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Europawahl-Parteiencheck: Gleichberechtigung

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BerlinPolitikEuropawahlen Spezial

Am 25. Mai ist Eu­ro­pa­wahl und mal wie­der stellt sich die Frage: Wen wäh­len? Cafébabel macht den Par­tei­en­check.Teil 1: Wie steht es um den Ein­satz für Gleich­be­rech­ti­gung?

Män­ner und Frau­en sind gleich­be­rech­tigt. Theo­re­tisch. Prak­tisch hin­ge­gen gibt es immer noch jede Menge Be­nach­tei­li­gun­gen, klei­ne und große Un­ge­rech­tig­kei­ten. Dinge, bei denen man sich denkt: Mo­ment mal. Wie also wol­len die Par­tei­en das än­dern?

SPD: Gleich­stel­lungs­po­li­tik als Quer­schnitts­auf­ga­be

Die SPD er­klärt die Gleich­stel­lung zwi­schen Frau­en und Män­nern zur „eu­ro­päi­sche[n] Er­folgs­ge­schich­te“ – die aber wohl stel­len­wei­se nicht so er­folg­reich ist, denn ge­for­dert wer­den „glei­che Lohn- und Ar­beits­be­din­gun­gen für glei­che Ar­beit am glei­chen Ort – für Män­ner und Frau­en!“. Das Thema Gleich­stel­lungs­po­li­tik ver­steht die SPD nach ei­ge­ner Aus­sa­ge als „Quer­schnitts­auf­ga­be“, schließ­lich sind „Frau­en von den Fol­gen der Krise be­son­ders be­trof­fen“. Dies er­for­dert „ver­bind­li­che eu­ro­päi­sche Re­ge­lun­gen“ – die aber nicht näher er­läu­tert wer­den. In­ter­es­san­tes De­tail: Das Thema Frau­en­quo­te – bei dem die SPD sich gerne als Vor­rei­te­rin gibt – fin­det im Pro­gramm keine Er­wäh­nung.

Gleichstellung für Dummies - so setzt die Europäischen Kommission den Feminismus in Szene. 

CDU: Kampf der Zwangs­pro­sti­tu­ti­on

Auch die CDU will „die Gleich­stel­lung von Män­nern und Frau­en in Eu­ro­pa wei­ter stär­ken“. So wich­tig scheint das Thema je­doch nicht zu sein, taucht es doch rechts spar­sam im Pro­gramm auf, näm­lich dort, wo es  um die „Be­kämp­fung von Men­schen­han­del, Zwangs­pro­sti­tu­ti­on, Zwangs­ver­hei­ra­tung und Or­gan­han­del“ geht. In Sa­chen Frau­en­quo­te hält sich die CDU eben­so be­deckt wie die SPD.

Bünd­nis 90/Die Grü­nen: Gleich­stel­lung nicht nur auf dem Pa­pier

Für die Grü­nen ist klar: Dis­kri­mi­nie­rung muss be­en­det wer­den. Ähn­lich wie die SPD ist man von der Vor­rei­ter­rol­le Eu­ro­pas über­zeugt: „Durch Druck aus Brüs­sel ist die Gleich­stel­lung der Ge­schlech­ter mitt­ler­wei­le in allen Mit­glied­staa­ten fest­ge­schrie­ben“. Auf eu­ro­päi­scher Ebene for­dern die Grü­nen ein Gen­der-Bud­ge­ting der jähr­li­chen EU-Haus­hal­te (Frau­en sol­len min­des­tens zu glei­chen Tei­len von eu­ro­päi­schen Gel­dern pro­fi­tie­ren) sowie eine an­ge­mes­se­ne Res­sour­cen-Aus­stat­tung des Eu­ro­päi­schen In­sti­tuts für Gleich­stel­lungs­fra­gen, damit die­ses ver­gleich­ba­re wis­sen­schaft­li­che Grund­la­gen zur An­ti­dis­kri­mi­nie­rungs­po­li­tik und ge­schlech­ter­spe­zi­fi­schen Fra­gen in allen Po­li­tik­fel­dern lie­fern kann. Die Richt­li­nie zur Ent­gelt­gleich­heit (glei­cher Lohn für gleich­wer­ti­ge Ar­beit) müsse ef­fek­tiv um­ge­setzt wer­den.

