Europa in Südafrika 2010: Zu Gast bei Freunden
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Simone BrunnerNach den Pannen und Pleiten des europäischen Fußballs im Juni, haben die Europäer im Juli schlussendlich dennoch triumphieren können. Und Tintenfisch Paul aus Oberhausen, dem sieben seiner dreizehn Tentakeln amputiert worden sind, hat jede todsichere Wettprognose über den Haufen geworfen - umso besser!
Ein Rückblick auf die europäischen Leistungen auf südafrikanischem Rasen, zwischen betretenen Gesichtern der Großen von gestern und den erhobenen Häuptern der neuen spanischen Dribbel-Könige.
Europa steht in der Farbkombi rot, gelb, orange und schwarz auf dem diesjährigen WM-Siegerpodest. Es ist das erste Mal, dass die europäischen Mannschaften weit weg von zu Hause das Siegerpodest auf allen Stufen besetzen. Der gute Alte Kontinent passt sich an; er setzt sich durch. Bezüglich des Gastgebers halten wir ohne Boshaftigkeit fest, dass die afrikanische Fußball-WM 2010 in dem am wenigsten afrikanischen Land Afrikas stattgefunden hat. Eine Auswahl der Leistungen, welche die Mannschaften aus Europa erbracht haben:
Sieger von gestern: Betretene Gesichter
Die Finalisten von Berlin konnten ihre Leistungen von 2006 nicht annähernd wiederholen. Italien und Frankreich haben eine 'erwartete' Überraschung geliefert: Überalterte Mannschaften - noch schlechter als die Experten befürchtet und weit weniger energisch und spielfreudig, als die Fans es sich erhofft hatten. Die beiden Nationaltrainer haben mit Mühe zwei Mannschaften ohne Zusammenhalt und ohne Perspektiven zusammengestellt. Marcello Lippi (Italien) und Raymond Domenech (Frankreich) kannten die Namen ihrer Nachfolger bereits vor Beginn des Turniers.
Unterdrückt aber kampfesmutig
Die 'kleinen' Europäer aus Slowenien, Griechenland und der Schweiz haben abwechselnd Gutes, Mittelmäßiges und Schlechtes geboten. Sogar ein Spiel gewonnen. Das reicht zwar nicht, um über die Gruppenspiele hinaus zu gelangen, aber es ist nötig, um das Gespött bei der Rückkehr in die Heimat zu vermeiden. Schlicht und einfach beim Fest der ganz Großen des Fußballs dabei zu sein, reichte diesen Nationen, um glücklich zu sein.
Zurückzukehren, ohne erniedrigt worden zu sein, stellt dabei einen Bonus dar. Nur die Slowakei - unverhofft kommt oft! - schaffte es mit Müh und Not die Gruppenpartien zu überstehen, zugegebenermaßen auch ein bisschen Dank der masochistisch veranlagten Italiener. Getragen vom freundlichen Hünen und Torjäger Vittek, haben die Slowaken - die Prügelknaben der Tschechischen Republik - die Geschichte noch einmal aufgerollt. Die Unterdrückten spielten erhobenen Hauptes - allerdings gerade einmal solange, bis die 'oranje' Todesmaschine dem Glückstaumel ein abruptes Ende bereitete.
Die enttäuschenden Außenseiter
Die dänischen und serbischen Außenseiter, die eigentlich auf hohem Niveau spielen können, haben enttäuscht. Die Fußballer aus Kopenhagen und Belgrad hatten alle Karten in der Tasche, um sowohl kollektiv als auch individuell ein anständiges Turnier zu zeigen. Aber die Magie verpuffte. Die Ernüchterung war vom verrufenen serbischen Vorort Leskovac bis hin zu den Elfen im Wald von Midtjylland selbst für Blinde zu sehen.
Das kenternde englische Schiff
England ging außerhalb seiner Insel auf Schatzsuche, doch der Erfolg blieb aus. Eine alte Angewohnheit! Die Sirenen schwemmten das Boot der Angelsachsen an die italienische Küste, um dort einen italienischen Trainer für ihr Team zu erobern. Auf die feine englische Art eben. Der glückliche Auserwählte, reichlich entlohnt, ist ein patentierter Sieger. Auch wenn er noch vorher keine Erfahrungen als Nationaltrainer gesammelt hatte. Doch es nutzte alles nichts - Fabio Capello ist kläglich untergegangen. Ganz tief gesunken sozusagen. Tiefer als ein einfacher englischer Arbeiter.
