Food und Feminismus: Die Berliner Vegan-Queen Sophia Hoffmann
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Früher war sie Musikjournalistin und DJ, heute ist Sophia Hoffmann als vegane Köchin, Autorin und Bloggerin unterwegs. Die Wahlberlinerin verbindet vegane Kochkunst mit feministischen Themen und will Frauen in der Gastro-Szene Mut machen, ihre Ideen umzusetzen und ihren eigenen Weg zu gehen.
Ihr Aha-Erlebnis hatte Sophia Hoffmann 2010. Da las sie in der Zeitung einen Artikel über den Zusammenhang zwischen Tierhandel und Klimawandel. Und dann gab es noch diesen Satz in Jonathan Safran Foers Buch Tiere essen, der sich auf den Antibiotika-Einsatz in der Massentierhaltung bezieht: „Nur ein krankes Tier ist ein kontrollierbares Tier“. Für Sophia war nach dieser Lektüre klar, dass das „unethisch“ ist und sie Konsequenzen ziehen würde: „Ich beschloss, diese Industrie nicht mehr zu unterstützen“. Eine Entscheidung, die am Ende eines längeren Prozesses stand. Sophia wuchs als typisches Ökokind in den 1980ern auf, ein gewisses Bewusstsein für Umwelt und Ernährung wurde ihr also schon früh mit auf den Weg gegeben. Als Erwachsene aß Sophia erst weniger Fleisch, dann ernährte sie sich vegetarisch, bevor sie schließlich auf eine komplett tierfreie Ernährung umstieg.
Die Königin auf der Erbse
Ihre neue Ernährungsweise passte gut zu Sophias Liebe zum Kochen und ihrem Engagement. „Wir alle werden in Zukunft nicht drumrum kommen, ein paar Schnitzel weniger zu essen, wenn wir unseren Kindern eine Zukunft auf diesem Planeten sichern wollen“, sagt Sophia auf ihrem Podcast. Zwar ist die Enddreißigerin keine gelernte Köchin, hat jedoch seit ihrem 16. Lebensjahr immer wieder in der Gastronomie gearbeitet und von jeher leidenschaftlich gerne Freunde und Bekannte bewirtet. Aber Kochen zum Beruf machen? Daran dachte Sophia lange nicht: Sie arbeitete zunächst 10 Jahre lang als freie Journalistin und DJ, erst durch das Bloggen merkte sie, dass Kochen und vor allem veganes Kochen ihr zentrales Thema ist. Auf ihrem Blog stellte Sophia deshalb ab 2011 simple und oft farbenfrohe vegane Gerichte vor, immer lässig, immer locker und zugänglich. Vor allem das 'Veganer-Bashing' nervte Sophia, als seien Veganer farblose, griesgrämige Menschen ohne Energie und Lebensfreude, erklärt sie ihrem Publikum auf einer der vielen Konferenzen, auf die sie eingeladen wird.
Schon 2012 gab es daraufhin die ersten Anfragen nach sogenannten SupperClubs, also Dinner-Abenden, die Sophia daraufhin in Berlin ins Leben rief. Bald folgten Hamburg, München, Zürich und andere Städte. Die gebürtige Münchnerin kochte ihre eigenen Rezepte und kam damit super an. Sie mag ihr mobiles und flexibles Konzept, ein eigenes Restaurant schließt sie für die Zukunft trotzdem nicht aus. In ihrer Wahlheimat Berlin hat Sophia bereits dabei geholfen, das Letitbe mit aufzubauen, eine rein vegane Crêperie in Neukölln, die auch Sandwiches, Burger und andere pflanzliche Leckereien auf dem Speiseplan hat. Im heimischen Kühlschrank von Sophia Hoffmann dürfen vor allem folgende Zutaten nicht fehlen: „Verschiedene Senfsorten, Marmeladen, Misopasten, Pickles, Currypaste, selbst gemachtes Kombucha, Wasserkefir und Hafermilch“, zählt sie auf.
Weil ihre gastronomischen Tätigkeiten und das Kochen offenbar noch nicht genug für Energiebündel Sophia sind, schreibt sie neben Blogtexten auch Bücher. 2014 erschien ihr erstes Kochbuch Sophias vegane Welt, 2016 folgte Vegan Queens. Letzteres, von Sophia liebevoll als „eierlegende Wollmilchsau“ bezeichnet, bringt vegane Ernährung und Feminismus zusammen. In zehn Menüs stellt Sophia zehn Geschichten über von Frauen gegründete Food-Unternehmen vor. Es geht also nicht ausschließlich um fleischfreie Rezepte wie Calzone mit Spinat-Basilikum-Walnuss-Cashew-Mozarella-Füllung oder Möhren-Kurkuma-Hirse-Knusperbällchen mit Zimtmayonnaise, sondern auch um Unternehmerinnen in der immer noch männlich dominierten Gastronomie. „Viele Frauen sind oft zu bescheiden was ihre Karriere und ihre beruflichen Erfolge angeht, sie 'machen einfach'. Ich wollte all die von mir ausgewählten Frauen auf einen Thron setzen, sie nicht nur sichtbar machen, sondern angemessen würdigen, deshalb habe ich sie zu 'Königinnen' gekrönt“, erklärt Sophia ihr Konzept. Auf Bühnen und bei Präsentationen, erzählt Sophia, stände sie meist als einzige Frau neben lauter Männern - dabei seien gerade in der vegan-vegetarischen Szene sehr viele Frauen als Unternehmerinnen tätig. Vegan Queens zeigt, dass es diese unternehmerischen Frauen in der Branche gibt und will Mut machen, die eigenen Ideen in die Tat umzusetzen.
