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Eugenia Rico: "Es macht mich stolz, wenn man mich eine Hexe nennt"

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BrunchKulturGesellschaft

Die spanische Erfolgsautorin Eugenia Rico verbindet in ihrem neuen Roman Auch wenn wir Verdammte sind zwei Frauenschicksale in unterschiedlichen Jahrhunderten auf geheimnisvolle Weise. Ein Gespräch über Hexen, Twitter, die Rolle der Frauen und warum es gut ist, anders zu sein.

„Alle Frauen sagen irgendwann einmal, dass sie etwas von einer Hexe haben, und alle Frauen beschimpfen irgendwann eine andere als Hexe.“ Das sagt Ainur, und die hat eine schwere Zeit hinter sich. Um zur Ruhe zu kommen, verlässt sie ihre gewohnte Umgebung, um sich in einem kleinen spanischen Küstenort ihrer Doktorarbeit zu widmen. Dem Forschungsobjekt ihrer Dissertation, der Heilerin Selene, fühlt sie sich nicht nur durch die geografische Nähe verbunden: Während jene im 17. Jahrhundert als Hexe verfolgt wurde, war Ainur in der Jetztzeit einer modernen Hexenjagd ausgesetzt.

Den Vergewaltigungsprozess gegen ihren ehemaligen Vorgesetzten hat sie zwar gewonnen, doch weil sie sich ausgerechnet gegen den hoch angesehenen Bürgermeister zur Wehr gesetzt hat, war sie in der Nachbarschaft nicht mehr gern gesehen. Die Nase voll von schiefen Blicken und Getuschel, begibt sie sich auf eine Reise in das mystische Universum von Selene, die zugleich eine Reise ins Innerste ihrer selbst ist.

In Eugenia Ricos Roman Auch wenn wir Verdammte sind (Hoffmann und Campe) werden zwei Frauenschicksale, die zunächst nichts gemein haben, miteinander verwoben. Protagonistin Ainur ist durch das Stigma der Vergewaltigung nicht nur seelisch eine andere, denn auch durch ihre flammend rote Haarmähne ist sie von Kindesbeinen an eine Außenseiterin.

Anderssein bei Eugenia Rico

„Außenseiter? Natürlich, sind wir doch alle mal.“ Eugenia Rico liegt das Thema sehr am Herzen. In zwei Stunden wird sie im Berliner Cervantes Institut aus ihrem fünften Roman lesen, doch von Stress keine Spur. Eben noch mal den Facebook-Account gecheckt, eine E-Mail zu Ende geschrieben und schon ist die Autorin aus Oviedo dabei, lebhaft gestikulierend ihre Sicht auf die Gesellschaft zu erklären - und das im wilden englisch-spanischen Sprachmix. „Man ist Außenseiter, weil man zu schön oder zu intelligent, zu groß, zu dünn oder zu dick ist. Wir Schriftsteller fühlen uns sowieso immer anders als alle anderen - und wir wollen sogar anders sein! Wir betrachten die Welt aus einem anderen Blickwinkel. Mein Roman soll zeigen, dass das Anderssein etwas Gutes ist!“

Die Autorin studierte zunächst "Internationale Beziehungen und Recht" in Oviedo, Toulouse und Brüssel, schmiss das Studium aber für ihre Leidenschaft - das Schreiben Tatsächlich scheint Eugenia Rico ein lebendes Beispiel für ihre These zu sein, denn ihre Autorenbiografie ist alles andere als gewöhnlich. Ihren ersten Literaturpreis hat sie im Alter von fünf Jahren gewonnen, bei einem Coca-Cola-Schreibwettbewerb. Ihr erster Text wurde im Alter von 11 Jahren veröffentlicht. „Für mich war das Schreiben und auch das Lesen immer etwas sehr Natürliches. Ich komme aus dieser magischen Tradition der mündlichen Überlieferung, denn als ich klein war, hat mir meine Großmutter immer Geschichten und Märchen erzählt.“

