Flucht nach vorne: Es gibt ein Leben nach Erasmus
Published on
Ein Gespräch mit Fiorella über den ‚Erasmus-Effekt‘: Auslandsstudium, Grenzerfahrung, Lebensphase. Willkommen auf Eurogeneration, Fiorella. Kannst du in fünf Worten deine Erfahrungen während des Erasmusjahres zusammenfassen? Hallo Adriano, und danke für die Einladung. Also, das Klischee ist ja: Alkohol, Sex, Party, Freunde und Unterhaltung.
Aber ich denke, ein Jahr im Ausland bedeutet etwas anderes und vor allem wesentlich mehr als das: die Möglichkeit, sich auszuprobieren, sich mit anderen auseinanderzusetzen, noch einmal ein ganz neues Leben anfangen, ein reiferes und bewußteres Leben. Das sind schon mehr als fünf Worte – aber es ist auch schon zwei Jahre her, seit ich 2004/05 in Alicante war.
Hast du das Post-Erasmus-Syndrom überwunden?
Nein, eigentlich wird es mit jedem Jahr schlimmer! Nach einer ersten kritischen Phase, die unmittelbar nach der Rückkehr einsetzt, ‚normalisiert‘ sich das Gefühl, aber es begleitet dich immer. Das hat aber auch seine positiven Effekte, denn es treibt dich immer wieder an, etwas Neues zu wagen und so schaffst du den Absprung schneller als die anderen.
Was machst du zur Zeit? Gelingt es dir, dieses Leben zwischen vielen Kulturen, wie du es in Spanien kennengelernt hast, beizubehalten?
Ich bin gerade wieder einmal auf dem Sprung, diesmal hoffentlich endgültig nach Spanien oder nach Norditalien. Bis ich im Oktober abreise, arbeite ich im Bereich Grafik und Kommunikation. Dieses Jahr habe ich dank eines Projekts der Region Kampaniens (G.B. Vico) für vier Monate in einer Galerie in Madrid mitgearbeitet und dort viel dazugelernt: Es war eine weitere großartige Auslandserfahrung, ich habe wunderbare Menschen kennengelernt und das Leben mit und zwischen den Kulturen auskosten können, das es zuhause ja nur in begrenzem Maße gibt – vor allem im Süden und vor allem in Cava, aber das ist eine andere Frage, das weißt du ja selbst ...
Hast du noch Kontakt zu deinen Freunden aus Alicante?
Ja, wenn auch nur phasenweise. Die Entfernungen sind zu groß, um sich regelmäßig zu sehen, aber dank Messenger, E-mail und den anderen Technologien gelingt es uns, den Kontakt zu halten.
Hast du dich mit ihnen über deine Arbeit zur „Antropologie des Erasmusprogramms“ ausgetauscht?
Nicht nur das: Sie sind auch zu meiner Diplomverteidigung gekommen! Alle in Alicante wußten, dass ich meine Arbeit zu Erasmus schreiben würde und sie haben sie alle gelesen (und zwar ganz, zu meiner großen Verwunderung!). Das Schönste war jedoch, zu sehen, wie meine Erasmusfreunde und meine Kommilitonen – die auch in anderen Städten Erasmus gemacht haben –, meine Emotion geteilt haben, als ich zum Ende der Diskussion „Tornano in mente“ von Alex Britti zitiert habe: „Momente, die ich intensiv erlebt habe, kehren besonders intenstiv auch in der Erinnerung zurück, und so sind auch alle Menschen, die ich kennengelernt habe, auf einmal wieder da. Nur weil man es nicht sieht, heißt es nicht, dass da nichts ist.“ Ich hoffe, dass ich allen Erasmusstudenten habe deutlich machen können, was ‚da noch ist‘, auch nach zwei Jahren und – das wünsche ich mir – auch später noch.