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Exilsender Meydan TV: "Aserbaidschan ist eine erfolgreiche Diktatur"

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Politik

Seit Mai betreibt der aserbaidschanische Dissident Emin Milli von seinem Berliner Exil aus den regierungskritischen Fernsehsender Meydan TV. Das Programm soll die erste Plattform für demokratische Debatten in Aserbaidschan mit unbegrenzter Reichweite werden. Ilham Alijews autoritäres Regime reagiert bereits empfindlich.

Emin Milli betreibt einen Untergrundsender im wahrsten Sinne des Wortes: Mit einem zehnköpfigen Team aus Journalisten und Bloggern sendet der aserbaidschanische Dissident einmal pro Woche eine regierungskritische Reportage aus einem zum Fernsehstudio umfunktionierten Berliner Keller. Die Idee hinter dem Format steckt schon in seinem Namen. „Meydan“ heißt „Platz“ oder „Raum“. Eben den soll Meydan TV liefern – für demokratische Ideen, Kritik und den schwierigen Dialog zwischen Armeniern und Aserbaidschanern.

„Wir diskutieren Themen, die sonst in Aserbaidschan nie diskutiert werden. Wir sprechen Tabus an“, sagt Geschäftsführer Milli. Jede Woche widmen sich Milli und sein Moderationspartner, der in seiner Heimat gefeierte Blogger Hebib Müntezir, einem vom aserbaidschanischen Staatsfernsehen ignorierten Thema.

Gesundheitspolitik, Korruption, der Bergkarabachkonflikt mit Armenien: Bei Meydan TV kommen Probleme zur Sprache, die die aserbaidschanische Gesellschaft unmittelbar betreffen, anderswo jedoch kein Gehör finden. In dieser Qualität könne das nur aus dem Exil funktionieren, glaubt Milli. Sein Berliner Team pflegt enge Kontakte zu einem Netzwerk aus Bürgern und Journalisten in Baku, die zu jeder Sendung das Bild- und Videomaterial liefern.

Infrastruktur von außen

„Es ist wichtig, dass die Infrastruktur von außen kommt“, sagt Milli. „Das schützt einerseits ein Stück weit unsere Korrespondenten in Aserbaidschan – auch wenn es dort zum Glück Leute gibt, die bereit sind, für ihre Ideen von Freiheit und Demokratie ins Gefängnis zu gehen. Andererseits kann das System zumindest die Infrastruktur nicht zerstören.“

An Erfahrung mit der Skrupellosigkeit des autoritären Regimes Ilham Alijews mangelt es Emin Milli nicht. Im Jahr 2009 wurde er wegen regierungskritischer Äußerungen zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. „Ich habe jahrelang in internationalen Organisationen gearbeitet und auf diesem Weg versucht, politische Veränderungen zu erreichen. Doch die Entwicklungsgelder gehen nur an Projekte, die der echten Opposition nicht nützen. Demokratische Bewegungen der neuen Generation hingegen erhalten kaum Unterstützung.“ Die Situation, aus dem Exil zu senden, erweitere den Spielraum für eine freie und unabhängige Berichterstattung.

Und doch verstehen sich die Macher von Meydan TV nicht als politisches Sprachrohr. „Wir sind kein Propaganda-Sender“, stellt Milli klar. „Unser Team besteht aus Personen mit sehr unterschiedlichen politischen Ansichten. Es gibt bei uns säkulare, religiöse, sozialkonservative und liberale Einstellungen. Darum geht es aber nicht. Was wir bieten, ist eine Plattform für Bürger, die hier sagen können, was sie am System stört und welche Reformen sie wollen.“

Signalstörungen und Beschimpfungen

Offensichtlich gestört von Meydan TV fühlt sich indessen die aserbaidschanische Regierung. In einer Reportage über den Exilsender beschimpfte ein Moderator des Staatsfernsehens die Macher als Verräter und Staatsfeinde; die per Satellit ausgestrahlten Meydan-Sendungen werden immer wieder von Signalstörungen unterbrochen. Für Emin Milli ist das die Bestätigung, mit seinem Projekt auf dem richtigen Weg zu sein: „Letztlich ist das ein Zeichen des Respekts des Regimes uns gegenüber.“  

Millis Kritik richtet sich allerdings nicht nur gegen das autokratisch regierte Aserbaidschan. „Aserbaidschan ist eine erfolgreiche Diktatur – weil sie vom Westen gestützt wird.“ Besonders empörend empfand Milli die Ablehnung der parlamentarischen Versammlung des Europarates einer Resolution Anfang dieses Jahres, in der die Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan gefordert wurde. „Wir haben es mit einer Kaviardiplomatie zwischen Aserbaidschan und dem Westen zu tun“, kritisiert Milli. Auch deutsche Politiker seien ein Teil davon. „Deshalb planen wir eine Reportage über Hans-Dietrich Genscher und seine Nähe zur Diktatorenfamilie Alijew.“