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Euro oder Esperanto-Money?

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Wenn die Europäische Union in 50 Jahren noch eine Rolle spielen will, müssen alle Mitgliedstaaten den Euro einführen.

Wie sieht die Europäische Union im Jahr 2057 aus? Anlässlich des 50. Geburtstages der EU am Wochenende haben zahlreiche Leitartikler mehr oder weniger plausible Zukunftsszenarien entworfen. Zwischen Weltherrschaft und Zerfall war alles dabei, je nach Standpunkt des jeweiligen Autors. Der International Herald Tribune reichten reine Gedankenspiele jedoch nicht aus. Die Zeitung überlegte sich zehn Fragen zur Zukunft der EU und beauftragte das Marktforschungsinstitut Harris Interactive mit einer repräsentativen Umfrage in fünf europäischen Ländern und den USA.

Die Ergebnisse geben auf den ersten Blick wenig Anlass für die allgemeine Larmoyanz, mit der das Jubiläum vielerorts begleitet wird. Denn der Zerfall der EU gilt länderübergreifend als sehr unwahrscheinlich. 85 Prozent der Franzosen, 76 Prozent der Deutschen, 62 Prozent der Briten, 84 Prozent der Italiener und 82 Prozent der Spanier beantworten die Frage, ob es die EU auch 2057 noch geben wird, mit Ja.

Erfolge des Euro

Noch eindeutiger fällt das Votum aus, wenn nicht nach der Zukunft der EU, sondern nach dem Schicksal ihres Hauptzahlungsmittels gefragt wird: Die Werte für den Euro schwanken zwischen 76 Prozent in Großbritannien und 93 Prozent in Spanien. Auch 72 Prozent der US-Amerikaner glauben an die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung, obwohl nur jeder zweite in den USA glaubt, dass es die EU in 50 Jahren noch gibt.

Dieses Umfrageergebnis spiegelt den Erfolg wieder, den der Euro trotz aller Teuro-Debatten verkörpert – innerhalb wie außerhalb der EU: Die Gemeinschaftswährung hat den Handel innerhalb der EU nach Berechnungen der OECD um zwischen fünf und fünfzehn Prozent gesteigert. Und weil inzwischen rund ein Viertel der Devisenreserven weltweit in Euro gehalten wird, entwickelt sich der Euro zum ernsthaften Rivalen des US-Dollar.

„Der Euro macht uns stark“

Es gehörte daher zu den positiven Überraschungen der „Berliner Erklärung“, dass die Bundeskanzlerin den britischen Widerstand gegen eine Erwähnung des Euros in dem Dokument überwinden konnte und der Gemeinschaftswährung in dem Text eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Globalisierung beigemessen wird: „Wir stehen vor großen Herausforderungen, die nicht an nationalen Grenzen halt machen. Die Europäische Union ist unsere Antwort darauf. (...) Der gemeinsame Markt und der Euro machen uns stark. So können wir die zunehmende weltweite Verflechtung der Wirtschaft und immer weiter wachsenden Wettbewerb auf den internationalen Märkten nach unseren Wertvorstellungen gestalten.“

Damit der Euro die EU auf Dauer stark machen kann, dürfen die neuen Mitglieder aus Mittel- und Osteuropa die Einführung der Währung aber nicht weiterhin auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben. Der Euro kann seine volle Kraft nur entfalten, wenn sein Währungsraum und der Wirtschaftsraum des gemeinsamen Marktes zur Deckung gebracht werden.

Neben ihrem Versuch, die komatöse Verfassung wiederzubeleben, sollte die Kanzlerin in der zweiten Halbzeit der deutschen Ratspräsidentschaft daher auch darauf achten, dass der Beitritt zur Gemeinschäftswährung zwischen Tallinn und Budapest weiterhin auf der Agenda bleibt. Irgendwann werden sich dann auch die Euroskeptiker unter den alten Mitgliedstaaten – Großbritannien, Schweden und Dänemark – dem Sog der Einheitswährung nicht mehr entziehen können. Ohne diese Perspektive droht dem Euro ein Schicksal als letztlich zum Scheitern verurteiltes Esperanto-Money: Statt ein Symbol der Einigung würde aus der Gemeinschaftswährung ein Zeichen der Trennung innerhalb der EU.