Eigentlich wäre die Lösung des englischen Übels kinderleicht: Das englische Handelsschiff müsste einfach an einem französischen Hafen für einen Torwart und an einem argentinischen für einen Stürmer anlegen. Einmal in England von Deck gelassen, würden die zwei neuen Elemente aus dem Ausland die englische Mannschaft schnurstracks ins Halbfinale führen und anschließen direkt geadelt werden.
Christiano Ronaldo, im Alleingang gegen alle
Portugal fand auf seinem Weg den sperrigen Nachbarn Spanien. Der schweigsame und züchtige Lusitaner hasst insgeheim den redegewandten und eitlen Iberen. Die Geschichte der zwei Länder verflechtet sich entlang des Flusses Douro. Der Einwanderer aus Coimbra muss am Wegzoll der Spanier vorbei und der Emigrant von Guimaraes kann den iberischen Boden nicht vermeiden, wenn er seine Familien besuchen möchte. Cristiano Ronaldo, im Alleingang gegen die Roja, wurde zu einem unnützen und maulenden Kind. Die eiserne Verteidigung von Carlos Queiroz musste unter dem eroberungslustigen Angriff der Spanier klein beigeben.
Niederlande: Aller guten Dinge sind drei
Auf den Spuren ihrer Ahnen, den Buren, haben die Niederlande ihren Hochmut irgendwo unterwegs nach Südafrika verloren. Kleinlich kamen sie daher und mit mangelnder Initiative. Bereits zum dritten Mal in letzter Instanz besiegt, haben die Holländer nicht nur eine Begegnung verloren, sondern auch einen schmeichelhaften Ruf verpasst. Nach zwei Finals (1970 und 1974), die dem Fußballaltar zum Opfer fielen, hatten die Bataver diesmal beschlossen all ihre Grundprinzipien über den Haufen zu werfen, was in einer Reihe unschöner Aggressionen gipfelte. Der minimalistische Plan, gezeichnet von Bart Van Marwick, sollte die Strapazierfähigkeit aller Instanzen mit sparsamen aber effizienten Konterschlägen verbinden. Rinus Michels (holländischer Trainer 1990-1992) hat sich wahrscheinlich mehrfach im Grab umgedreht, während Ajax-Dribbelgott Johann Cruyff vor Wut in seinen Sessel gebissen haben muss. Glücklicherweise konnte die niederländische Knausrigkeit nicht über spanische Beherztheit triumphieren. Doch die zwei Legenden des Totalen Fußballs behielten beim spanischen Sieg ihr Lächeln.
Spanien in der VIP-Lounge
Spanien, der Schrecken des Clubfußballs, wird auch zu einer nationalen Fußballmacht. Ein historischer Doppelsieg, errungen dank eines traumhaften Spiels, lässt die Iberen schlussendlich die Wunden vergangener Spiele gegen die Franzosen (1986), Holländer (1974) und Ungarn (1954) heilen. Nach einer jahrelangen Durststrecke und einer frustrierenden Geschichte wurde ihr Spiel nun schlussendlich reichlich belohnt.
Empfangen wir nun in aller Freude und Glückseligkeit den Goldmedaillengewinner im Kreise der europäischen Sieger. Spanien rückt zu Italien, Deutschland, England und Frankreich auf. Die Big 5 sind nun endlich komplett. Die anwesenden fünf Gäste können nun ihr Galadinner genießen: Antipasti und Tapas zusammen mit einem frischen Pils als ersten Gang, gefolgt von einem guten, in Lager eingelegten Entrecôte. Brasilien, der nächste Gastgeber der WM 2014, sollte sich eine Scheibe abschneiden.
Fotos: ©pollobarba/flickr; Anelka ©robertodevido/flickr; englische Vuvuzela ©DFID - UK Department for International DevelopmentDFID - UK Department for International Development/flickr; portugiesische Pleite ©mikkelz/flickr; Iniesta ©Globovisión/flickr
Translated from L'Europe en Afrique du Sud : comme à la maison