Europa spielt Schach, Gaddafi ist matt und Libyen schaut zu
Published on
Translation by:
Annika SchlüterDie Zeit nach Gaddafi organisiert sich um die Übergangsregierung, die momentan versucht Tripolis in den Griff zu bekommen. Bereits heute kommen jedoch Zweifel auf. Man befürchtet, Libyen könnte ein zweiter Irak werden. Es liegt nun an Europa, die Wiederholung des Desasters nach Saddam Hussein zu vermeiden.
Die irakische Erfahrung hat Spuren hinterlassen. Wo an dem Tag nach dem Fall Saddam Husseins seitens der amerikanischen Falken triumphiert wurde, ist heute Vorsicht geboten. Es steht nicht zur Debatte, die Fehler Mesopotamiens im südlichen Mittelmeerraum zu wiederholen. Barack Obama, der darauf achtet nicht als „würdiger“ Nachfolger von George Bush durchzugehen, machte in einer seiner Reden deutlich: „Libyen ist nicht Irak“.
Washington hält sich im Hintergrund
Die Intervention in Libyen zeigt sich subtiler.
Schwierig Obama Unrecht zu geben. So wie die Amerikaner vor acht Jahren ihren Alleingang - oder Fast-Alleingang - starteten, indem sie Bagdad stürmten, zeigt sich die Intervention in Libyen durchaus subtiler. Es handelt sich diesmal um eine internationale Koalition – zunächst europäisch, dann amerikanisch - die dann moralisch sowohl von den arabischen Ländern als auch von Russland und China, welches unter UN-Mandat ins Spiel gekommen ist, unterstützt wurde. Genau die UNO war es auch, die dem amerikanischen Militarismus 2003 nur als machtloser Zuschauer beiwohnen konnte.
Es ist Schluss mit der medialen Hochstilisierung von Massenvernichtungswaffen; Schluss auch mit der hochnäsigen Unkenntnis einer internationalen Gemeinschaft, die größtenteils gegen militärische Interventionen plädiert. Acht Jahre später hat Obama die Bush-Methode abgestreift. Die Vereinigten Staaten halten sich im Hintergrund. Sie machen „nur“ 27% der Einsatztruppen der NATO aus. Das „alte Europa“ hat die USA mehr oder weniger abgelöst.
« Das war ihr Krieg »
Es sind vor allem Großbritannien, Frankreich und Italien, die das Gewicht der Intervention und die Unterstützung der Rebellen im Namen des Schutzes der Zivilbevölkerung, gemäß der UN-Resolution von 1973, tragen. Auch wenn die Intervention bezüglich der Luftangriffe und Waffenlieferungen schwerwiegender war - und den von der UNO vorgegebenen Rahmen teilweise drohte zu sprengen - blieb es beim alten Credo: die NATO soll nicht an erster Stelle stehen.
Auf diese Weise äußert sich auch der Journalist Fred Kaplan, ehemaliger Kriegsberichterstatter des Boston Globe, für die französische Webseite Slate.fr bezüglich der libyschen Rebellen: „Es war ihr Krieg und es wird bald ihr Sieg sein, nicht unserer.“ In der Tat, wenn die „Westmächte“ auch Drohnen, Raketen und Maschinengewehre zur Verfügung stellen und sicherlich auch einen Teil der Rebellen ausgebildet haben, so war es doch die sukzessive Auflehnung verschiedener Rebellenstämme, die das Gaddafi-Regime schlussendlich zu Fall brachten. Und möchte man Patrick Haimzadeh, einem ehemaligen französischen Diplomaten, der in Libyen arbeitete und von RFI (Radio France Internationale) interviewt wurde, glauben, sei es sogar der Zintan-Klan [Name einer libyschen Stadt, A.d.R.], der die Wende herbeigeführt habe.
Libyen, Niederlage des politischen Europas?
Frankreich, Großbritannien und Italien gingen trotz militärischer Unterstützung ihrerseits das Risiko ein mit ansehen zu müssen, wie Tripolis sich in ein zweites Bagdad verwandelt. Libyen ist wirtschaftlich gesehen Brachland und die Übergangsregierung bleibt eine nicht identifizierbare politische Institution. Sie muss nun zu der Führungsrolle stehen, die sie bereits seit 7 Monaten inne hat, und verhindern die gleichen Fehler der USA im Irak zu wiederholen, indem sie die Realitäten vor Ort und die Stämme mit einbezieht.
Fragt sich nur, ob Europa für die politischen Herausforderungen in der Libyen-Frage gewappnet ist. Auch wenn London, Paris und Rom zusammen präsent waren, bleibt der alte Kontinent im Großen und Ganzen recht gespalten. Die Hälfte der NATO-Länder lehnte die Teilnahme an der Intervention ab, darunter Polen und Deutschland. „Europa war als politisches Konzept und Strategie komplett abwesend. Das ist die traurige Nachricht“, sieht ein europäischer Diplomat, zitiert von der französischen Presseagentur AFP, ein.
Der bittere Befund ist aber längst nicht endgültig. Die Europäische Union kann ohne Zweifel Hoffnungen in einen multilateralen Erfolg setzen, der sich - Daumen drücken - eher auf das libysche Volk als auf die multinationalen Ölgesellschaften, wie es in den irakischen Wüsten der Fall war, konzentrieren soll. Der Wetteinsatz ist hoch. Für Libyen. Aber auch für Europa.
Fotos: Titelbild (cc)brqnetwork/flickr ; Obama (cc)sandiandsteve/flickr; Sarkozy und Clinton (cc)osipovva/flickr ; Video (cc)unleshed14/youtube
Translated from L'après-Kadhafi, un nouvel Irak ? La Libye de l'Europe pour rayonner.