Europawahl-Parteiencheck: Asyl und Einwanderung
Published on
Am 25. Mai ist Europawahl und wieder mal stellt sich die Frage: Welche Partei soll ich wählen? Cafébabel Berlin macht den Parteiencheck. Teil 5: Wie wollen die Parteien künftig mit Asylsuchenden und Einwanderern umgehen?
Nicht erst seit Lampedusa und dem Flüchtlingscamp am Oranienplatz wissen wir, dass Europa für viele Menschen ein modernes Eldorado ist. Kriege, Hungersnöte und Verfolgung nehmen auch im 21. Jh. nicht ab und daher werden weiterhin Einwanderer und Flüchtlinge nach Europa strömen. Wie wollen die Parteien mit ihnen umgehen?
SPD: Europa als Einwanderungskontinent
Für die Sozialdemokraten ist die Wichtigkeit der Flüchtlings- und Asylpolitik in der „menschenrechtlichen Tradition“ Europas begründet. Die Sozialdemokraten pochen, vor dem Hintergrund der Schiffsunglücke im Mittelmeer, auf einen grundlegenden Kurswechsel. Dazu gehören für sie ein Ausbau der Entwicklungspolitik sowie die Stärkung des fairen Handels, wobei die SPD Europa ganz klar als „Einwanderungskontinent“ definiert. Dementsprechend will sie die Drittstaatenregelung reformieren, auf eine bessere Einhaltung der Pflicht zur Seenotrettung achten und Möglichkeiten schaffen, Flüchtlinge aus überlasteten Mitgliedsstaaten in andere Länder zu überführen. Grundsätzlich glaubt die SPD aber auch, dass „die wenigsten Menschen ihre Heimat verlassen wollen“ und baut darauf, dass eine Bekämpfung der Fluchtursachen in den Ursprungsländern Europa vor zu viel Einwanderung schützen wird.
CDU: Flüchtlingsschutz mit Haken
Die CDU gibt sich weniger menschenfreundlich und führt die Asyl- und Einwanderungsthematik in ihrem Kurzwahlprogramm erst gar nicht an. In der Langfassung scheint ihr zuallererst die Sicherung der EU-Außengrenzen durch eine Stärkung von Frontex geboten, um der illegalen Einwanderung, dem Menschen-, Waffen-, und Drogenhandel sowie dem internationalen Terrorismus Einhalt zu gebieten. Für den „Schutz politisch Verfolgter“ setzt die CDU sich aus ihrer „christlichen Überzeugung“ heraus ein, doch andere Flüchtlings- und Einwanderungsgruppen scheinen ihr nicht schutzbedürftig zu sein. Die umstrittene Dublin-III-Verordnung findet die CDU grundsätzlich gut und erkennt nur Mängel in der Ausführung durch die Mitgliedsstaaten. Insgesamt beschäftigt sich die CDU vor allem mit der effizienten Abwehr und Rückführung von Flüchtlingen.
Bündnis 90/Die Grünen: Mehr Rechte für Asylsuchende
Die Grünen gehen dieses Mal aufs Ganze und fordern einen glatten „Neuanfang in der europäischen Grenzpolitik“. Auch sie sehen Europa als „Einwanderungskontinent“ und plädieren für Migration nicht nur für Hochqualifizierte: „Wir wollen die Rechte von MigrantInnen stärken und ihre Möglichkeit zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben in der EU ausweiten.“ Dazu gehören die Öffnung des Wahlrechts, die medizinische Grund- und Notfallversorgung und das Recht auf Bildung und Betreuung für Kinder illegaler Einwanderer. Außerdem planen die Grünen, die Kompetenzen des Europäische Asylunterstützungsbüros (EASO) auszubauen und die Dublin-III-Verordnung abzuschaffen. Die Eurodac-Datenbank, in der die Fingerabdrücke aller Asylsuchenden gespeichert werden, ist für die Grünen gar der „Schandfleck des neuen europäischen Asylsystems“. Schließlich seien Flüchtlinge Schutzbedürftige und keine Kriminellen.
