Explosive Mischungen am Kauskasus
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sarah rüfflerRussland war bis vor kurzem ein Energiepartner, auf den die Europäische Union nicht verzichten konnte. Wird die Ferngasleitung in Georgien es erlauben, Putin gegenüber einen neuen Ton anzuschlagen?
Wer von Europa nach Georgien fährt, kommt meist in Poti an, einer in starkem Wachstum begriffenen Stadt am Schwarzen Meer. Seitdem sich die Provinz Adscharien quasi von Georgien abgespalten hat, fließen die Reichtümer Zentralasiens in dieser Stadt zusammen. Ölreservoirs sprießen hier wie Champignons aus dem Boden. Das schwarze Gold durchläuft die Stadt in Kesselwägen oder über die Pipeline, die Baku mit Supsa verbindet, bevor die Schätze ihren Weg nach Europa finden.
Seit dem 29. Januar kann man im Hafen beobachten wie Rohre ausgeschifft werden. Sie sind für eine Erdölleitung bestimmt, die eine Verbindung zwischen Baku und Erzurum in der Türkei herstellen soll. Für Georgien ist diese Baustelle mindestens von ebenbürtiger Bedeutung wie die schon im Bau befindliche Erdölleitung BTC (Baku-Tiblis-Ceyhan). Während letztere ein Ausdruck für die diplomatischen Annäherungen an die Vereinigten Staaten ist, soll die Pipeline SCP das Land unabhängig machen und die wirtschaftliche Annäherung von Kaukasus, Georgien und Europa garantieren.
Die Eisenbahn kam aus Europa
Seitdem die Erweiterung der Europäischen Union greifbar ist, haben die Republiken des Transkaukausus, die der EU betreten möchten, ihr strategisches Interesse an Brüssel gezeigt – und den Wunsch, ihre Beziehungen zu Russland zu ändern.
Die Geschäftigkeit in Poti ist in diesem Sinne aufschlussreich. Die Eisenbahn, die das Erdöl weiterleitet, ist das Ergebnis von « TRACECA », einem Programm der Europäischen Union, das einen transeuropäischen Transportkorridor schaffen soll. Die Pipeline Baku-Supsa ist das Ergebnis des Programms « INOGATE », das auf einer amerikanisch-europäischen Partnerschaft beruht und sich auf Energieleitungen im Kaukasus konzentriert. Die von amerikanischer Seite geförderte Pipeline BTC, die nach Ceyhan und damit direkt in den Mittelmeerraum führt, wird politisch von der Europäischen Union unterstützt. Bei der Ferngasleitung SCP lässt die europäische Inschrift keinen Grund zum Zweifel: Auf der Internetseite des Programms « INOGATE » wird die Förderung eines neuen Korridors zwischen dem Kaspischen Meer und der Türkei vorgestellt und ein Verbund mit dem griechischen (und damit europäischen) Netz zu einem der Hauptziele erklärt. Letztes Jahr sind Türkei und Griechenland übereingekommen, ihre Netze im Jahr 2005 zu vereinen. Die Pipeline SCP wird im Jahr 2006 fertig gestellt.
Wie kommt es zu einem so großen Engagement der Europäischen Union auf dem Energiesektor? Die Kommission hat im Jahr 2000 ein « Grünbuch » vorgestellt, mit dessen Hilfe der Energiebedarf der erweiterten Union besser eingeschätzt werden soll. « Hin zu einer europäischen Strategie für Energieversorgungssicherheit », so der Titel des « Grünbuchs », das die herausragende Stellung der Projekte im Kaukasus bestätigt : « Die Entwicklung der Erdöl- und Gasressourcen der Länder der Kaspischen Senke und insbesondere die Transitwege für Kohlenwasserstoffproduktionen verdienen unsere Aufmerksamkeit. »
2030: Elektrizität zu 40% aus Gas
Die Feststellung ist beunruhigend: « Die Union wurde durch die geopolitische Diversifizierung der europäischen Versorgung nicht von der Abhängigkeit vom Erdöl des Mittleren Orients und vom aus Russland stammenden Gas befreit. Einige Mitgliedsstaaten, insbesondere die Beitrittskandidaten, sind vollkommen abhängig von einem einzigen Lieferanten. » Man lese: Russland. Die Wirtschaft der zukünftigen Mitgliedsstaaten basiert aus historischen Gründen auf der Gasversorgung durch den russischen Nachbarn. Da Gas sauberer als Erdöl und Kohle ist, ist es dazu bestimmt, sich zur Ersatzenergie in Wärmekraftwerken und für die europäischen Verkehrsmittel zu entwickeln. Dem Bericht zufolge wird die globale Abhängigkeit der Europäischen Union an Energiezufuhr zunehmen und in zwanzig bis dreißig Jahren 70% betragen. Die Erweiterung der Europäischen Union wird diese Tendenz noch verschärfen. Gasimporte könnten von 60% auf 90% steigen. Das hieße, dass im Jahrzehnt 2020-2030 40% der europäischen Elektrizität aus Gas gewonnen würde.
