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Europawahl-Parteiencheck: Jugend

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Berlin

Am 25. Mai ist Europawahl und wieder einmal stellt sich die Frage: Welche Partei soll ich wählen? Cafébabel Berlin macht den Parteiencheck. Teil 4: Was wird für junge Menschen getan?

Die Ju­gend ist die Zu­kunft Eu­ro­pas: Da sind sich ei­gent­lich alle Po­li­ti­ker in Eu­ro­pa einig. So wirkt es zu­min­dest, wenn man ihren oft un­be­hol­fe­nen Aus­sa­gen glau­ben kann. Was aber wol­len die Par­tei­en wirk­lich än­dern? Und vor allem wie?

SPD: Für die Ju­gend ar­bei­ten

Der Kampf gegen Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit muss obers­te Prio­ri­tät eu­ro­päi­scher Po­li­tik sein, for­dert die SPD. Und dafür hat die Par­tei hat auch kon­kre­te Pläne: So sol­len in den nächs­ten zwei Jah­ren die ver­ein­bar­ten eu­ro­päi­schen Mit­tel gegen Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit zur Ver­fü­gung ge­stellt und deut­lich auf­ge­stockt wer­den. Ziel ist es, die Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit in Eu­ro­pa in fünf Jah­ren um min­des­tens 30 Pro­zent zu ver­rin­gern. Die Eu­ro­päi­sche Ju­gend­garan­tie, der zu­fol­ge jeder ar­beits­lo­ser Ju­gend­li­cher unter 25 Jah­ren in­ner­halb von vier Mo­na­ten ein hoch­wer­ti­ges Job- oder Fort­bil­dungs­an­ge­bot er­hält, soll durch ver­bind­li­che Etap­pen­zie­le und eine aus­rei­chen­de Fi­nan­zie­rung er­mög­licht wer­den. Kon­kre­te Vor­schlä­ge, wie dies um­ge­setzt wer­den soll, be­nen­nen die So­zi­al­de­mo­kra­ten nicht. Da­ge­gen schla­gen sie vor, das Duale Aus­bil­dungs­sys­tem grenz­über­grei­fend und re­gio­nal in Eu­ro­pa an­zu­bie­ten und in an­de­re eu­ro­päi­sche Län­der zu über­tra­gen. Da passt es auch, dass Meis­ter- und Tech­ni­ker­ab­schlüs­se in Eu­ro­pa voll­stän­dig an­er­kannt wer­den sol­len und, dass die SPD sich für das EU-Aus­tausch­pro­gramm Eras­mus+ ein­setzt. Doch glück­li­cher­wei­se steht für die SPD nicht nur die schu­li­sche Bil­dung im Vordergrund: In Sa­chen Ju­gend­po­li­tik for­dert sie eine bes­se­re Fi­nan­zie­rung der Ju­gend­bil­dungs­ar­beit. Warum? Es geht na­tür­lich um po­li­ti­sche Bil­dung in Eu­ro­pa, denn „eine zen­tra­le Rolle neh­men hier­bei die Ju­gend­ver­bän­de ein“, fin­det die SPD. 

CDU: Thema Ju­gend steckt noch in Kin­der­schu­hen

Auch die CDU stimmt darin über­ein, Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit zu be­kämp­fen, indem ge­zielt För­der­mit­tel ein­ge­setzt wer­den. Doch eine große Be­deu­tung scheint das Thema nicht zu haben, denn es wird nur in Zu­sam­men­hang mit einer Stei­ge­rung der Wett­be­werbs­fä­hig­keit und neuen Ar­beits­plät­zen ge­nannt. Zwar möch­ten die Christ­de­mo­kra­ten eben­so die Ju­gend­garan­tie fort­füh­ren und aus­bau­en, wirk­lich kon­kre­te Maß­nah­men be­nen­nen sie je­doch keine. Sie möch­ten le­dig­lich „an­de­re eu­ro­päi­sche Län­der dabei un­ter­stüt­zen, die er­folg­rei­che duale Aus­bil­dung in Schu­le und Be­trieb ein­zu­füh­ren.“ In Sa­chen Ju­gend­mo­bi­li­tät wird die CDU dann schon kon­kre­ter,  denn im Rah­men von Eras­mus+ sol­len bis 2020 min­des­tens 50 Pro­zent der Hoch­schul­ab­sol­ven­ten einen Teil ihres Stu­di­ums im Aus­land ver­bracht haben. Bei jun­gen Er­wach­se­nen in der Aus­bil­dung sol­len dies rund zehn Pro­zent sein. Das ist am­bi­tio­niert, denn sol­che Vor­ha­ben schei­tern häu­fig schon an selt­sa­men Stu­di­en­be­din­gun­gen. Und bei die­ser Menge könn­te auch die Qua­li­tät der Auf­ent­hal­te lei­den. Po­si­tiv ist, dass die CDU das Deutsch-Fran­zö­si­sche und das Deutsch-Pol­ni­sche Ju­gend­werk als „ent­schei­den­de Ele­men­te der eu­ro­päi­schen Ver­stän­di­gung“ wei­ter­hin in­ten­siv för­dern möch­te. Doch wäh­rend die CDU im Rah­men der Be­geg­nungs­kul­tur und Eu­ro­päi­scher Frei­wil­li­gen­diens­te Ver­bän­de, zi­vil­ge­sell­schaft­li­che Or­ga­ni­sa­tio­nen und Bil­dungs­ein­rich­tun­gen stär­ken möch­te, ist in Sa­chen Ju­gend­po­li­tik keine Rede mehr davon – die wird näm­lich schlicht­weg nicht er­wähnt. 