Kurzdoku des Guardian über den tunesischen Asylsuchenden Mohamed Munadi (2011).
FDP: Zuwanderung für kluge Köpfe
Die Liberalen interessieren sich zuallererst für die „Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte“, um dem demografischen Wandel in Deutschland entgegenzutreten. Blue Cards hält die FDP für sinnlos und plädiert vielmehr für ein europaweites Punktesystem, in dem Kandidaten mit Deutschkenntnissen und hoher Integrationsbereitschaft bevorzugt werden. Beim Thema Asyl wollen die Liberalen die EU nicht als „Festung“ verstanden wissen, trotzdem interessieren sie wieder nur die „klugen Köpfe aus Drittstaaten“. Auch politisch Verfolgten will die FDP eine Chance geben, unter der Voraussetzung, dass sie ihren „wirtschaftlichen Beitrag leisten“ dürften. Die große Überraschung: Unter Hinweis auf den Fall Edward Snowden fordert die FDP einen rechtlichen Rahmen, in dem die EU politisch Verfolgten offiziell Asyl anbieten kann, das von den einzelnen Mitgliedsstaaten gemeinsam und solidarisch getragen wird.
Die LINKE: Bleiberecht für alle
Für die LINKE liegen die stetig anschwellenden Flüchtlingsströme vor allem in der EU-Freihandelspolitik begründet. Sie kritisiert ebenso heftig die „militarisierten Polizeimethoden“ an den EU-Außengrenzen, wie sie auf „Menschenliebe“ als Grundlage jeder Asyl- und Einwanderungspolitik pocht: „Die einen mögen es mit Jesus Christus begründen, die anderen mit Karl Marx: Ein Umgang mit Menschen wie z.B. auf Lampedusa hat mit Nächstenliebe und Solidarität nicht das Geringste gemein.“ Für die LINKE ist der alte Spruch so aktuell wie nie: „Kein Mensch ist illegal!“ Deshalb fordert sie ein unbedingtes Bleiberecht für alle Flüchtlinge, die Abschaffung von Frontex sowie eine allgemeine Liberalisierung der EU-Visapolitik.
PIRATEN: Menschenwürdiges Leben für alle
Die PIRATEN gehen auch beim Thema Asyl und Einwanderung weiter als andere Parteien: „Zuflucht vor politischer Verfolgung und den Folgen von Krieg und Bürgerkrieg zu gewähren gehört zu den elementaren Verpflichtungen des Völkerrechts.“ Deswegen fordern sie eine Ausweitung der Asylgründe und die Abschaffung der Kategorisierung in „sichere und unsichere Herkunftsländer“, da jeder Fall individuell zu prüfen sei. Außerdem wollen sie Frontex, die Drittstaatenregelung und die automatische Inhaftierung von Asylsuchenden abschaffen. Und sie setzen sogar noch eins drauf: „Abschiebungen sind den Mitgliedsstaaten zu untersagen und ebenso, konsequenterweise, die Abschiebehaft.“
FAZIT: Zu einer humanitären Weltanschauung bekennen sich alle Parteien, doch muss man etwas genauer hinschauen. Nur die Grünen, die LINKE und die PIRATEN setzen sich wirklich für eine Verbesserung der rechtlichen Lage und die Abschaffung menschenrechtswidriger Praktiken ein. Wer meint, dass Europa seine Aufnahmekapazitäten ausgereizt habe, der ist bei CDU und FDP gut aufgehoben. Wer aber denkt, dass die Lage am Mittelmeer unhaltbar sei, der sollte sich eher in Richtung Mitte links orientieren.
EUROPAWAHLEN 2014 AUF CAFÉBABEL BERLIN
Weil Europa nicht nur eine hippe, spannende und junge Seite hat, sondern auch politische Institutionen braucht, ist der 25. Mai 2014 ein fixes Datum in unseren Kalendern. Wann, was, wo, warum wählen gehen? Mehr Infos gibt es hier im Magazin und wie immer auch auf Facebook und Twitter.