Ein Widerspruch: Mit dem Versuch, Energiequellen zu diversifizieren, schafft man in Wirklichkeit eine andere, politische Abhängigkeit. Russland, mit Abstand Besitzer der weltweit größten Reserven, wird höchstwahrscheinlich das einzige Land sein, das in der Lage sein wird, für den bevorstehenden Zuwachs der europäischen Gasnachfrage aufzukommen. Das « Grünbuch » wirbt für die Diversifizierung der Gasversorgung. Dies heißt jedoch nicht, dass man ganz auf Moskau verzichten solle. Im Jahr 2002 hat der Präsident der Europäischen Kommission Romano Prodi eine Energiepartnerschaft mit dem russischen Präsidenten Vladimir Putin unterzeichnet. Inwieweit kann die Europäische Union bei der Lage der Dinge den Ton angeben?
Partnerschaft mit den kaukasischen Freistaaten
Die Europäische Union zeigt auf Drängen der Beitrittsländer den Willen, sich von dieser Partnerschaft zu emanzipieren, da sich diese als zu gefällig hinsichtlich der Verletzung der Grundfreiheiten und der Demokratie, im Tschetschenienkonflikt etc. gezeigt hat. Chris Patten, Kommissar für Auswärtige Angelegenheiten, hat am 26. Februar vor dem europäischen Parlament seinen Willen bekundet, mit Russland eine Partnerschaft einzugehen, die auf gemeinsamen Werten und einer größeren politischen Einbeziehung der Europäischen Union beruht.
Um eine ehrgeizige Außenpolitik führen zu können und eine Alternative zu Putins Russland zu finden, ist die Klärung der Energiefrage entscheidend. Zufall oder auch nicht – kurz nach dieser Debatte wurde ein Bericht des Europarlamentariers Gahrton diskutiert, der die Notwendigkeit, eine enge Partnerschaft mit dem Transkaukasus aufzubauen, betont. Im Rahmen einer solchen Partnerschaft könnte die Europäische Union ihre Energieinteressen in der Region besser verteidigen. Laut Chris Patten, der diese Idee übernommen hat, könnte diese Partnerschaft die politische Modernisierung, die wirtschaftliche Entwicklung und den Dialog zwischen den drei Staaten vorantreiben, zumal Armenien zunehmend ins Abseits gedrängt wird.
Mit der Erweiterung nach Süden, d.h. nach Griechenland, Spanien und Portugal, hatte in den achtziger Jahren die Ära der euro-mediterranen Zusammenarbeit begonnen. Mit der Osterweiterung müsste sich die Europäische Union nun dem Kaukasus zuwenden - zumal sich die Region heute dem Westen und Europa öffnet, wie es erst kürzlich die Machtübernahme von Michail Saakaschwili in Georgien deutlich gemacht hat.
Poti zeigt es: Die Zukunft Georgiens liegt auf der anderen Seite des Schwarzen Meeres und eines explosiven Doppelpols aus Putins Russland und den Vereinigten Staaten. Sie liegt in der Europäischen Union, die für die Region ein Zentrum der Stabilität und des Reichtums darstellt.
Translated from De l’eau dans le gaz au Caucase