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Europas Mitfahrzentralen: „Mein Auto ist dein Auto“

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Lifestyle

Die Idee des car sharing ist zwar nicht neu, aber erst seit die Umwelt- und Bio-Bewegung auch die Normalbürger erfasst hat, ist es plötzlich angesagt, sein Auto mit einer wildfremden Person zu teilen. Ein Einblick in die weite Welt der europäischen Mitfahrzentralen.

Wie groß und schön ist Europa, seit es die Grenzkontrollen nicht mehr gibt! Auch wer das Schengener Abkommen meist nur vom Hörensagen kennt, profitiert mindestens einmal jährlich während des Sommerurlaubs in Zypern oder Norwegen davon.

So frei könnte Europa sein - wäre da nur nicht die Sache mit dem Geld. Was hilft die Reiselust! Wenn die erforderlichen Euro fehlen, kann auch der freie Europäer nicht in den Urlaub ins Nachbarland fahren. Vor diesem Problem stehen verständlicherweise meist junge Leute, Studenten und solche, die auf der Karriereleiter noch einige Stufen zu erklimmen haben, bevor sie sich den Wochenendtrip nach Prag leisten können.

Reisen ohne Grenzkontrollen und zeitraubende Bürokratie

Die Idee des „geteilten Autos“, die unter dem englischen Namen car sharing firmiert, ist nicht unbedingt neu. So ist beispielsweise die bekannteste deutsche Mitfahrzentrale, die Arbeitsgemeinschaft deutscher und europäischer Mitfahrzentralen e.V. (ADM) schon seit mehreren Jahren deutschlandweit erreichbar. Gleiches gilt für die die italienische Iniziativa Car Sharing (ICS) und die französische Fédération du Covoiturage (FEDUCO), die zwar jüngeren Datums ist, sich aber in den wenigen Monaten ihres Bestehens schon regen Zuspruchs erfreuen kann. Doch da die eingetragenen Vereine meist eine Vermittlungsgebühr fordern oder die Aufnahme in den Club durch Mitgliederbeiträge und andere Regularien erschweren, hat sich parallel zu den agenturbetriebenen Mitfahrzentralen eine dynamische Internetgemeinschaft herausgebildet, die unbürokratisch billige Mitfahrgelegenheiten anbietet.

Die verschiedenen Internetseiten, die meist eine Art schwarzes Brett sind und sowohl Angebote als auch Gesuche veröffentlichen, sind kaum zählbar: Allein für Frankreich sollen nach Aussagen mitfahrgeprüfter Pariser an die 80 spezialisierte Seiten existieren. Daher sind es dann doch die bekannteren und meist genutzten Seiten wie www.mitfahrgelegenheit.de für Deutschland, www.trasportiamoci.it für Italien, www.covoiturage.fr für Frankreich oder www.autospolujizda.cz für Tschechien, die als erste Anlaufspunkte dienen. Dass man auf diesen Plattformen nicht nur Angebote für kurze Fahrten im eigenen Land, sondern ebenso längere Reisen ins europäische Ausland findet, ist mittlerweile selbstverständlich.

seven resist / Flickr

Die Vorteile der Mitfahrzentrale liegen auf der Hand: Abgesehen von der Umweltverschmutzung, die durch eine geringere Anzahl von Autos auf Europas Straßen und Autobahnen deutlich reduziert wird, gibt es als Belohnung für das ökologisch und sozial verträglichere Verhalten einen deutlich geringeren Fahrpreis - für Fahrer und Mitfahrer. Da steigt man doch umso bereitwilliger aus dem eigenen Auto aus, lässt die Bahn links liegen und nimmt eine Mitfahrgelegenheit wahr.

So kostet eine Fahrt von Paris nach Prag im Urlaubsmonat Juli, die auf www.covoirturage.fr angeboten wird, per car sharing beispielsweise zwischen 40 und 60 Euro. Die Fahrt über Frankfurt am Main mit der SNCF und der Deutschen Bahn würde dagegen mit satten 106 Euro zu Buche schlagen. Da kann auch der Billigflieger nicht mithalten, schließlich muss dann immer noch der Weg zum und vom Flughafen mitgerechnet werden. Der Ort, an dem der Mitfahrer ein- und aussteigt, ist im Gegensatz dazu individuell festlegbar.

Die einsamen Stunden auf der Autobahn sind vorbei

Abgesehen von den Vorteilen für den eigenen Geldbeutel, ergibt sich ein angenehmer Nebeneffekt: Die einsamen Stunden auf unendlich scheinenden Autobahnen sind vorbei. Trifft man auf sympathische und interessante Mitfahrer, kann das Projekt Mitfahrzentrale zu einer wahren Erlebnisreise werden. Wer hat schon die Möglichkeit, mit zwei Deutschen, einem Tschechen, einer Marokkanerin und einem Hund quer durch Europa zu fahren?

Anna, eine amerikanische Austauschstudentin aus Paris, hat diese Erfahrung gemacht. Auch wenn sie erst skeptisch war, als ihre deutsche Bekannte, mit der sie von Berlin Richtung Balkan reisen wollte, die Mitfahrgelegenheit vorschlug, hat sie sich dann doch schnell mit der Idee angefreundet. „Am Anfang habe ich mich ein bisschen komisch gefühlt, schließlich habe ich das ja noch nie gemacht. Ich weiß gar nicht, ob es so etwas bei mir zu Hause überhaupt gibt! Deswegen wollte ich zuerst nicht so recht und habe dem Fahrer alle möglichen gemeinen Dinge unterstellt.“ Doch der stellte sich schnell als ein netter Elektriker heraus, der täglich die Tour von Berlin nach Tschechien fährt und keine Lust hat, die langen Stunden alleine in seinem leeren Bus zu verbringen. So profitierten alle von der Fahrt: Anna lernte einige Brocken Deutsch und Tschechisch, Sonia erzählte von Marokko. „Das war wirklich toll. Ich hätte nie geglaubt, dass eine Autofahrt so interessant sein kann, auch wenn der Hund nicht besonders gut gerochen hat!“

Die Ausrede, momentan nicht genug Geld zu haben, um die europäischen Nachbarstaaten zu bereisen, gilt schon lange nicht mehr. Auch Anna, die mittlerweile wieder in Amerika ist, will bald wieder nach Europa kommen: „Alles liegt so nah beieinander. Man kann dort so preiswert herumreisen! Ein bisschen beneide ich euch Europäer.“