Eine ver­bind­li­che Frau­en­quo­te soll nicht nur in Auf­sichts­rä­ten gro­ßer Fir­men gel­ten, son­dern auch in Füh­rungs­gre­mi­en von EU-In­sti­tu­tio­nen wie z.B. der EZB. Des­wei­te­ren schla­gen die Grü­nen ver­schie­de­ne Maß­nah­men zur Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fa­mi­lie vor, z.B. das in­di­vi­du­el­le Recht auf gute Kin­der­be­treu­ung oder die Ver­ab­schie­dung einer Mut­ter­schutz-Richt­li­nie sowie zwei Wo­chen Va­ter­schafts­ur­laub im Mi­nis­ter­rat. Eu­ro­pa­weit soll der Zu­gang zu me­di­zi­nisch si­che­ren Ab­trei­bun­gen und zu Ver­hü­tungs­mit­teln ge­si­chert wer­den. Ge­walt gegen Frau­en und Mäd­chen sagen die Grü­nen den Kampf an, eben­so wie Se­xis­mus z.B. in Form se­xis­ti­scher Wer­bung. Auch den Rech­ten von Les­ben, Schwu­len, Bi­se­xu­el­len, Trans­se­xu­el­len, Trans­gen­der und In­ter­se­xu­el­len (LSBT­TI) wid­men die Grü­nen einen län­ge­ren Ab­satz und for­dern ihre voll­stän­di­ge Gleich­stel­lung „nicht nur auf dem Pa­pier“.

FDP: Für Viel­falt und Gleich­stel­lung

Die FDP be­tont, dass sie „in­ner­halb und au­ßer­halb der Eu­ro­päi­schen Union für Viel­falt und Gleich­stel­lung sowie gegen Dis­kri­mi­nie­rung, Ras­sis­mus und Ho­mo­pho­bie“ ein­tritt. Im Pro­gramm fin­det sich al­ler­dings nichts dazu. Eine Frau­en­quo­te lehnt die FDP ent­schie­den ab.

Die Linke: Der Traum einer fe­mi­nis­ti­schen Union

Ganz pro-eman­zi­pa­to­risch gibt sich Die Linke. Sie ver­langt eine „Ver­fas­sung für Eu­ro­pa“, die die EU u.a. auch zur „Gleich­be­rech­ti­gung der Ge­schlech­ter“ ver­pflich­tet. Tat­säch­lich ist Die Linke die ein­zi­ge Par­tei, die sich als „fe­mi­nis­tisch“ be­zeich­net und sich für eine „fe­mi­nis­ti­sche Union“ ein­setzt: „Wir wol­len eine Eu­ro­päi­sche Union, die fe­mi­nis­tisch, frei von Aus­schluss­me­cha­nis­men, frei von pa­tri­ar­cha­len Herr­schafts­struk­tu­ren, frei von Aus­beu­tung und so­zia­len Un­gleich­hei­ten ist“. Ein be­son­de­res Au­gen­merk legt Die Linke dabei auf den Ar­beits­markt, denn vor allem Frau­en ar­bei­ten in so­ge­nann­ten ge­ring­fü­gi­gen Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­sen und ver­die­nen in der EU auch sonst im Schnitt 17 Pro­zent we­ni­ger als ihre männ­li­chen Kol­le­gen. Die Linke for­dert eine eu­ro­pa­wei­te Min­dest­lohn­re­ge­lung – diese käme vor allem Frau­en zu­gu­te. Des­wei­te­ren ist Die Linke für eine ver­bind­li­che Frau­en­quo­te in Füh­rungs­eta­gen. Die se­xu­el­le Selbst­be­stim­mung ist der Par­tei eben­falls ein An­lie­gen, d.h. die EU-wei­te Le­ga­li­sie­rung von Schwan­ger­schafts­ab­brü­chen oder der Kampf gegen Dis­kri­mi­nie­rung auf­grund der se­xu­el­len Iden­ti­tät.

Noch mehr Slapstick von der EU Kommission: Diesmal zum Thema Diversity. 

