Fernsehstar für 300 Euro
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Der Kölner Sender Dügün TV sendet Hochzeiten in die ganze Welt.
Auf die weiße DVD sind zwei goldene dreidimensionale Herzen gestempelt. Es ist das Logo von Dügün TV, der seit Februar dieses Jahres aus Köln sendet. Die DVD zeigt eine üppige türkische Hochzeit in Bordeaux. In einem riesigen, feierlich geschmückten Saal haben sich über tausend Gäste versammelt. Sie sitzen an langen Tischreihen, die mit reichlich Essen und Getränken gedeckt sind und erwarten das Brautpaar. Auf der Bühne spielt eine Folkloregruppe.
Schließlich tritt das Hochzeitspaar ein, es geht unter bogenförmigen Rosengeflechten, die ein Dutzend Frauen und junge Mädchen in die Höhe halten. Die Braut wirkt wie eine Porzellanpuppe, mit Stupsnase und vollen Lippen. Um die schlanke Taille hat sie einen roten Gürtel gebunden: Ein Zeichen, dass sie ihr Elternhaus verlässt.
Eine Marktlücke entdeckt
Eine pompöse Hochzeit, auf Türkisch dügün, ist ein Statussymbol in der Türkei. „Je spektakulärer, desto besser“, erzählt die Chefredakteurin von Dügün TV, Hatice Balaban-Coban. Die Größe der Hochzeitsgesellschaft zeige, wie beliebt die feiernde Familie ist.
Zusammen mit ihrem Mann Mehmet Coban hat die Vierzigjährige eine Marktlücke entdeckt und prompt reagiert. Laut dem Zentrum für Türkeistudien in Essen gibt es über sechs Millionen türkische Einwanderer in Europa. Und die feiern gut und gerne. Leider bekommen ihre Familienangehörigen aus der Türkei für Hochzeiten oft kein Visum und können am Fest nicht teilnehmen.
Die Lösung bringt Dügün TV: Sie übertragen den Hochzeitsfilm im Fernsehen, zwei Stunden Sendezeit kosten 300 Euro netto. Das Programm von Dügün TV kann über den Satelliten TürkSat 2 in der ganzen Welt empfangen werden. Feedback und Aufträge kommen sogar aus Australien und den USA. „Für wenig Geld“ sagt der Moderator Kanun Yildirim „wird bei uns jeder ´King for a Day`“.
Der frühere Radiomoderator aus Istanbul lebt seit vier Jahren in Deutschland und ist in der Türkei und bei türkischen Migranten in Europa sehr bekannt. Die Familien der Einwanderer sind stolz, dass ihr Fest im Fernsehen gezeigt wird. Der Sender lebt von seinen Werbeeinnahmen, dem dazu gehörigen Shopping-TV und den Calling-Shows. „Die Menschen schauen sich gerne Hochzeiten an,“, sagt Chefredakteurin Balaban-Coban, „deshalb sind wir quasi über Nacht bekannt geworden, auch ohne Werbeausgaben.“
Jawort – live im Internet
Die Kunden geben eigene Videoaufnahmen von ihrer Hochzeit an DügünTV-Zulieferer weiter, die in rund 20 europäischen Großstädten stationiert sind oder schicken sie direkt an den Sender. Dessen Cutter schneiden daraus einen Film, der im 24-stündigen Programm oft mehrmals gesendet wird. Schon in ein paar Monaten werden die Hochzeitsgesellschaften direkt im Sender feiern. Neben der Zentrale des Senders im Gewerbepark des Kölner Stadtteils Dellbrück befindet sich eine Lagerhalle, die in einen Festsaal verwandelt wird.
Derzeit wird fieberhaft an der Website des Senders gearbeitet. In Zukunft sollen die Hochzeiten live im Internet übertragen werden. „Jeder ist bei uns willkommen, ob Europäer, Afrikaner oder Araber – wir strahlen seine Hochzeit aus“, sagt Hatice Balaban-Coban. Wer TürkSat 2 nicht empfängt, kann dann aufs Internet zurückgreifen. „Nur Hochzeiten mit provokativen politischen Statements und Fahnen, die häufiger als das Brautpaar im Bild sind, nehmen wir nicht“, versichert die Chefredakteurin.
Zuschauer schicken immer häufiger SMS an den Sender, die am unteren Bildschirmrand als Ticker ausgestrahlt werden. „Hey, Du mit dem roten Kleid und langen braunen Haaren auf der Hochzeit von Ayse und Halil, willst Du mich kennen lernen?“ ist dort unter anderem zu lesen. So vermittelt Dügün-TV nebenbei Kontakte unter den Einwanderen in Westeuropa.
Neue Luxuswagen für die Mitarbeiter
Der Sender beschäftigt rund 40 feste und 20 freie Mitarbeiter. „Die Türken sind für das Kreative zuständig, die Deutschen sind unersetzlich im Verwaltungs- und Technikbereich“, sagt Kanun Yaldirim, der auch das Programm des Senders koordiniert. Bei Dügün TV gebe es keine Stechuhr. Jeder bringe viel Engagement mit und arbeite, als sei dies sein Familienbetrieb. Das Versandgeschäft laufe schon seit vielen Jahren, und „wir haben keine Mitarbeiterfluktuation“, sagt Hatice Balaban-Coban. Wer kommt, bleibe gerne. Das verwundert nicht, wenn man einen Blick vor die Senderzentrale wirft. Dort sind ausschließlich neue, dicke Autos geparkt.