Europawahl-Parteiencheck: Außenpolitik
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Am 25. Mai ist Europawahl und wieder einmal stellt sich die Frage: Welche Partei soll ich wählen? Cafébabel Berlin macht den Parteiencheck. Teil 7: Wie sieht es außerhalb der EU aus?
Momentan tun sich die europäischen Länder schwer damit, eine gemeinsame Außenpolitik zu vertreten – zu unterschiedlich sind die Meinungen in den Bereichen Militär, nationale Partnerschaften und Menschenrechte. Was aber wollen die Parteien denn nun für eine europäische Außenpolitik in der Zukunft?
SPD: EU als Friedensmacht
Egal ob Türkei, die Länder des westlichen Balkans oder die Ukraine: „Wir wollen, dass die EU ihre Türen für neue Mitglieder offen hält, wenn diese vor dem Beitritt alle erforderlichen Kriterien erfüllen. Auch muss die EU ihre eigene Aufnahmefähigkeit sicherstellen“, betont die SPD. Demokratische und menschenrechtliche Fragen müssten dabei in einem offenen Dialog thematisiert und ein notwendiger politischer sowie gesellschaftlicher Wandel in diesen Ländern vorangebracht werden. Auch Russland möchten die Sozialdemokraten für gemeinsame Problemlösungen bei internationalen Herausforderungen gewinnen und die Partnerschaft weiterentwickeln. Insgesamt will die SPD, dass Europa seine Erfahrungen der inneren Friedensstiftung auch in die internationalen Beziehungen einbringt und aktiv hilft, eine friedliche und gerechte Ordnung in der Welt zu etablieren. Dazu solle das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit intensiver genutzt werden. Schwerpunkte seien dabei diplomatische und zivile Mittel zur Krisenprävention und Konfliktregelung. Langfristiges Ziel bleibe aber der Aufbau einer Europäischen Armee. An den EU-Außengrenzen dürfe es aber keine Abstriche beim Flüchtlingsschutz und den Menschenrechten geben. Dazu bedürfe es einer europäischen Initiative, die die Koordination zwischen den verschiedenen Akteuren an Europas Außengrenzen im Mittelmeer verbessert. Die Europäische Grenzschutzagentur Frontex müsse dahingehend reformiert werden.
Zwei Unionen, eine Vision? So sieht die Europäische Kommission die Partnerschaft (2014).
CDU: Die EU muss an den Außengrenzen verteidigt werden.
Ein gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in Europa – das ist das europäische Ziel der CDU. Ein wirksamer Schutz der Außengrenzen sei ein Garant für die Sicherheit in Europa. Daher wollen die Christdemokraten auch die ihrer Meinung nach „erfolgreiche“ Arbeit von Frontex weiterstärken. Denn die Mitgliedstaaten der EU müssten auch in Zukunft bei der Grenzverwaltung eng zusammenarbeiten. Dies gelte ebenso für die Zusammenarbeit mit den Grenz- und Zollbehörden von Drittländern. Die Partei betont jedoch, dass beim Schutz der Außengrenzen menschenrechtliche und humanitäre Standards eingehalten werden müssen. Die CDU setzt sich dafür ein, dass der Hohe Beauftragte für die Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin als Vizepräsident in der Europäischen Kommission verankert bleibt, damit die EU wirksamer in der Welt auftreten und handeln könne.
Die Fähigkeiten des Europäischen Auswärtigen Dienstes für ein vorbeugendes Krisenmanagement und für eine schnelle Krisenreaktion müssten jedoch verbessert werden. Gleichzeitig solle die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu einer gemeinsamen Verteidigung der EU ausgebaut werden. Hierbei setzt die CDU zunächst auf das Konzept der Anlehnungspartnerschaft (Nachbarländer können sich an militärische Fähigkeiten der größeren Mitgliedstaaten der EU ankoppeln, AdR) Langfristig strebt die CDU eine europäische Armee an. Für eine erfolgreiche Außenpolitik und ein mehr an Freiheit, Sicherheit und Wohlstand in der Welt sind für die CDU auch verschiedene Partner von Bedeutung. Dazu zählen die transatlantischen Partnerschaft, ein gutes, nachbarschaftliches Verhältnis zu Russland und eine Zusammenarbeit mit Schwellenländern wie China, Indien, Brasilien, Mexiko, Nigeria oder Südafrika. Die EU müsse deshalb die nachhaltige Entwicklung reformbereiter Länder weiter tatkräftig unterstützen. Für die CDU ist dabei jedoch die Wahrung der Menschenrechte nach christlichen Bild ein wichtiger Bestandteil der europäischen Außenpolitik sein. Eine demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung in der östlichen Nachbarschaft und im Nahen und Mittleren Osten sei von zentralem Interesse.