Die Pi­ra­ten: Über­win­dung tra­di­tio­nel­ler Rol­len- und Fa­mi­li­en­mo­del­le

Die Pi­ra­ten setz­ten sich „für Chan­cen­gleich­heit von Ar­beit­neh­mern in Eu­ro­pa un­ab­hän­gig von ihrer Her­kunft oder ihrem Ge­schlecht“ ein sowie für glei­che Be­zah­lung. Ein be­son­de­rer Fokus liegt auf der Fa­mi­li­en­po­li­tik. Jeder, so die For­de­rung, soll selbst über die Form des Zu­sam­men­le­bens be­stim­men kön­nen und durch keine Fa­mi­li­en­re­form be­nach­tei­ligt wer­den: „Wir PI­RA­TEN set­zen uns dafür ein, die ein­sei­ti­ge Be­vor­zu­gung tra­di­tio­nel­ler Rol­len-, Fa­mi­li­en- und Ar­beits­mo­del­le zu über­win­den. Echte Wahl­frei­heit be­steht erst, wenn län­ge­re be­ruf­li­che Aus­zei­ten oder Teil­zeit­ar­beit un­ab­hän­gig vom Ge­schlecht ge­sell­schaft­li­che Nor­ma­li­tät sind.“ Für die Pi­ra­ten be­deu­tet das auch die recht­li­che Gleich­stel­lung gleich­ge­schlecht­li­cher Part­ner­schaf­ten sowie deren Recht auf die Grün­dung einer Fa­mi­lie. Fa­mi­li­en mit Kin­dern sol­len be­son­de­re fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung er­hal­ten und auf kos­ten­freie Be­treu­ungs- und Bil­dungs­an­ge­bo­te zu­rück­grei­fen kön­nen.

Fazit: Gleich­be­rech­ti­gung wol­len ir­gend­wie alle der ana­ly­sier­ten Par­tei­en – man­che ma­chen das al­ler­dings deut­li­cher als an­de­re. Die FDP hat sich am we­nigs­ten Mühe ge­ge­ben, das Thema in ihr Wahl­pro­gramm zu in­te­grie­ren. Aber auch SPD und CDU müs­sen eine Runde nach­sit­zen: Außer schwam­mi­gen For­mu­lie­run­gen fin­det sich in ihren Pro­gram­men nicht viel – eine Er­wäh­nung der Frau­en­quo­te schon gar nicht. Er­staun­lich fort­schritt­lich geben sich die Pi­ra­ten, postgen­der scheint nicht mehr an­ge­sagt zu sein. Der Fokus auf Fa­mi­li­en­po­li­tik: po­si­tiv. Bei der Lin­ken ist klar, dass das Thema Min­dest­lohn im Vor­der­grund steht und die Ar­beits­ver­hält­nis­se von Frau­en dabei nur ein Teil­as­pekt sind. Trotz­dem: Thema er­kannt und Maß­nah­men er­dacht. Punk­te gibt es au­ßer­dem für die Be­reit­schaft, sich als „fe­mi­nis­ti­sche Par­tei“ zu be­zeich­nen. Die Grü­nen lie­fern das um­fang­reichs­te Maß­nah­men­pa­ket in Sa­chen Gleich­be­rech­ti­gung. Und: Grü­nen-Spit­zen­kan­di­da­tin Ska Kel­ler ist die ein­zi­ge Henne im Korb der eu­ro­päi­schen Spit­zen­kan­di­da­ten. 

EU­RO­PA­WAH­LEN 2014 AUF CAFÉBABEL BER­LIN

Weil Eu­ro­pa nicht nur eine hippe, span­nen­de und junge Seite hat, son­dern auch po­li­ti­sche In­sti­tu­tio­nen braucht, ist der 25. Mai 2014 ein fixes Datum in un­se­ren Ka­len­dern. Wann, was, wo, warum wäh­len gehen? Mehr Infos zum Wahl­tag, den Par­tei­en und der po­li­ti­schen Struk­tur der EU im All­ge­mei­nen gibt es hier im Ma­ga­zin und wie immer auf Face­book und Twit­ter