Die Ju­gend­garan­tie als Lö­sung? Die Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on er­klärt Sinn und Zweck des neuen Gesetzes.

Bünd­nis 90/Die Grü­nen: Ar­beits­lo­sig­keit ver­hin­dert ju­gend­li­che Par­ti­zi­pa­ti­on

Die Grü­nen sagen es ganz deut­lich: „Lange Zei­ten der Ar­beits­lo­sig­keit oder ein Leben in pre­kä­ren Ar­beits­ver­hält­nis­sen be­rau­ben Ju­gend­li­che ihrer Au­to­no­mie, ihrer Ent­wick­lungs­po­ten­zia­le und ihrer Teil­ha­be­mög­lich­kei­ten.“ Daher haben sie die Al­ters­gren­ze der Ju­gend­garan­tie auf 30 Jahre an­ge­ho­ben. Gleich­zei­tig  soll ein deut­lich bes­ser aus­ge­stat­te­ter So­zi­al­fonds Mit­glied­staa­ten mit einer hohen Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit mehr fi­nan­zi­el­le Mit­tel zur Ver­fü­gung stel­len. Die Ju­gend­be­schäf­ti­gungs­in­itia­ti­ve für Re­gio­nen mit einer Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit über 25 Pro­zent reicht den Grü­nen da nicht aus und ist „im Ver­gleich zu den Mil­li­ar­den­sum­men zur Sub­ven­tio­nie­rung gro­ßer in­dus­tri­el­ler Agrar­be­trie­be un­ver­hält­nis­mä­ßig klein.“ Au­ßer­dem sol­len hoch­wer­ti­ge Ar­beits­plät­ze und Qua­li­fi­zie­rungs­an­ge­bo­te Vor­rang vor Prak­ti­ka haben. Die Grü­nen for­dern dar­über hin­aus eine an­ge­mes­se­ne fi­nan­zi­el­le Aus­stat­tung für Ju­gendaus­tausch­pro­gram­me in dem diese extra in den EU-Haus­halt ein­ge­plant wer­den. Die­ser Fonds solle be­reits exis­tie­ren­de Ju­gend­pro­gram­me för­dern und für neue Pro­gram­me aus­ge­wei­tet wer­den, so­dass nicht-aka­de­mi­sche Bil­dungs­zwei­ge  teil­neh­men kön­nen. Doch das reicht den Grü­nen nicht: „Junge Men­schen ge­hö­ren auf allen Ent­schei­dungs­ebe­nen stär­ker be­tei­ligt, vom so­zia­len Dia­log bis hin zur struk­tu­rier­ten Ein­bin­dung von Ju­gend­or­ga­ni­sa­tio­nen im eu­ro­päi­schen Po­li­tik­pro­zess.“  

FDP:  Hil­fen ja, aber Eu­ro­pa bleibt dabei schön drau­ßen

Duale Be­rufs­aus­bil­dung, eine stär­ke­re Ver­zah­nung der Ar­beits­märk­te im Be­reich der nied­ri­gen und mitt­le­ren Ein­kom­men und die Durch­füh­rung struk­tu­rel­ler Ar­beits­markt­re­for­men: Für die FDP hat der Ar­beits­markt grund­sätz­lich eine große Be­deu­tung, auch die Be­kämp­fung der Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit. Doch Nä­he­res zur Ju­gend ver­säu­men die Li­be­ra­len zu er­wäh­nen. Eines sagen sie aber deut­lich: „Die Zu­stän­dig­keit für Bil­dung und Ar­beits­markt soll je­doch bei den Mit­glieds­staa­ten ver­blei­ben.“ Gleich­zei­tig for­dern sie je­doch, dass die EU für Schul- und Hoch­schul­ab­sol­ven­ten den Zu­gang in die Ar­beits­märk­te an­de­rer Mit­glieds­staa­ten wei­ter er­leich­tern. Des­halb sol­len auch be­ste­hen­de schu­li­sche Aus­tausch­pro­gram­me stär­ker ge­för­dert und wei­ter­ent­wi­ckelt wer­den. Wer wirk­lich davon pro­fi­tiert, bleibt un­klar. 

