Faguomobil: Crêpes von Johnny Depp in Shanghai
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Eine Gruppe französischer Studis löste mit ihrem mobilen, umgebauten Crêpes-Stand eine kleine Net-Revolution in Shanghai und Umgebung aus.
Zwei „handsome young“ Frenchies in roter Baskenmütze und blau-weiß gestreiftem Matrosen-Shirt in Jean Paul Gautier Manier stehen hinter ihrem mobilen Crêpes-Stand – das Geschäft brummt. Die Crêpes gehen weg wie heiße Semmeln. In nur zwei Stunden ist alles restlos ausverkauft. Nur eins ist irritierend: Julien, Benoît und Jeanne stehen mitten in der 20 Millionen-Megametropole Shanghai und machen mit ihren süßen Snacks aus Frankreich den chinesischen Streetfood-Verkäufern, die allabendlich die Straßen der Metropole bevölkern, Konkurrenz. Neben den chinesischen Snacks – zumeist Spießchen mit Auberginen, Fisch oder Fleisch, wahlweise auch Kurzgebratenes aus dem Wok und Reis zum Mitnehmen – dampfen heute auch süße, hauchdünne Pfannkuchen auf einem mobilen Dreirad-Verkaufsstand, den die Franzosen „Faguomobil“ getauft haben.
Faguo (法 国) heißt Frankreich auf Chinesisch und im übertragenen Sinne „das Land des Gesetzes“. Die Idee zum mobilen Crêpes-Stand kam Julien und seinen Freunden Ende Mai in der „Facto“ (Aalto Tongji Design Factory), einem offenen Workspace der Tongji-Universität von Shanghai. Nicht allzu selten kommt dort zwischen Entwürfen und Hausarbeiten die berühmte Snack-Attack auf. Um die Neuronen zu kühlen geht man dann eben kurz vor die Tür und holt sich Nervennahrung bei den Straßenverkäufern, die sich abends vor dem Ausgang der Tongji-Uni mit ihren rollenden Ständen postieren. Und hier in der „Facto“ entstand dann schlussendlich auch die Idee. „Wir wollten eigentlich nur ein bisschen Fun“, lacht der 23-jährige Julien über den unerwarteten Erfolg der Aktion.
Nach der anfänglichen Suche eines brauchbaren fahrbaren Untersatzes in Shanghaier Vororten und einiger technischer Umbauarbeiten des ursprünglich rostigen Vehikels war das getunte Crêpes-Batmobil mit integriertem Kühlfach, Gaskocher, Pfanne und Verkaufsfläche fertig. Der erste ‚chinesische‘ Crêpe, der sich trotz lokaler Zutaten geschmacklich nicht vom französischen Original unterscheide, wurde eben noch schnell in der Facto gebraten. Schmeckt - on y va!
Binnen weniger Minuten scharen sich chinesische aber auch internationale Kommilitonen um die Studentenfutter-Attraktion. Eine Flasche Champagner wird zur Eröffnung geköpft; Benoît brät, Julien schaufelt kräftig Mango-Soße auf die Crêpes und Jeanne, deren Chinesisch über die zwei Silben Shang-hai hinausgeht, kommuniziert mit den chinesischen Kommilitonen und Schaulustigen. Die traditionellen Streetfood-Verkäufer bewundern den fahrbaren Crêpes-Stand der Nachbarn. Für 4 Yuan (42 Cent) das Stück startet eine kleine französische Erfolgsgeschichte, die sich über Nacht wie ein Lauffeuer, insbesondere auf dem 160-Millionen Mitgliedern zählenden Netzwerk RenRen, dem französischen Facebook-Verschnitt, verbreitet. Chinesische Webseiten wie shanghaidaily berichten über die Aktion. „Nicht immer ganz korrekt“, wie Anika aus Deutschland feststellt.
Denn als nach einiger Zeit die Warnung eines nervösen Chinesen kommt, dass die Chengguan um 20 Uhr 30 ihre Runde dreht, verbreitet sich schnell die Nachricht, Julien, Benoît und Jeanne hätten Probleme mit der chinesischen Lokalpolizei bekommen. Denn der Verkauf von Streetfood in Shanghai ist illegal – auch für Studenten aus dem „Land der Gesetze“ - wird aber mehr oder weniger toleriert. „Wir haben einfach schnell zusammengepackt und sind den anderen Verkäufern an die nächste Straßenecke gefolgt“, erklären die drei Architektur-Studenten.
Dass gerade die Franzosen mit ihrer Studi-Kochaktion ins Schwarze getroffen haben kommt sicher nicht von ungefähr, immerhin ist die französische Küche mittlerweile Unesco-Weltkulturerbe und weltbekannt. Eine globale Fusion-Erfolgskombi mit dem frischen Obst, das man überall in Shanghai billig kaufen kann. Laut den drei bescheidenen Frenchies hätte zwar auch jede andere „exotische“ Nationalität mit ihren Lokalsnacks in Shanghai punkten können. Doch ein bisschen French Touch, ein bisschen ‚französischer Accent‘ hier und da, der Julien einen Vergleich mit Johnny Depp eingebracht hat, waren sicher nicht verkaufsschädigend. In Zukunft wird sich die Aktion Faguomobil allerdings nur noch auf uniinterne Events beschränken – die Crêpes haben wohl doch ein paar Krümel zu viel im World Wide Web hinterlassen.
Fotos: Mit freundlicher Genhemigung von ©Julien Hones/ Anika Kloss/ Jeanne Crayssac