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Fadosänger Camané: eine Trauer, die guttut

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Während dem Begriff „Volksmusik“ in Deutschland etwas beinahe anrüchiges anhaftet, erfreut sich der portugiesische Fado in seinem Heimatland generationsübergreifender Beliebtheit. Camané, männliche Galionsfigur einer neuen Generation von Fadistas, über den steinigen Weg eines Musikgenres.

Die Karriere des 1967 in der Nähe von Lissabon geborenen Carlos Manuel Moutinho Paiva dos Santos - kurz: Camané – begann früh. Als Siebenjähriger stieß er beim Durchstöbern des elterlichen Plattenschrankes zum ersten Mal auf die wehmütigen Lieder. Keine fünf Jahre später gewann er seinen ersten Amateurwettbewerb. Mit 17 stand sein Berufswunsch endgültig fest: Fadosänger. Gigs in Lissabonner Clubs wechselten mit Gastauftritten bei Musicalproduktionen. Heute gehört Camané zu den erfolgreichsten Interpreten eines Genres, das für viele Ausländer den einzigen Zugang zur portugiesischen Kultur darstellt.

Der Fado als Botschafter Portugals?

„Emotionen wie Liebe, Verlust und Hoffnung gibt es natürlich überall“, räumt der 44-Jährige ein, „aber die Ausdrucksweise unterscheidet sich - das Tempo, der Rhythmus. Die Argentinier haben den Tango, die Spanier den Flamenco und wir Portugiesen haben eben den Fado.“

„Fado“ - das Wort lässt sich am ehesten mit „Schicksal“ übersetzen. Und genauso klingt die Musik auch: Eine wehmütige Stimme klagt - begleitet von einer sechssaitigen Rhythmusgitarre und der zwölfsaitigen lautenähnlichen guitarra portuguesa – ihr Leid. Die Lieder handeln vom Abschied, von Trauer, Schmerz und immer wieder vom Warten und Hoffen.

Über die genauen Ursprünge des Fado besteht bis heute Uneinigkeit. Während einige Historiker auf die Parallelen zur Musik Nordafrikas verweisen und das Genre als Relikt der maurischen Herrschaft sehen, deuten andere Quellen auf die Nähe zum brasilianischen Lundum und datieren die Entstehung damit auf das 19. Jahrhundert. Fest steht, dass der Siegeszug des Fados in den Armenvierteln Lissabons begann - Matrosen, Landstreicher und Prostituierte gaben ihn in den Tavernen der Alfama und Mouraria zum Besten.

Diese Volkstümlichkeit ist es auch, die für Camané das Wesen des Genres ausmacht: „Der Fado war immer eine sehr urbane Musik. Zu Beginn erzählten die Lieder kleine Geschichten aus dem Leben der Leute hier. Das ging sogar soweit, dass der Klatsch aus dem Viertel in Liedern vorgetragen wurde. Später ging man dann dazu über, die Gedichte berühmter Poeten zu vertonen.“

Diese Tradition hat sich bis heute bewahrt. Das Spektrum reicht von den Volksdichtern Luís de Camões und Fernando Pessoa bis zum umstrittenen Manuel Alegre. Die Nähe zwischen Musik und nationaler Identität war es aber auch, die dem Genre eine Zeit lang zum Stolperstein geriet. Nachdem der Fado im 19. Jahrhundert auch die Salons der feinen Gesellschaft erobert hatte und in den 1930ern gar international für Aufsehen sorgte, entwickelte er sich zunehmend zum politischen Instrument des Diktators António Salazar.

Dieser hegte zwar eine persönliche Abneigung gegen die „weinerliche“ Musik, wusste sie aber gekonnt als Symbol der portugiesischen Nation zu stilisieren. Zensur war die Folge. An die Stelle von offener Kritik trat ein konservatives Weltbild und eine „arm, aber glücklich- Mentalität“. Die Assoziation der Musik mit dem faschistoiden System war so stark, dass sich viele junge Portugiesen nach dem Ende der Diktatur 1974 schamhaft vom Fado abwandten. Auch Camané erinnert sich noch gut an diese weniger glorreichen Zeiten: „Damals, als ich mit 17 durch die Fadoclubs tingelte, war das die Musik der alten Herren. Ich wurde belächelt. Die Männer waren 60, 70 oder noch älter. Niemand in meiner Generation hat Fado gehört.

Austarieren zwischen Tradition und Moderne

Heute ist das wieder anders. Einer der Gründe dafür dürfte die Vielseitigkeit sein, die das Genre inzwischen ausmacht. Mísia fügte der klassischen Instrumentierung Akkordeon, Piano und Violine hinzu, Bands wie A Naifa und Donna Maria unterlegen klassische Fadosongs mit elektronischen Beats und auch Camané verlässt immer wieder traditionelles Terrain – etwa als Mitglied des „Humanos“ – Projektes, einer Hommage an die Pop-Legende António Variações.

Dieses Austarieren zwischen Tradition und Moderne scheint für einen heutigen Erfolg unumgänglich, ist Camané zufolge aber ein Balanceakt: „Man muss den Fado immer als Fado erkennen können. Die Tradition ist enorm wichtig. Andererseits muss sich die Musik auch entwickeln, sonst überlebt sie nicht. Wichtig ist, dass sie sich von innen nach außen entwickelt, also natürlich. So etwas lässt sich nicht forcieren. Das wichtigste im Fado ist und bleibt die Authentizität.“

Ob orchestrale Instrumentierung oder klassische Besetzung, ob Stadion oder Anonymität kleiner Tavernen – verbindendes Element des Fado ist dieses unbestimmbare Gefühl beim Hören. Diese Mischung aus Melancholie, Weltschmerz und Hoffnung – die häufig beschworene Saudade der Portugiesen.

Man sollte sich jedoch tunlichst davor hüten, diese einfach mit Traurigkeit gleichzusetzen. Dafür sei das Gefühl viel zu komplex, meint Camané: „Es gibt dieses Paradox im Fado. Wenn er fröhlich ist, bringt er uns zum weinen. Wenn er traurig ist, bringt er uns zum lächeln. Er hat diese Kraft, die Trauer zu vertreiben und kann damit unser Leben verändern. Durch den Fado können wir uns selbst erfahren – als Individuen und als Volk. Das ist die große Kraft dieser Musik.“ Dieser Kraft ist es auch zu verdanken, dass der Fado auch heute noch, im modernen Portugal, allgegenwärtig ist.

Illustrationen: Fotos ©camane.com; ©Camané bei MySpace; Videos: (cc)Youtube