Bündnis 90/Die Grünen: Außenpolitik zur Förderung der Menschenrechte
Die Grünen fordern eine neue gemeinsame außenpolitische Strategie: So müsse die bestehende Europäische Sicherheitsstrategie abgelöst werden und nun auf den Prinzipien der Multilateralität, der Internationalität, der parlamentarischen Kontrolle und des „Primats des Zivilen“ basieren. Nationale Streitkräfte in der EU sollten weitgehend aufeinander abgestimmt werden. Ziel ist es, eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu entwickeln, die Streitkräfte in Europa zu integrieren und zu reduzieren. Dabei soll die EU als Zivilmacht dienen, die sich für Abrüstung einsetzt und deren Mitgliedstaaten keine Waffen an Diktaturen und in Krisengebiete liefern. Kritisch sieht die Partei jedoch Frontex oder Systeme wie „Smart Borders“, durch die alle Angehörigen von Drittstaaten künftig mit Fingerabdrücken bei der Einreise in die EU kontrolliert werden sollen.
Die Grünen schlagen weiterhin vor, aus den europäischen Botschaften zentralen Stellen für Konsularangelegenheiten für alle EU-BürgerInnen zu machen, um den Service zu verbessern, unnötige Strukturen einzusparen und die Sichtbarkeit der EU im Ausland zu erhöhen. So könne die EU auch Anreize für demokratische Reformen setzen, die einen Mehrwert bieten, und nicht bevormunden. Die EU solle Länder in Nordafrika, der arabischen Welt, Osteuropas sowie Russland in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, grenzüberschreitende Kooperation, wirtschaftliche Modernisierung, gemeinsame europäische Sicherheit und Reisefreiheit unterstützen. Daher setzen sich die Grünen für großzügige finanzielle Hilfen, Erleichterungen bei der Visavergabe, Marktzugang und Arbeitsmigration ein. Dazu gehört für sie auch, den Kulturaustausch zu fördern und jungen Menschen umfassende Möglichkeiten zu Ausbildung und Studium in der EU zu bieten. Die EU solle ebenfalls eine aktive, unterstützende Rolle für eine Friedenslösung im Nahostkonflikt einnehmen. Europa solle sich darüber hinaus um gute und verlässliche Beziehungen zu den Staaten Afrikas, China, Indien und Brasilien bemühen. Dies soll aber mit kritischem Blick geschehen, der es erlaubt, gemeinsame Ziele zu erreichen und gleichzeitig Differenzen z. B. in Sachen Menschenrechten in einem offenen Dialog auf Augenhöhe auszutragen.
Europa - von Krieg zu Frieden (Europäische Kommission, 2013).
Die Grünen setzen sich für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Identität, ihres Geschlechts, ihrer Religion, Ethnie oder ihrer politischen Ansichten diskriminiert und verfolgt werden ein. Sie fordern, dass die EU den Druck auf Staaten erhöht, die den Einsatz von Kindersoldaten, Sklaverei und Gewalt gegen Frauen sowie LSBTTI nicht ächten. Sanktionen könnten dabei ein zielführendes Instrument sein, um gegen Verletzungen des Völkerrechts vorzugehen und massive Menschenrechtsverletzungen zu stoppen.
FDP: Inneres Europa = äußeres Europa
Für die FDP kann die Freiheit im Inneren Europas nur existieren, wenn es geschlossen nach außen auftritt. Die Liberalen finden die derzeitige europäische Außenpolitik jedoch zu fragmentiert, da sie in wesentlichen Fragen von den Mitgliedstaaten und nicht von der EU selbst gestaltet wird. Sie fordern die Überwindung dieser „Zersplitterung“. Daher soll auch der Hohe Beauftragte für das gesamte Außenhandeln der EU die koordinierende Verantwortung tragen – also auch für die Nachbarschaftspolitik und die Entwicklungszusammenarbeit. Gleichzeitig könnten die EU-Botschaften in vielen Ländern außerhalb der EU auf Wunsch auch Aufgaben nationaler Botschaften übernehmen.
