European Shooting Star Danica Curcic: "Wahnsinn ist normal"
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Lilian PithanDie dänische Schauspielerin Danica Curcic, die auch serbische Wurzeln hat, lebt zwischen den Kulturen und verbindet den Balkan mit Skandinavien. Neben mehreren Filmrollen spielt sie auch klassisch männliche Shakespeare-Figuren im Theater: Hamlet, King Lear und Othello. Danica will alles und noch viel mehr. Das macht sie zum European Shooting Star 2014.
Dein serbischer Name vertritt Dänemark in Berlin. Beeinflusst das die Art und Weise, wie du in Dänemark wahrgenommen wirst? Prägt diese zweifache Identität dein Arbeit als Schauspielerin?
Ich bin in Belgrad geborgen worden und in einer serbischen Familie in Kopenhagen aufgewachsen. Als wir umgezogen sind, war ich nur ein Jahr alt. Mein Vater hatte damals einen Job in der jugoslawischen Botschaft in Kopenhagen bekommen. Wir wollten eigentlich nicht für immer bleiben, aber dann wurde die Situation in Yugoslawien unsicher, Krieg brach aus und meine Eltern beschlossen, in Dänemark zu bleiben. Ich versuche, mein Aufwachsen in zwei Kulturen, mit zwei verschiedenen Temperamenten und zwei sehr unterschiedlichen Lebensstilen als großen Vorteil zu begreifen.
Das Lustige an der Sache ist, dass "Danica" auf Lateinisch "Dänemark" heißt. Das ist purer Zufall. Meine Großmutter hieß auch Danica, es ist ein altmodischer serbischer Name. Aber mein Name hat keinen Einfluss darauf, wie mich die Leute behandeln. Das hat eher mit meinem Aussehen zu tun. Ich sehe weder besonders slawisch noch besonders dänisch aus. Das ist aber gut, denn so kann ich sowohl dänische als auch slawische Rollen spielen. Dänemark ist ein kleines Land, deswegen haben Schauspieler aus anderen Ländern, aus der Türkei, Osteuropa oder den Balkanländern, beim Casting oft Probleme. Manchmal sagen sie mir, dass meine Haare ein bisschen zu dunkel seien für die Rolle der typischen, dänischen Freundin.
Ausschnitt aus "On the Edge" (2014) mit Danica Curcic und Jakob Oftebro.
Hast du dich bewusst für die Schauspielerei entschieden? Welche Rolle hat deine Familie dabei gespielt?
Meine Eltern haben mich immer unterstützt, besonders meine Bildung war ihnen wichtig. Dänen haben oft eine etwas andere Mentalität. Sie machen ein Jahr Pause und reisen. Für meine Eltern war es immer wichtig, dass ich in der Schule gut bin und gute Noten habe. Da gab es nichts zu diskutieren. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich schon mit 17 angefangen habe, an der Uni Film und Medien zu studieren. Später habe ich dann gemerkt, dass ich die Theorie hinter mir lassen und Schauspielerin werden sollte. Damals dachte ich mir: "Das ist es. Das ist meine Berufung. Ich muss das einfach machen, es wird klappen und supertoll sein." Als ich die Entscheidung getroffen habe, war ich wie getrieben. Nichts konnte mich aufhalten.
Was sind deine nächsten Schauspielprojekte?
Im Moment spiele ich am Theater und arbeite mit drei anderen Schauspielerinnen an einer Shakespeare-Collage am Royal Danish Theatre. Es soll ein Gegenentwurf zu den Theaternormen werden, die zu Shakespeares Zeiten herrschten, als Männer auch die Frauenrollen übernahmen. Ich spiele in dieser Inszenierung Hamlet, King Lear und Othello. Viele Situationen und Figuren wiederholen sich bei Shakespeare. Auf dieser Grundlage haben der Regisseur und der Dramaturg des Royal Danish Theatre eine faszinierende Collage geschaffen. So treten zum Beispiel Lady Anne aus Richard the Third und Ophelia aus Hamlet zusammen auf. Das hat mehr Sinn als man denkt, denn schließlich geht es um extreme Gefühle, so wie Verlangen, Eifersucht und Hass in sehr eindeutigen Situationen. Ich bin gespannt, wie das werden wird, wir haben gerade erst angefangen. Für mich als Schauspielerin ist das die einmalige Gelegenheit, die klassischte Rolle aller Zeiten zu spielen: den Hamlet.
Welche Rollen machen dir besonders viel Spaß?
In The Absent One (2014) habe ich eine extreme Figur gespielt - eine verwirrte Frau, die flüchtet und zehn Jahre mit einem toten Baby herumzieht. Mit so einer Rolle kann man in seine eigenen Untiefen vorstoßen, was man normalerweise nicht täte. Das Herausfordernste daran ist es, extreme Figuren so menschlich wie möglich erscheinen zu lassen und sie zu verteidigen.
Ist Wahnsinn unnatürlich oder ist Normalität nur eine gesellschaftlich akzeptierte Form des Wahnsinns?
Das hängt vom jeweiligen Standpunkt ab. Als Schauspieler hat man den Vorteil, dass man in eine Rolle hinein und wieder aus ihr herausschlüpfen kann. Man kann fast jede Figur spielen. Am wichtigsten ist es, die Wahrheit in sich selbst zu finden. Sogar eine Wahnsinnige kennt ihre eigene Wahrheit. Der Begriff "wahnsinnig" ist sehr negativ konnotiert, aber alles ist ja nur eine Reaktion auf etwas anderes. Auf diese Weise ist auch Wahnsinn normal.
Danica Curcic in dem Kurzfilm J.T. (2013) von Lisa Alma.
Hast du auch Projekte in Serbien? Ist die Kinoszene dort interessant für dich?
Im Moment habe ich kleine Pläne, aber die serbische Filmszene ist sehr vielversprechend. Ich habe zum Beispiel den Film Clip (2012) gesehen und fand ihn sehr stark und direkt als Porträt zweier unterschiedlicher Generationen - die eine versinkt in Nostalgie, die andere versucht, in einem Land zu überleben, das komplett zerstört wurde. Ich kann auch kaum warten, Krugovi (Circles, 2013) mit Nikola Rakocevic zu sehen, der dieses Jahr auch ein European Shooting Star ist. Ich habe gehört, dass der Film sehr toll sein soll. Kusturicas Underground ist, meiner Meinung nach, einer der besten Filme, die je gedreht wurden. Ich würde unglaublich gerne mit ihm zusammenarbeiten. Bis jetzt habe ich ihn noch nicht kontaktiert, aber vielleicht sollte ich das.
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Translated from ‘Madness is normal’: An Interview with Danica Curcic