Intro zu Sophias YouTube-Kanal 'Sophias vegane Welt'
Vegane Ernährung und feministische Überzeugung
Was genau hat Veganismus denn nun mit Feminismus zu tun? Tatsächlich gibt es durchaus Überschneidungen - in den 1970ern, 1980ern und 1990ern gehörte der Verzicht auf Fleisch quasi selbstverständlich zum guten feministischen Ton. Das Standardwerk zu diesem Thema veröffentlichte 1990 die US-amerikanische Autorin und Aktivistin Carol J. Adams: In Zum Verzehr bestimmt - eine feministisch-vegetarische Theorie legte sie dar, dass in einer patriarchalen, fleischessenden Gesellschaft, sowohl Frauen als auch Tieren der Subjektstatus abgesprochen wird. Beide können nicht über den eigenen Körper bestimmen. Für viele Feministinnen sind die Parallelen zwischen der Unterdrückung von Tieren und der von Frauen offensichtlich. Beispiel Milch: Um diese zu produzieren, muss eine Kuh schwanger sein, also wird sie wiederholt zwangsgeschwängert - ein Akt sexualisierter Gewalt.
Sophia hingegen findet es schwierig, einen konkreten Zusammenhang zwischen veganer Ernährung und feministischer Überzeugung herzustellen. In ihrem Fall, erklärt sie, käme einfach beides zusammen: „Ich bin bekennende Feministin und finde es schlimm, dass es Menschen gibt, für die dieser Ausdruck eine Art Schimpfwort ist. Ich setze mich für die Gleichheit aller Menschen ein, egal welchen Geschlechts, welcher sexueller Orientierung oder Glaubenszugehörigkeit.“ Auf die Frage, was ihre Vision der 'Frau am Herd' ausmache, hat Sophia Hoffmann vor allem eine ziemlich simple Gegenfrage parat - „Würde ein 'Mann am Herd' jemals diese Frage gestellt bekommen?“
Mehr Miteinander und gegenseitige Unterstützung, dafür setzt Sophia sich auch im heimischen Berlin ein. Hier gehört sie dem Frauen-Netzwerk Feminist Food Club an. Erst Anfang 2017 gegründet, umfasst dieses schon mehrere hundert Mitglieder: Frauen aus allen Bereichen der Koch- und Gastronomie-Szene, darunter Köchinnen, Unternehmerinnen, Food-Journalistinnen. Es gibt ein Online-Netzwerk sowie monatliche Treffen, bei denen die Mitglieder Vorträge halten - viele dieser Vorträge haben etwas mit Genuss und Essen zu tun, manche widmen sich aber auch Themen wie Kind und Karriere. Auch Sophia hat schon einen Vortrag gehalten und ist bei fast jedem Treffen dabei: „Durch den Feminist Food Club habe ich unzählige tolle neue Kontakte geknüpft und kann auf ein starkes und sehr hilfsbereites Netzwerk zurückgreifen. Ich wünschte, das gäbe es nicht nur hier in Berlin, sondern überall.“
„Herstory“
Am 8. März, dem Weltfrauentag, wird Sophia als eine von sechs Köchinnen in der New Yorker James Beard Foundation ein Dinner kochen. Das Motto der Veranstaltung lautet: Women chefs rule: the vegetable edition. Vegan-Queen Sophia freut sich, für sie ist die Beard Foundation so etwas wie die „Carnegie Hall des Kochens in den USA“, wie sie auf Instagram schreibt. „Es ist für mich eine außerordentliche Ehre zu diesem ganz besonderen Anlass kochen zu dürfen. Klar habe ich mir da etwas Besonderes überlegt“, so Sophia. „Es gibt eine Reminiszenz an das Lieblingsgericht meiner Kindheit: Kärntner Kasnudeln - eine österreichische Spezialiät, von mir veganisiert: Pasta gefüllt mit Kartoffeln, Mandelricotta, Schnittlauch und frischer Minze. Dazu Semmelbrösel, natürlich aus rotem Brot.“
Anfang dieses Jahres war Sophia schon einmal in New York, zusammen mit 20.000 anderen Menschen lief sie beim Women’s March mit und demonstrierte für Gleichberechtigung und respektvolles Miteinander. Sie findet: „In Zeiten von rechten Hetzparolen und Extremismus ist Feminismus ein Teil von dem, wofür es zu kämpfen und sich einzusetzen gilt. Und ich bin froh, meine Stimme dafür nutzen zu können.“ Ihre Stimme - und ihren Kochlöffel.
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Voglio Mangiare Così zeigt, was auf den Tellern des Alten Kontinents so los ist. Welche alternativen Ernährungsformen gibt es unter jungen Europäern? 8 Wochen - 8 Porträts.
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