Gleichzeitig dürfe keinem Nachbarstaat der die Werte der EU teilt, die Mitgliedschaft verweigert werden. Dazu müssten aber nicht nur die Beitrittskandidaten die in den Europäischen Verträgen vorgesehenen Bedingungen dauerhaft erfüllen, auch die EU selbst müsse ihre Strukturen anpassen und aufnahmefähig sein. „Rabatte bei der Erfüllung der Kriterien wie in der Vergangenheit darf es nicht geben. Entschlossene rechtsstaatliche Reformen und ein gesamtstaatlicher Modernisierungskurs hin zu EU-Standards sind die Voraussetzung für eine Aufnahme in die Europäische Union“, sagt die FDP. Die Partei möchte, dass die EU ein Ort hoher Menschenrechtstandards ist, die auch ihren eigenen hohen Ansprüchen gerecht wird. Ein engagiertes Auftreten für Vielfalt und Gleichstellung sowie gegen Diskriminierung, Rassismus und Homophobie innerhalb und außerhalb der EU sei absolut notwendig. In der Demokratieförderung müsse die EU jedoch flexibler und schneller auf Entwicklungen in der Nachbarschaft reagieren. Dabei soll sie auch zum einen die Expertise der deutschen politischen Stiftungen heranziehen und zum anderen ihr eigenes Instrumentarium verbessern.
Die Linke: Frieden als Markenzeichen Europas
„Wir wollen politische Lösungen, keine neuen Kriege unter Beteiligung der EU“, sagen die Linken. Sie lehnen jegliche Form von Gewaltanwendungen in internationalen Beziehungen ab. Daher setzt sich die Linke insbesondere für die Einhaltung des in der UN-Charta verankerten Gewaltverbots ein. Deshalb fordern sie auch ein Kooperationsverbot von Geheimdiensten und Polizei auf europäischer und nationaler Ebene, die Offenlegung geheimer Verträge und Zusatzartikel, die Beendigung von Auslandseinsätzen sowie ein Verbot der Rüstungsproduktion und -exporte. Und die Partei geht noch weiter: Sie möchte die Union zu einem gemeinsamen Bürgerrechtsraum umbauen, in dem demokratische Grundrechte universelle Geltung haben. Da passt es auch, dass die Linke die Europäische Nachbarschaftspolitik in ihrer bisherigen Gestalt ablehnt: „Wir setzen uns für Beitrittsprozesse ein, in denen neben der Erfüllung der Kopenhagener keine zusätzlichen Bedingungen an einzelne Länder gestellt werden. Wir fordern eine nachhaltige EU-weite Angleichung der Lebensverhältnisse. Im Vordergrund europäischer Nachbarschaftspolitik sollen die Bekämpfung der Armut und der Wohlstand möglichst breiter Teile der Bevölkerung stehen.“
Die Piraten: Europa darf keine Festung sein
Transparenz ist das große Stichwort der Piraten. Auch bei europäischen Entscheidungen im Bereich der Außen- und Verteidigungspolitik fordern sie Offenheit. Gerade bei Militäreinsätzen bedürfe es einer besonderen demokratischen Kontrolle. In diesem Zusammenhang kritisiert die Partei die derzeitigen Strukturen der EU, da diese von einer „angemessenen demokratischen Einflussmöglichkeit“ entfernt seien. Daher sind die Piraten derzeit gegen eine aktive gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik; insbesondere was den Einsatz von bewaffneten Kräften im Ausland betrifft. Sie wünschen sich eine gemeinsame, auf demokratischen Fundamenten fußende, europäische Außen‑ und Sicherheitspolitik, die den Menschen‑ und Bürgerrechten verpflichtet ist. Sie soll sich nicht an nationalen Einzelinteressen orientieren, sondern die Bedürfnisse aller Menschen im Blick haben. Kein Wunder, dass für sie die „Festung Europa“ nicht hinnehmbar ist. Es sollen Maßnahmen zur sicheren Grenzüberquerung von flüchtenden Menschen, besonders auf den Meeren vor Europa, getroffen werden, um diesen die Möglichkeit zu geben, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Frontex sei abzuschaffen.
Fazit: In Sachen Außenpolitik sind für alle Parteien vor allem die Themen Frieden und Sicherheit, Nachbarschaftspolitik, die Aufnahme neuer Staaten in die EU und der Schutz der Menschenrechte von großer Bedeutung. Wer die europäische Außenpolitik vor allem als Sicherheitspolitik betrachtet, der ist sicherlich bei der CDU am besten aufgehoben. Wer vor allem partnerschaftliche Beziehungen und Frieden sowie Menschenrechte in den Vordergrund stellt, ist bei der SPD, den Grünen und der Linken am besten aufgehoben. Für Transparenz in der Außenpolitik sorgen die Piraten.
Europawahlen 2014 auf Cafébabel Berlin
Weil Europa nicht nur eine hippe, spannende und junge Seite hat, sondern auch politische Institutionen braucht, ist der 25. Mai 2014 ein fixes Datum in unseren Kalendern. Wann, was, wo, warum wählen gehen? Mehr Infos zum Wahltag, den Parteien und der politischen Struktur der EU im Allgemeinen gibt es hier im Magazin und wie immer auf Facebook und Twitter.