Die Linke: Ju­gend­för­de­rung statt Si­cher­heits­in­dus­trie

Für die Linke geht die Ju­gend vor: „Es dür­fen keine Haus­halts­mit­tel für die Rüs­tungs­for­schung und Si­cher­heits­in­dus­trie zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den. Eine wirk­sa­me Ju­gend­för­de­rung, die auch die Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit be­kämpft, muss den Vor­rang haben.“ Dazu sol­len Ar­beits­plät­ze durch ein eu­ro­päi­sches Zu­kunfts­in­ves­ti­ti­ons­pro­gramm ge­schaf­fen und ein Recht auf Aus­bil­dung und Über­nah­me ein­ge­führt wer­den. Dar­über hin­aus müsse es ein So­fort­pro­gramm für Men­schen ohne ab­ge­schlos­se­ne Be­rufs­bil­dung geben. Auch wenn die Par­tei Ju­gend­frei­wil­li­gen­diens­te – auch für fi­nan­zi­ell Schwä­che­re, Be­hin­der­te und an­de­re be­nach­tei­lig­te Grup­pen – un­ter­stützt, dürfe die­ses En­ga­ge­ment nicht als Lü­cken­bü­ßer für So­zi­al­ab­bau und zum Aus­bau des Nied­rig­lohn­sek­tors miss­braucht wer­den. 

Die Pi­ra­ten: Alles und nichts

Die Pi­ra­ten wir­ken ein wenig ver­lo­ren: Zwar ist Bil­dung für sie die beste In­ves­ti­ti­on in die Zu­kunft  und „un­er­setz­li­cher Be­stand­teil jeder sinn­vol­len Stra­te­gie zur Be­kämp­fung der Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit in Eu­ro­pa“, doch als Lö­sung prä­sen­tie­ren sie le­dig­lich ein Ge­samt­kon­zept aus Bil­dung, In­fra­struk­tur und einem Pro­gramm zur För­de­rung der Wirt­schaft.  Im Ge­gen­satz zu allen an­de­ren Par­tei­en fas­sen die Pi­ra­ten Ju­gend­mo­bi­li­tät wort­wört­lich auf. Nur eine eu­ro­pa­weit gül­ti­ge Mo­bi­li­täts-Flat nach Vor­bild des Se­mes­ter­ti­ckets für jeden jun­gen Men­schen, er­mög­li­che ein ge­mein­sa­mes Eu­ro­pa im 21. Jahr­hun­dert, in dem auch neue di­gi­ta­le Be­kannt­schaf­ten und Freund­schaf­ten ge­pflegt wer­den kön­nen. 

Fazit: Im Ver­gleich zu den Bun­des­tags­wah­len spielt die Ju­gend bei der Eu­ro­pa­wahl nur eine ge­rin­ge Rolle – zu sehr ist Ju­gend­po­li­tik immer noch Ge­gen­stand na­tio­na­ler Zu­stän­dig­keit. Alle Par­tei­en sind sich darin einig, die Ju­gend­ar­beits­lo­sig­keit in Eu­ro­pa zu be­kämp­fen und Ju­gend­mo­bi­li­tät zu för­dern. Wäh­rend die CDU, die FDP, die Pi­ra­ten und die Linke das Thema Ju­gend­po­li­tik gar nicht the­ma­ti­sie­ren, tun dies SPD und Bünd­nis 90/Die Grü­nen in grö­ße­rem Aus­maß. Sie wid­men dem Thema Ju­gend sogar ein ei­ge­nes Ka­pi­tel im Par­tei­pro­gramm. Viel­leicht hat die Ju­gend Eu­ro­pas doch noch eine Zu­kunft?

Europawahlen 2014 auf Cafébabel Berlin

Weil Europa nicht nur eine hippe, spannende und junge Seite hat, sondern auch politische Institutionen braucht, ist der 25. Mai 2014 ein fixes Datum in unseren Kalendern. Wann, was, wo, warum wählen gehen? Mehr Infos zum Wahltag, den Parteien und der politischen Struktur der EU im Allgemeinen gibt es hier im Magazin und wie immer auch auf Facebook und Twitter