European Shooting Star Miriam Karlkvist: Im Süden was Neues
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"Der Süden ist nichts. Und hier passiert auch nichts." Die junge italienische Schauspielerin Miriam Karlkvist straft mit ihrer Hauptrolle in dem Film Il Sud è Niente (2013) alle Klischees über Süditalien Lügen. Das macht sie nicht nur zum European Shooting Star 2014, sondern auch zu einer der geheimnisvollsten italienischen Nachwuchsschauspielerinnen. Interview
Überraschender hätte der große Erfolg Miriam Karlkvist kaum erwischen können: Gerade erst ihrer Heimatregion Kalabrien im äußersten Süden Italiens entkommen, ist sie schon als Schauspielerin in ihrem ersten Film, Il Sud è Niente (Der Süden ist nichts, 2013), in der Reihe Generation 14plus der Berlinale vertreten und zum European Shooting Star 2014 ernannt worden. Alles es an ihr erscheint geheimnisvoll: der unitalienisch klingende Name, das jungenhafte Äußere, die mädchenhafte Zerbrechlichkeit, gepaart mit einer rauen Stimme und einem deutlich süditalienischen Akzent. Zumindest einige ihrer mysteriösen Seiten lassen sich schnell erhellen: Karlkvist, die erst 22 Jahre alt ist und momentan Schauspiel und Fotografie in Rom studiert, ist schwedischer Abstammung, aber in Süditalien aufgewachsen. Mehr weiß man aber noch kaum über sie, das fragil Geheimnisvolle bleibt auch, als ich sie zu ihrer Herkunft und ihrer Zukunftspläne befrage.
Der Süden schweigt und verteidigt sein Geheimnis
Il Sud è Niente (2013) das italienischen Regisseurs Fabio Mollo erzählt die Geschichte der 17jährigen Grazia, die zwischen Fischerbooten und Mafiabossen in Sizilien aufwächst. Eine Jugend, die von Sonnenschein und Meeresbrisen erfüllt sein könnte, wird aber von einer unheimlichen Leerstelle bestimmt: Grazias Bruder Pietro ist vor fünf Jahren nach Deutschland ausgewandert und seitdem fehlt jede Spur von ihm. Ihr Vater Cristiano zieht es vor, ihn wie einen Toten zu behandeln, doch das junge Mädchen ist überzeugt, dass ihr Bruder noch lebt und sich im Meer, der Stadt oder irgendwo dazwischen versteckt.
Internationaler Kinotrailer von Il Sud è Niente (2013) mit Miriam Karlkvist in der Rolle der Grazia.
Auch ihre Großmutter mauert, wenn Grazia sie auf Pietro anspricht: „Wenn du nicht über diese Dinge sprichst, dann tun sie dir auch nicht weh." Als sich Grazia, die eher wie ein Junge aussieht und in vielen Beziehungen die Rolle ihres verschwundenen Bruders einnimmt, wie besessen auf die Suche nach Pietro macht, muss sie sich in immer schmerzhafterer Weise mit ihren Familienbanden, totgeschwiegenen Geheimnissen und ihrer eigenen Identität auseinandersetzen.
„Der Süden ist nichts. Und hier passiert auch nichts." Was Grazias Großmutter über das Leben in Messina, im äußersten Süden Italiens sagt, stimmt also zumindest im Falle von Miriam Karlkvist nicht. Die drückende Hitze scheint zumindest großartige und unkonventionelle Nachwuchsstars auszubrüten. Wir haben die junge Schauspielerin am Rande der Pressekonferenz der European Shooting Stars 2014 getroffen.
Wie ähnlich ist dir die figur der Grazia?
Miriam Karlkvist: Grazia ist nicht unbedingt ein junges, fröhliches Mädchen. Ich habe sehr hart daran gearbeitet, diese traurigen Gefühlswelten darzustellen. Während des Drehs habe ich wenig gesprochen, es war ein schweigsamer Monat. Grazia und mich eint aber ganz sicher, dass wir beide dieses Schweigen brechen wollen. Natürlich habe ich nicht die gleichen Dinge erlebt wie Grazia, aber für mich ist es ebenfalls wichtig, Mauern des Schweigens einzureißen. Wenn wir das alle täten, ginge es uns vielleicht eine Woche schlecht. Aber danach sicher besser!
Wie bist du im neuen Film von Fabio Mollo gelandet?
Miriam Karlkvist: Eigentlich wollte ich nie Schauspielerin werden. Ein Freund hat mich dann aber zu meinem ersten Street-Casting geschleppt, bei dem sie Laienschauspieler suchten. Am Anfang war es sehr schwierig für mich, die Entscheidung zu treffen, jetzt Schauspielerin zu werden. Ich habe es dann aber doch getan - weil ich Geschichten liebe. So ging es mir dann auch mit Fabio Mollos Il Sud è Niente: Mir hat einfach die Geschichte gefallen. Deswegen wollte ich das machen.
Deine Mutter ist Schwedin, dein Vater kommt aus Italien. Wo ist deine Heimat?
Miriam Karlkvist: Ich habe sicher sowohl eine kalabresisch-italienische als auch eine schwedische Seite. Beides ist ein Teil von mir und das kann man natürlich nicht trennen. Ich finde es ganz besonders schön an Europa, dass man so einfach länderübergreifende Filme machen kann. Das ist wie eine ganz neue, filmische Sprache! Ich würde zum Beispiel auch gerne mal einen Film in Schweden drehen.
Du bist nicht nur Schauspielerin, sondern schreibst und fotografierst auch. Was kommt als nächstes?
Miriam Karlkvist: Mir gefällt vor allem das Schreiben. Im Moment gehe ich in eine Schauspielschule, in der man im ersten Jahr alles machen kann, was man will: Drehbücher schreiben, Regie führen, Fotos schießen. Meine Schule ist aber nicht in Süditalien, sondern in Rom. Da hat es mir schon immer gefallen, ich mag einfach das Chaos! Ansonsten habe ich noch keine festen Pläne. Ich will jetzt erst mal meine Schauspielschule machen und mich selbst erforschen, um herauszufinden, was ich künstlerisch leisten kann. Ich muss mich erst mal erforschen, mich verstehen, immer neue Dinge entdecken! Dann sehen wir weiter.
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