Eva jongliert: Keine Öko-Präsidentin für Frankreich
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Bertram LangMit inzwischen mehr als 58 grünen Parlamentariern ist die Europäische Union in den vergangenen Jahren ebenso „ergrünt“ wie die französischen Regionalräte. Blickt man jedoch auf die nationale Ebene, so stoßen grüne Ideen in bei den französischen Landwirten ebenso auf Ablehnung wie beim Staatspräsidenten.
Eva Joly, die Kandidatin der grünen Partei „Europe Ecologie – Les Verts“, wirkt glücklos bei ihrem Versuch, die französischen Wähler bei den Präsidentschaftswahlen für sich zu begeistern. Lokale Abgeordnete, Europaparlamentarier und Landwirte haben hierfür ihre je eigenen Erklärungen parat.
„Es reicht jetzt langsam mit dem Thema Umwelt“, rief Nicolas Sarkozy den Teilnehmern des „Salon de l’agriculture“, des bedeutendsten französischen Landwirtschaftsforums, 2010 entgegen. Zwei Jahre später hat sich daran nichts geändert. Das Thema Umweltschutz spielt im französischen Wahlkampf kaum eine Rolle. Vergessen sind alle Versprechungen des „Großen Umweltgipfels“ zu Beginn der Präsidentschaft von Sarkozy. Auch der im Jahr 2008 ausgerufene „ökologische Notstand“ ist längst zur Randnotiz verkommen. Doch sowohl auf europäischer als auch auf lokaler Ebene gelang es den grünen Parteien, die Wähler von der Wichtigkeit ihrer Anliegen in den politischen Debatten zu überzeugen – nur national scheitern sie.
Umweltregeln machen Bauern zu Büroarbeitern
„Die europäische und nationale Regulierungswut bedroht die französische Produktion.“
„Wir sind die wahren Grünen“, verkündet Grégoire de Meaux, einer der Landwirte, die sich von den Regulierungen durch den Staat und die EU erdrückt fühlen. Dass er im März vor dem Umweltministerium demonstrierte, erklärt er vor allem damit, dass er inzwischen mehr Zeit mit dem Ausfüllen von Formularen als auf seinem Traktor verbringe. „Die europäische und nationale Regulierungswut bedroht die französische Produktion“, kritisiert de Meaux, der gleichzeitig Vorsitzender der Gewerkschaft Jeunes Agriculteurs IDF (Junge Landwirte der Ile de France) ist. Seiner Meinung nach führt die derzeitige Politik der Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet zu einem „ökologischen Reglementierungswettlauf, der zu den ohnehin schon belastenden EU-Regeln hinzukommt.“
Europa: Fruchtbares Land für grüne Parteien
Europa spielt dagegen für Bertrand Viel, Biolandwirt in der Normandie, eher eine antreibende als eine einengende Rolle. Er bedauert gar, dass von staatlicher Seite die Initiativen zum Schutz der Umwelt nicht noch stärker gefördert würden: „Für uns ist Umweltschutz etwas, das wir freiwillig anstreben. Wir sehen die Reglementierungen nicht als Zwang an, sondern als absolutes Minimum, das es zu respektieren gilt, um unsere wichtigste Arbeitsressource zu erhalten: die Erde.“
Es kommt nicht von ungefähr, dass Abgeordnete von Europe Écologie – Les Verts in den Rängen des Europäischen Parlaments zahlreicher vertreten sind als auf nationaler Ebene. Der grüne Europaangeordnete Pascal Canfin glaubt die Gründe zu kennen, warum die Franzosen vor einer grünen Präsidentschaftskandidatin zurückscheuen. „Möglicherweise zögern die Wähler in schwierigen Zeiten vor einer jungen Partei mit neuen Lösungen“, mutmaßt er. Für Canfin vollzieht sich der Bewusstseinswandel abseits der ausgetretenen Pfade: „Der Umweltschutz spielt im Kontext des aktuellen Wahlkampfs nur eine untergeordnete Rolle, aber dennoch sind grüne Themen seit 40 Jahren unaufhaltsam auf dem Vormarsch.“
Dass die Grünen es in Frankreich besonders schwer haben, sich auf nationaler Ebene zu etablieren, hänge auch mit dem französischen Wahlsystem zusammen. In der Praxis ist es für kleinere Parteien fast unmöglich, dass ihre Abgeordneten es ins Parlament schaffen und sich zu Fraktionen zusammenzuschließen. Im Ausland ist das hingegen einfacher: „In Deutschland und Belgien verfügen die grünen Parteien über Sitze im Parlament und können dadurch eine ganz andere Dynamik entfalten - und das obwohl ihre Wahlergebnisse in den vergangenen zwei Jahrzehnten durchaus vergleichbar mit unseren waren“, erklärt der Finanzexperte Canfin. Bertrand Viel wiederum sieht die Dinge etwas einfacher. Er unterstellt den Franzosen Misstrauen und das ihnen im Gegensatz zur deutschen Gesellschaft schlicht und ergreifend das „ökologische Bewusstsein“ fehle.
Eva Joly ist sich mit den Medien nicht grün
Dennoch ist Frankreich alles andere als anti-ökologisch. Vor Ort, in den Kommunen, erfreuen sich Initiativen, die jeden Einzelnen zu einem verantwortlicheren Verhalten anregen wollen, immer größerer Beliebtheit. In Saint-Herblain im Département Loire Atlantique haben es sich zum Beispiel Lokalpolitiker zur Aufgabe gemacht, den Anteil von Bioprodukten im Hotel- und Gaststättengewerbe auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Und dies ist bei Weitem kein Einzelfall.
Warum also diese Zurückweisung der grünen Kandidatin Eva Joly? Nicht nur in den Umfragen, sondern auch in den Medien steht Joly bisweilen schlecht da. Pascal Canfin erklärt: „Es gab sicherlich ungerechte und absurde Artikel wie die Sonderausgabe des Figaro „Ecolo Dingo“ („Bekloppte Grüne“). Generell wird Eva Joly jedoch nicht von der Presse benachteiligt.“
Canfin zufolge sind es vielmehr die inhaltlichen Vorschläge der Grünen, die teilweise auf negatives Medienecho treffen. Außerdem stellte sich Eva Joly bereits seit einiger Zeit als Medienopfer dar und bedauere, dass ökologische Themen darunter litten. In einem Artikel der linken Internetzeitung „Rue 89“ beschuldigte sie bestimmte Medien, die Unwahrheit über Umweltprobleme zu verbreiten. So brachte sie ihren Ärger über Journalisten zum Ausdruck, „die sich die CO2- Bilanz Deutschlands nicht einmal angeschaut haben“ und trotzdem behaupteten, das Land importiere Atomstrom. „Das ist falsch, falsch und nochmals falsch“, bekräftigt sie.
Was vor allem verstört, ist die Integrität der Kandidatin. Die Bürger, die nicht an die ungeschminkte Rhetorik und die Kommunikationspannen gewohnt sind, schenken der ehemaligen Richterin kein Vertrauen. Überall vernimmt man den Wunsch nach Veränderung und den Ärger über den alltäglichen, nichtssagenden Politjargon. Dennoch scheinen die französischen Wähler noch nicht bereit dafür zu sein, eine grüne Kandidatin (eine Ausländerin überdies) an die Spitze des Landes zu wählen.
Fotos (in der Reihenfolge des Textes): (cc)kk/flickr, (cc)alvarotapia/flickr; Video: AFP/YouTube
Translated from Présidentielle : pas si verte la campagne française