Seitdem ist viel passiert, zahlreiche Literaturpreise zieren das Portfolio der Autorin, die Jura, Internationale Beziehungen sowie Theaterwissenschaft studierte. Ihr zuletzt erschienener Roman Auch wenn wir Verdammte sind hat mit dem deutschen Beststeller-Autor Daniel Kehlmann einen sehr prominenten Fan. „Meine beste Arbeit“, nennt Eugenia Rico ihr aktuelles Werk, in das sie zwanzig Jahre an schriftstellerischer Erfahrung gesteckt hat und von dem sie hofft, dass es sowohl Lesevergnügen ist als auch zum Nachdenken anregt. „Der Roman ist für mich nur die Spitze des Eisbergs - was darunter liegt, soll der Leser selbst entdecken.“

Frauen sind Verfolgte

Im spanischen Buchtitel (Aunque seamos malditas) erkennt man, dass mit den „Verdammten“ die Frauen gemeint sind. Ist Eugenia Rico eine Frauenautorin? „Frauen sind für mich ein Symbol für alle Verfolgten. In meinem Buch gibt es aber auch Männer, die verdammt sind. Doch auch heute sind es oft die Frauen, die am meisten unter Verfolgung leiden. So wie früher so genannte „Hexen“ ermordet wurden, werden auch heute noch jeden Tag unschuldige Frauen getötet, wie zum Beispiel kürzlich beim Fall Sakineh (die 2010 wegen angeblichen Ehebruchs zum Tode verurteilte Iranerin Sakineh Mohammadi Ashtiani, A.d.R.). Von den „Hexen“ sagte man, dass sie fliegen können und dass sie Sex mit dem Teufel hatten - völlig aberwitzige Vorwürfe, aber die Menschen wollten das damals glauben. Dabei waren sie einfach nur weise Frauen. Mein Roman macht deutlich, dass das heute immer noch passiert. Es ist noch längst nicht vorbei.“

Die Autorin, Jahrgang 1972, weiß mit den Medien umzugehen und sie zu nutzen. Schließlich schreibt sie selbst für renommierte spanische Zeitungen wie El País oder El Mundo: Im Interview ist sie eine interessante und lebhafte Gesprächspartnerin, mehrmals täglich aktualisiert sie ihren Facebook-Status und twittert ihre Gedanken und Nachrichten an ihre „Follower.“ Im Roman wird auch die Rolle der Medien während des Vergewaltigungsprozesses thematisiert, die dabei nicht sehr gut wegkommen. Sind die Medien nun Fluch oder Segen für Eugenia Rico? „In meinem Roman gibt es die Person des Inquisitors, der plötzlich seine Haltung ändert und zum Gegner der Inquisition wird. So verhält es sich meiner Meinung nach auch mit den Medien. Wenn die Medien jemanden vorverurteilen, dann ist derjenige für immer verurteilt, auch falls er später vor einem Gericht freigesprochen wird. Allerdings sind es umgekehrt auch die Medien, die einen Menschen vor der Inquisition retten können, wie sie es bei Sakineh versucht haben. Facebook und Twitter sind eine neue Realität für mich. Es ist ein bisschen wie telefonieren: man kann das Telefon benutzen, um die Atombombe zu zünden. Oder Du benutzt das Telefon und rettest damit Leben. Wir halten eine Waffe in unseren Händen und müssen lernen, wie wir diese benutzen können.

“Hat denn Ainur recht und hat sie, Eugenia Rico, auch schon mal eine andere Frau eine Hexe genannt? Da muss sie lachen. „Nein, habe ich nicht. Aber „Hexe“ ist für mich ein sehr positives Wort, im Englischen bedeutet es auch ‚weise Frau.’ Ich bin sehr stolz, wenn man mich eine Hexe nennt.“

Fotos: Homepage (cc)Guido Bertoncini/Wikimedia; Buch-Cover/ Eugenia Rico ©Eugenia Rico via Facebook