch dafür, dass pestizidfreie Nahrungsmittel nicht nur in den Vorratskellern der Foodcoops landen. Deshalb unterstützt sie Otto-Normalverbraucher bei der Umstellung ihres Konsumverhaltens. Wichtige Ansatzpunkte wie Verpackungsvermeidung, Transportwegminimierung und die Bevorzugung von regionalen und saisonalen Produkten stehen dabei ganz oben auf der Liste. Es lässt sich schließlich auch ohne importierte Orangen aus Spanien oder Ananas aus Brasilien leben!
Individuelle Versorgung mit Lebensmitteln verhindert Überproduktion
Der Pressesprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft, Tom Albrecht, hat den Eindruck, dass sich Foodcoops häufig aus „Menschen mit mehr Zeit als Geld“ zusammensetzen. Besserverdiener, die sich für Biolebensmittel interessierten, bevorzugten meist den Einkauf in Bioläden. „Foodcoops sind jedoch die ökologischere Variante“, versichert Albrecht, denn nur sie könnten gezielt die Nachfrage ihrer Mitglieder befriedigen. Je mehr lokale Erzeuger die Lebensmittelversorgung übernehmen, desto kürzer seien die Transportwege: Der Bauer oder Großhändler, der mit einer Foodcoop zusammen arbeitet, lade die Sammelbestellung der Mitglieder meist an einer zentralen Stelle ab, die für alle leicht erreichbar sei. Bioläden hingegen müssten immer auch Profit machen und seien gezwungen, auch nur sehr selten gekaufte Lebensmittel im Sortiment zu führen.
Eine Idee der 68er treibt unverhoffte Blüten
Die Organisation der Foodcoops erinnert dabei immer noch ein wenig an die guten alten Siebziger Jahre: Die Kooperativen setzen auf die freiwillige Mitarbeit ihrer Mitglieder. Daniela, Ethnologie-Studentin aus Münster, leistet ihren Anteil, indem sie die Lieferungen in ihrer Wohnung empfängt. Die bestellten Waren verteilt sie an die Mitglieder, die einer nach dem anderen bei ihr vorbei kommen. Die Foodcoop in Münster hat sogar ein Bestellsystem im Internet entwickelt. Auf ihrer Website kann man sich aber nicht nur den Einkaufskorb füllen, sondern auch seine Rechnungen begleichen. Nachdem jedes Mitglied der Gemeinschaft ein Startguthaben überwiesen hat, kann nach Belieben bestellt werden. Die Kosten bucht jeder von seinem eigenen Konto ab - kontrolliert wird das Ganze aber nicht. Das System der Foodcoops baut also auf dem Vertrauen der Mitglieder zueinander auf und wer der Gruppe beitreten möchte, muss sich nicht nur persönlich den anderen Mitgliedern vorstellen, sondern auch so häufig wie möglich zu den Versammlungen erscheinen.
Wer echtes Interesse signalisiert und seine ökologische Überzeugung glaubhaft macht, kann sich wöchentlich über frisches Gemüse vom nahen Bauernhof und sogar Brot aus der Bio-Bäckerei freuen. Im Einkaufskorb liegen so im Monat September Kohlrabi, Pilze und Fenchel neben Brombeeren und Biobretzeln. Die obligatorische Ananas mag da zwar fehlen – aber angesichts des reichhaltigen regionalen Angebots wird sie sicher nicht vermisst.