Finanzierung im Web: Ich habe die Crowd - ihr das Funding
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Kultur und Medien geht es in Krisenzeiten ordentlich an den Kragen. Doch dank verschiedener Crowdfunding-Plattformen kommt neuer Schwung in den Medien- und Kreativsektor. Ein kleiner Crashkurs zum europäischen Crowdfunding.
Die europäischen Kassen für die Förderung von Kultur und Kreativwirtschaft sind leer. Zeitungen schließen, Journalisten werden entlassen, überall werden Locations im Kunst- und Kultursektor kaputtgespart. Kostenlose Events und Downloads sind zur Norm geworden; innovative Projekte scheitern an der Finanzierung oder scheinen in der freien Marktwirtschaft bedeutungslos – da nicht rentabel. Aber anstatt die große Depression auszurufen, wenden sich viele junge Kreative zunehmend so genannten Crowdfunding-Plattformen zu, um das nötige Startkapital zu sammeln.
Ob für den innovativen, klappbaren Fahrradhelm, Porno für wohltätige Zwecke, eine journalistische Plattform für kreative französische Vorstädte, oder das Album von Valerias Lieblingssängerin Amanda Palmer: Die zunächst als Alternative geltende Methode der Minifinanzierung kommt Künstlern, Entwicklern, Musikern, Hilfsorganisationen und vielen weiteren wie gerufen.
Denn wo der Staat nicht mehr helfen kann, da zählt die Gesellschaft beziehungsweise die 'Crowd' (breite Masse). Und das mit Erfolg: Die deutsche TV-Serie Stromberg beispielsweise konnte über Crowdfunding innerhalb einer Woche eine Million Euro für den Film zur Serie sammeln. Der in den letzten 2 Jahren stetig wachsende Markt der Crowdfunding-Plattformen könnte also ein Zukunftsmodell der Kulturfinanzierung werden. Aber funktioniert das tatsächlich längerfristig?
Krautfinanzen
Schwarmfinanzierung, Fundraising, Finanzierung 2.0, Mitfinanzierung oder auch Krautfinanzierung: an Synonymen mangelt es für das Phänomen nicht. Was sich dahinter versteckt ist relativ simpel. Am Anfang steht immer die Idee, ein Projektplan und überzeugte Unterstützer aus der persönlichen Kontaktliste, die den ein oder anderen Euro überweisen. Kurz gesagt: der erste Elan kommt aus dem Bekanntenkreis, denn schließlich finanziert sich ein Projekt nicht von selbst. Mund-zu-Mund-Propaganda und der Einsatz sozialer Netzwerke sind für eine erfolgreiche Projektfinanzierung unumgänglich. So kommt nach und nach eine Summe zustande, die besagtes Projekt auf den Plattformen sichtbar macht.
Die kleine Produktionsfirma Marul Production zum Beispiel will in ihrem Dokumentarfilm 'Die Gestrandeten von Evros' drei Migranten an der türkisch-griechischen Grenze folgen. Auf der französischen Plattform Kisskissbankbank haben sie dafür Kosten von 1200 Euro veranschlagt. Denn teilweise war ihr Dokumentationsprojekt bereits vorfinanziert, es fehlten noch die Reisekosten und Spesen für einen Mietwagen, Unterkunft und Übersetzer vor Ort. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt ist ihr Projekt vollständig finanziert, insgesamt haben 34 Crowdfunder Martines und Ulysses Reise ermöglicht. Alles, was in den bleibenden 22 Tagen noch hinzukommt, stockt die Reisekasse zusätzlich auf.
Anders als bei Spenden gehen die Crowdfunder dabei nicht leer aus. Gemäß der Höhe des benötigten Betrags werden den Interessenten originelle Gegenleistungen angeboten. In der Regel erhalten die Projektleiter auch erst dann ihr Geld, wenn das finanzielle Ziel des Projekts durch ausreichend Unterstützungen erreicht wurde. Ist dies nicht der Fall, bekommen alle Unterstützer ihre Investition zurückerstattet.
Europäisches Crowdfunding
Crowdfunding-Communities gibt es weltweit mittlerweile wie Sand am Meer. Dennoch herrscht ein gewaltiges Kommunikationsproblem rund um diese Art der „Minifinanzieung“ – oftmals zu Lasten der Nischenplattformen. Diese haben häufig Schwierigkeiten, lokale und nationale Grenzen zu durchbrechen, sodass sich die Crowd auf den wenigstens landesweiten und themenübergreifenden Plattformen - wie Startnext.de in Deutschland, Verkami.com in Spanien, Eppela.com in Italien, Wefund.com in Großbritannien und MyMajorCompany.com in Frankreich versammelt.
Zunehmend fördern die Plattformen, dem Modell von Kickstarter und Indiegogo aus den USA folgend, aber auch international ausgerichtete Projekte. So zum Beispiel die mehrsprachige, in Paris beheimatete Plattform Ulule oder die italienische Plattform Kapipal, die neben lokalen, regionalen und nationalen Projekten auch internationale Projekte ausschreiben. Schwierig für die User bleibt aber allemal die Rundumbespielung der Crowdfunder: Das Projekt muss gedacht, geschrieben, kommuniziert, betreut und schlussendlich realisiert werden. Dabei sitzt einem aber nicht mehr nur der Editor im Nacken, sondern eine ganze Crowd.
Kickstarter, der Crowdfunding-Gigant der Vereinigten Staaten, der seit seiner Markteinführung im Jahr 2009 mehr als 70.000 Projekte mit einer Erfolgsquote von 40% finanziert hat, ist seit Oktober 2012 auch in Großbritannien auf dem Markt. Alexandre Boucherot, Co-Gründer der Plattform Ulule, bleibt trotzdem recht gelassen: „Es ist ziemlich einfach, ein Land mit einer Seite, einer Sprache und einem transaktionellen System abzudecken – wie es der Fall bei Kickstarter in den USA ist. Viel schwieriger ist es, ganz Europa angesichts der zahlreichen Sprachen, diversen Online-Zahlungsweisen und unterschiedlichen Kulturen bezüglich des Mäzenatentums auf zufriedenstellende Art abzudecken.“
Monopol, ick hör dir trapsen
Für David Röthler, Jurist und Berater für Social Media und EU-finanzierte Projekte, hängt der Erfolg eines Crowdfunding-Projektes ebenfalls „hauptsächlich von der Attraktivität des Vorhabens und der Mobilisierbarkeit der Community ab. Die Plattform und deren thematische und regionale Ausrichtung spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.“ Langfristig sei seiner Meinung nach jedoch leider von Monopolisierung auszugehen. “Zu Google, Amazon oder eBay gibt es ja auch kaum Konkurrenz.“
Illustrationen: Teaserbild Crowd (cc)Incase./flickr, Im Text: Amanda Palmer mit freundlicher Genehmigung von©kickstarter, Les naufragés d'Evros mit freundlicher Genehmigung von©kisskissbankbank; Videos P-Luc (cc)PlaceLux/YouTube, (cc)Ulule/Youtube